Ahoi!
Illegaler Antrieb auf dem Tegernsee

In diesem Sommer scheinen Bootskapitäne besonders schnell unterwegs auf dem Tegernsee zu sein. Obwohl ein strenges Regelwerk den Booten massive Antriebe verbietet, ignorieren viele die Vorgaben. Das kann Konsequenzen haben.

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Glatt liegt der See da. Der Himmel blau, das Wasser angenehm kühl. Ein Traumtag. Ein Paar schwimmt vom Steg hinaus in den See – klugerweise mit einer Boje. Ein Boot schneidet ihren Weg, kommt auf fünf Meter heran, die Insassen lachen, grüßen, und das Boot rauscht weiter. Für die Schwimmer, die schwächsten Nutzer im See, ist die Ruhe vorbei. Nicht auszudenken, wenn so ein Boot über einen Menschen mangelt. Kein Einzelfall. Was ist da passiert?

E-Foil und anderes illegales Wasser-Spielzeug

Fakt ist: Auf dem Gewässer zwischen Rottach-Egern und Gmund sind den Freizeitkapitänen enge Regeln für den Antrieb gesetzt. Verbrennungsmotoren sind generell nicht erlaubt, Ausnahmen werden für Rettungs- und Polizeiboote gemacht. Und auch beim Elektroantrieb gibt es Grenzen. Aufsichts- und Genehmigungsbehörde ist das Landratsamt in Miesbach. Aber so richtig kontrolliert wird wohl nicht: Uns berichten Leser seit einigen Wochen von Beinahe-Kollisionen, von der Nutzung neuer Sportgeräte wie dem E-Foil. Hier soll ein Mitglied eines Yachtclubs am Westufer zum Erstaunen diverser Restaurantbesucher sein Können auf dem Bügelbrett mit Elektroantrieb gezeigt haben. Auch wir sahen noch vor einigen Monaten so ein Gerät in der Egerner Bucht – witzig, aber illegal. Gehen wir der Sache einmal nach:  

Bürgermeister Hagn ist sauer

Der Tegernsee gehört zum Gebiet der Stadt Tegernsee. Wir haben den Bürgermeister Johannes Hagn zum Thema befragt. Und auch der teilt unseren Eindruck, dass sich illegale Elektroantriebe immer größerer Beliebtheit erfreuen.  

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“Vom Rathaus aus kann ich alle möglichen Arten von Wassersportgeräten mit Elektroantrieb sehen. Da ist vom Kajak bis zum SUP alles dabei. Das hat mit Wassersport schon nichts mehr zu tun.” Aber was ist denn konkret erlaubt?

Hagn holt ein wenig aus: “Zunächst ist festzuhalten, dass alle SUP, Kanu, Kajak, Schlauboote, Foils mit E-Antrieb als untypische Wasserfahrzeuge gelten und nach Bayerischer Wasserstraßenverordnung verboten sind. Als besonders problematisch und auch gefährlich empfinde ich die sogenannten Elektro-Surfboards oder auch E-Foils. Diese stellen eine erhebliche Gefahr für Schwimmer und Wasservögel dar.” Aber man kann sich als Freizeitkapitän auch legal machen. Dazu braucht es eine Genehmigung durch das Landratsamt (Fachbereich 32). Nur: Was ist genehmigungspflichtig? 

Ein Hilfsmotor bei Segelschiffen erfordert eine Zulassung mit amtlichen Kennzeichen nach der Bayerischen Schifffahrtsverordnung. Zweitakt-Motoren werden nur bei Arbeitsschiffen mit gesonderter Genehmigung zugelassen. Die Hilfsmotoren dürfen übrigens nur bei auftretender Gefahr oder zum Ein-Auslaufen in einen Hafen oder ein Bojenfeld genutzt werden, “nicht aber bei der immer wieder zu beobachtenden Sonntagsspazierfahrt”, wie Hagn anfügt. “Reine Elektroboote sind Bootsverleihern vorbehalten und Privatpersonen nur in Ausnahmefällen genehmigt. Wenn beispielsweise eine Behinderung vorliegt. Auch hier werden wir künftig ganz genau hinschauen.”

