Im Fadenkreuz der Konflikte

Umstrittene Südspange, Verkehrschaos, Kreidl-Affäre, Spendenvorwürfe, Asylbewerber, Wohnungsknappheit und überteuerte Mieten – das Konfliktpotential in Holzkirchen ist nicht von schlechten Eltern. Seit etwas mehr als 100 Tagen ist Olaf von Löwis (CSU) Bürgermeister. Und sucht nun nach Antworten auf die drängendsten Fragen.

Bürgermeister Olaf von Löwis im Gespräch
Bürgermeister Olaf von Löwis im Gespräch

Holzkirchner Stimme: Sie sind 100 Tage im Amt. Wie haben Sie sich eingearbeitet?

von Löwis: Durch meine Zeit als Zweiter Bürgermeister war ich in viele Themen eingearbeitet. Von der Fülle der Termine, den ständig wechselnden Themen und den vielen Bürgeranfragen aber fühlte ich mich buchstäblich überrollt. Es war eine sehr intensive Zeit.

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Holzkirchner Stimme: Wie unterscheiden Sie sich von Ihrem Vorgänger?

von Löwis: Zunächst versuche ich Bewährtes wie Dienstbesprechungen, Umgang mit Mitarbeitern und Terminen fortzusetzen. Da orientiere ich mich noch sehr an meinem Vorgänger. Das Wichtigste, was ich von Josef Höß gelernt habe, ist Geduld. Ich bin oft zu ungeduldig.

Holzkirchner Stimme: Welche Ziele haben Sie bis jetzt realisiert?

von Löwis: Ich möchte das Thema Verkehr in die Gänge bringen. Die Gründung des Arbeitskreises halte ich für einen guten Weg, um fachliche Fragen anzugehen und die Bürger mitzunehmen. Erste Schritte sind im Wohnungsbau und bei der Geothermie erfolgt. Und wir können zum Herbst ausreichend Hortplätze zur Verfügung stellen.

Bürgerentscheid wegen Südspange?

Holzkirchner Stimme: Zum Brennpunkt Verkehr. Bei der Unterschriftenübergabe haben Sie gesagt: „Der Bund lässt die Südumgehung sterben, wenn zu viel Proteste da sind.“

von Löwis: Das ist meine Befürchtung. Auch ich wäre vorsichtig, wenn ein Projekt nicht von den Bürgern getragen wird. Jedoch bezweifele ich, dass es nur Gegner gibt. Oft schweigen die Befürworter. Manche sagen auch: Lieber die Südtrasse als gar nichts. Letztlich haben doch alle ein Ziel: Den Verkehr im Ort verringern.

Holzkirchner Stimme: Ist die Südspange vom Tisch …

von Löwis: Nein, die ist nicht vom Tisch. Das Straßenbauamt muss wissen, ob ein vorrangiger Bedarf besteht. Das soll der Arbeitskreis klären. Vielleicht sogar durch einen Bürgerentscheid. Aber sie spielt eine Nebenrolle. Es dauert noch viele, viele Jahre, bis sie realisiert ist. Aber wir brauchen jetzt eine Lösung.

Die Südumgehung wird, wenn überhaupt, erst in einigen Jahren realisiert
Die Südumgehung wird, wenn überhaupt, erst in einigen Jahren realisiert

Holzkirchner Stimme: Wie könnte die aussehen?

von Löwis: Es kommen konstruktive Vorschläge von den Bürgergruppen. Als erster Schritt soll die B13, die über den Marktplatz führt, als Staatsstraße umgewidmet werden. Ich könnte mir vorstellen, dass das Land Bayern auch kein Interesse daran hat, die Verantwortung zu übernehmen. Dann hätten wir als Kommune zwar die Kosten, können aber auch entscheiden, welche verkehrsberuhigenden Maßnahmen wir angehen.

Holzkirchner Stimme: Es entsteht der Eindruck eines ewigen Hin und Hers. Wie stehen Sie dazu?

von Löwis: Von der Ablehnung der ortsfernen Trasse war die Gemeinde schon geschockt. Bei den Parteien herrschte erst mal Ratlosigkeit, ja Chaos. Wir wollen zwar alle zur Sprache kommen lassen. Aber wie heißt es so schön: Viele Köche verderben den Brei.

Holzkirchner Stimme: Wie könnte eine Alternative aussehen?

von Löwis: Zunächst denke ich an die Waakirchner und die Piesenkamer Streckenführungen. Einerseits wäre eine überregionale Umfahrung zwischen der B13 und der B318 eine neue Hoffnung. Andererseits hilft uns das hier in Holzkirchen nicht für die Entlastung des Ortsverkehrs. Wir brauchen eine ortsnahe Variante, wie Claus-Peter Olk vom Straßenbauamt vorgeschlagen hat.

Holzkirchner Stimme: Wie sieht Ihre persönliche Ideallösung aus?

von Löwis: Wenn die Holzkirchner künftig kleine Wege innerhalb des Ortes zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen, wäre das ein guter Ansatz.

Holzkirchner Stimme: Wie kommen Sie täglich zum Rathaus?

von Löwis: Wenn ich keine Termine habe: zu Fuß oder per Rad. Manchmal probiere ich unsere E-Bikes aus, die hier vor dem Rathaus stehen.

Wohnraum für alle Schichten?

Holzkirchner Stimme: Der Flächenverbrauch steigt immer stärker. Wird in Holzkirchen alles zugebaut?

von Löwis: Die meisten Freiflächen sind privat. Da haben wir keinen Einfluss. Aber Initiativen fördern wir natürlich.

Holzkirchner Stimme: Aber es besteht Wohnungsknappheit. Wo sollen die Bürger wohnen?

von Löwis: Zunächst wollen wir im Innenraum die Lücken schließen. Ich denke da an eine Fläche der Baugenossenschaft und das Bauhof-Gelände. Der soll mittelfristig an die Tegernseer Straße verlegt werden.

Holzkirchner Stimme: Für wen wird dann gebaut? Oder anders gefragt: für wen ist Holzkirchen noch bezahlbar?

von Löwis: Bis jetzt haben wir eine finanzstärkere Klientel angezogen. Als Förster wünsche ich mir in Holzkirchen – so wie im Wald – eine ‘wohlsortierte’ Mischung mit verschiedenen Bürgergruppen. Das könnten wir durch mehr Geschossbau erreichen. Aber das ist kein Wunschkonzert.

Wenn der Bauhof in den Außenbereich umzieht, sollen hier Wohnungen entstehen
Wenn der Bauhof in den Außenbereich umzieht, sollen hier Wohnungen entstehen.

Holzkirchner Stimme: Wo könnte neuer Wohnraum entstehen?

von Löwis: Bei den kommunalen Wohnblöcken in der Baumgartenstraße denken wir über Sanierung nach. Außerdem sind Neubauten in Erlkam, Flachsfeld und Richtung Norden in der Maitz in Planung beziehungsweise im Bau.

Holzkirchner Stimme: Gerade in Erlkam wehren sich die Bürger gegen mehr Verdichtung. Welche Lösung sehen Sie?

von Löwis: Ich denke, es ist nur fair, wenn andere Familien die Chance zum Bauen erhalten. Einige Erlkamer und viele Holzkirchner Bürger sind auch zugezogen.

Konfliktpotential Asylbewerber

Holzkirchner Stimme: Wie ist der aktuelle Stand bei den Asylbewerbern – wann können sie einziehen?

von Löwis: In drei Wochen, zum Schulbeginn werden die ersten kommen. Wir haben 50 Containerplätze, wissen aber bis jetzt nicht, ob 20 oder 49 kommen. Die Planungen sind chaotisch.

Holzkirchner Stimme: Viele Bürger hier fühlen sich nicht mitgenommen. Was tun Sie dagegen?

von Löwis: Ich nehme die Anlieger sehr ernst. Deshalb hat die Gemeinde einen Brief an alle Nachbarn geschickt und händisch verteilt. Es war keine Absicht, sondern ein unglücklicher Zufall, dass die Infoveranstaltung an dem Tag stattfand, als die Einspruchsfrist ablief. Das hat man uns damals sehr übel genommen. Trotzdem wurden die Bedenken berücksichtigt. Deswegen haben wir auf die Ausweisung eines zweiten Stocks verzichtet.

Holzkirchner Stimme: Aber es gibt weiterhin Bedenken und Ängste.

von Löwis: Nicht alles ist eitel Sonnenschein. Wir werden Probleme bekommen, da bin ich mir sicher, aber wir haben momentan keine Alternative. Wichtig wäre eine professionelle Betreuung der Leute. Wir wünschen uns einen Sozialarbeiter, der vom Staat bezahlt wird. Aber den gibt es erst ab 50 Asylbewohnern.