Bis zu 5.000 Euro Strafe

Und bei Verstoß kann es teuer werden: Bürgermeister Hagn erklärt: “Es drohen Bußgelder bis 5.000 €. In einem Wiederholungfall wurde erst kürzlich am Chiemsee zusätzlich das E-Foil von der dortigen Wasserschutzpolizei und dem Landratsamt beschlagnahmt. Es sollte jedem klar sein, dass die Nutzung dieser Gerätschaften kein Kavaliersdelikt darstellt und von uns ohne Ausnahme zur Anzeige gebracht wird.”

Nun müssen diese Regeln aber auch überprüft werden, ein Gesetz ist nur so gut, wie es auch nachgehalten wird. Und hier scheint des Pudels Kern zu liegen. Zwar besitzt die örtliche Polizei ein sündteures Boot, was sie auch gern bei Veranstaltungen präsentiert, aber dauerhafte Kontrollen finden selten statt. Denn nicht nur Segelboote nutzen illegale Antriebsformen, sondern auch Angler, die schlicht zu faul oder zu schwach sind, auf dem See zu rudern. Das gilt auch für das beliebte Schleppangeln.

Aber in der Hochsaison werden weder illegale Freizeitangler noch Antriebe groß kontrolliert. In den heißen Wochen mutiert der See oftmals zu einem rechtsfreien Raum, wo der Stärkere kaum Rücksicht auf Schwächere nimmt. Gerade die Zunahme an SUPs und deren eher willkürliche Nutzung stellt, wie Hagn erklärt, für Badegäste und Wasservögel eine Gefahr dar. Da werden Badestellen mit Dutzenden Schwimmern, Kindern und Senioren, wie am Hubertus in Bad Wiessee, Rottach-Egern oder Gmund bräsig mit dem Bügelbrett durchpflügt. Wenn dann noch illegale Antriebe dazu kommen, kann es schnell zu folgenschweren Unfällen kommen, wie vor zwei Jahren am Starnberger See. Spricht man mit Seglern über das Thema, werden sie schnell einsilbig. Klar, so ein Antrieb ist eine herrliche Alternative, wenn der Wind abflaut. Vor allem: Wenn Gewitter auftauchen, kann man den Wind noch lange nutzen, weil man ja schneller in den Hafen zurückkommt. Die eigene Spaßmaximierung steht im Vordergrund. Aber vermutlich ist der nächste Unfall mit einem illegal angetriebenen Boot und einem Schwimmer dann nur ein “bedauerlicher Einzelfall”.

Tegernsee verkommt ökologisch

Und die Natur? Egal? Wasservögel werden immer mehr zurückgedrängt, können schnellen Booten nicht ausweichen. Hinzu kommen SUP-Nutzer, die an oder in das streng geschützte Schilfareal fahren. Die Folgen erläuterte kürzlich der Koordinator der Wasservogelzählung, Wolfgang Hiller, in einem Brandbrief an die Bürgermeister: “Unsere jahrelangen, neutralen Beobachtungen im Rahmen der Internationalen Wasservogelzählung, haben wir in einer Statistik den Talbürgermeistern vorgelegt. Sie zeigt, dass sich seit 2008 die Zahl der über das Jahr im Tegernsee vorkommen Wasservögel halbiert hat und kontinuierlich abnimmt.” Der Freizeitdruck durch SUPS und Elektroboote ist immens. Hillers Fazit: “Der See verkommt zu einem Rummelplatz für Menschen und verarmt ökologisch.”

Der Tegernsee ist eben mehr als nur ein Freizeit-Spielplatz. Er hat Trinkwasser-Qualität und verbietet aus gutem Grund die Nutzung von Freizeit-Motorbooten. Es ist an den Aufsichtsbehörden, die Regeln auch durchzusetzen. Sonst sind sie das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt worden sind.

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