Holzkirchner Stimme: Der Druck wird wachsen. Sind weitere Containersiedlungen geplant?

von Löwis: Nein, die Container laufen für drei bis fünf Jahre. In dieser Zeit müssen wir eine Alternative finden, denn wir benötigen den Platz für die ursprünglich geplanten Kindertagesstätten.

Der Einzug der Asylbewerber in Holzkirchen verschiebt sich, weil die Container noch nicht bezugsfertig sind
Aufgrund der Bedenken der Bürger hat die Gemeinde auf einen zweiten Stock verzichtet

Holzkirchner Stimme: Finden Sie, dass die Gemeinde im Vergleich zum Landkreis überproportional belastet wird?

von Löwis: Wir können nicht klagen. Miesbach hat mehr Asylbewerber. Aber es gibt eher touristische Orte im Landkreis, die gar keine Flüchtlinge unterbringen müssen. Es kann nicht sein, dass die ‘hässlichen’ Orte immer die Belastungen tragen müssen!

Erblast: BayWa- und Kreidl-Affäre

Holzkirchner Stimme: Es besteht der Verdacht, dass es beim Verkauf des Baywa-Geländes zu Unregelmäßigkeiten kam. Wussten Sie von den Spendengeldern?

von Löwis: Das wusste jeder im Gemeinderat. Der Verkauf wurde sauber abgewickelt. Die Kreissparkasse hat marktübliche Preise bezahlt. Dazu kam noch die Finanzierung einer Abbiegespur. Bei den Spendengeldern für kulturelle Zwecke über 300.000 Euro besteht zwar ein zeitlicher, aber kein inhaltlicher Zusammenhang.

Holzkirchner Stimme: Wie sehen Sie die Rolle Ihres Vorgänger in dieser Affäre?

von Löwis: Josef Höß ist völlig sauber. Sein Ziel war es, maximale Verkaufserlöse zu erzielen, um die Haushaltskasse in Ordnung zu halten.

Holzkirchner Stimme: Sie waren damals im Rechnungsprüfungsausschuss des Kreistags – wieso ist Ihnen nichts in Sachen Kreidl und Bromme aufgefallen?

von Löwis: Wir prüfen die Ergebnisse, die von Rechnungsprüfungsamt vorgeprüft wurden. Das heißt, wir prüfen 2013 die Zahlen von 2011. Erst mit den Unstimmigkeiten angesichts der Kreidlschen Geburtstagsfeier bestand ein Anlass, außerhalb des Turnus zu prüfen.

Holzkirchner Stimme: Aber wie konnten die Verfehlungen Kreidls an Ihnen vorbeigehen?

von Löwis: Normalerweise überprüft der Ausschuss einzelne Vorgänge auf Vorschlag des Amts. Ich könnte mir vorstellen, dass sie bei kleineren Posten wie Dienstreiseabrechnungen nicht immer alle Details prüfen.

Holzkirchner Stimme: Müssen wir mit weiteren Affären rechnen?

von Löwis: Mit dem neuen Kreistag und Landrat bin ich sicher, dass nichts mehr passieren wird.

Holzkirchner Stimme: Können Sie versichern, dass Sie eine weiße Weste haben?

von Löwis: Ja, denn ich bin für eine klare Trennung zwischen beruflich und privat. Da ich mir als Prüfer keine Fehler leisten kann, bin ich überpingelig.

Das zukünftige Boardinghouse
Laut von Löwis ist beim Verkauf des ehemaligen BayWa-Geländes alles mit rechten Dingen abgelaufen

Holzkirchner Stimme: Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Legislaturperiode gesetzt?

von Löwis: Die Reduzierung des innerörtlichen Verkehrs, die Sicherheit der Radfahrer und eine bessere Aufenthaltsqualität des Marktplatzes stehen ganz oben auf meiner Liste.

Holzkirchner Stimme: Sie gelten als einer der Hoffnungsträger der Landkreis CSU. Haben Sie Ambitionen über das Bürgermeisteramt hinaus?

von Löwis: Ich bin ein leidenschaftlicher Bürgermeister. Um mehr Zeit für mein Amt zu haben, habe ich den CSU-Ortsvorsitz abgegeben. Eine weitere politische Karriere ist im Moment nicht mein Ziel.

Holzkirchner Stimme: Woran sollen sich die Bürger nach sechs Jahren Ära von Löwis erinnern?

von Löwis: An einen Bürgermeister zum Anfassen, der stets ein offenes Ohr für die Bürger hatte – an einen ‘Menschen-Bürgermeister’.

Holzkirchner Stimme: Herr Löwis, wir danken für das Gespräch.

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