Impfen schützt – aber kann es auch schaden?

Ergänzung vom 19. Februar / 17:41 Uhr
Nach unserem Artikel vom 11. Februar zum Thema Chancen und Risiken von Impfungen erreichte uns Ende letzter Woche eine Meldung des Landkreises.

Danach ist der Impfstatus von Schulanfängern insgesamt unzureichend. Das ergab eine Auswertung von über 90 Prozent der Schüler, die im September 2010 eingeschult wurden. Der gesamte Landkreis liege – zum Teil deutlich – unterhalb der Impfraten für ganz Bayern.

Im Landkreis konnten die Impfbücher von 91,6 Prozent der einzuschulenden Kinder ausgewertet werden. Dabei ergab sich folgender Anteil (in %) der gegen die jeweiligen Krankheiten immunisierten Kinder (bayernweite Durchschnittszahlen in Klammern):

Geimpft gegen Diphtherie 91,2 (95,5), Wundstarrkrampf 93,8 (96,8), Kinderlähmung 89,7 (94,8), Keuchhusten 87,8 (94,3), Haemophilus influenzae b (Hib) 86,4 (93,0), Hepatitis B 61,6 (86,3), Masern 90,5 (94,6), Mumps 90,4 (94,2), Röteln 89,8 (94,0), FSME 40,9 (48,8).

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Die Statistik zeige, so die Aussage des Landratsamtes, dass viele Eltern den Nutzen der Impfungen weiterhin nicht richtig einschätzen oder diese vergessen. Dadurch sind ihre Kinder dem Risiko einer möglicherweise schwer verlaufenden Krankheit ausgesetzt.

Oft würden Eltern befürchten, dass die Impfung selbst dem Kind schaden könnte. Eine Sorge, die laut dem Landratsamt, aufgrund der Statistik unberechtigt sei.

Ernste und bleibende Impfschäden sind bei den von der Staatlichen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen extrem selten. Die vom Paul-Ehrlich-Institut gesammelten Meldungen über Impfschäden sind seit Jahren gering und betreffen überwiegend Impfungen, die in Deutschland nicht allgemein empfohlen werden. Die heutigen Impfstoffe sind bestens verträglich.

Auch für die Befürchtung, Impfungen im frühen Lebensalter könnten womöglich das Immunsystem der Kinder überfordern, gäbe es keinerlei Anhaltspunkte. Ärzte gehen derzeit eher davon aus, dass das Immunsystem durch die Impfung auf risikoarme Weise trainiert wird.

Wer sich umfassender zum Thema Impfung informieren möchte, kann das bei den Ärzten des Fachbereichs Gesundheit am Landratsamt Miesbach unter der Telefonnummer 08025/7044300 tun.

Ursprünglicher Artikel vom 11. Februar
„Auf alle Fälle impfen“ rät Diana Eltern, die unschlüssig sind, wie sich eine Impfung auf ihr Kind auswirkt. Die Arzthelferin arbeitet in der mittlerweilen einzigen Kinderarztpraxis im Tegernseer Tal in Gmund.

Zuvor war sie für den Tegernseer Arzt Andreas Busse tätig. Busse praktiziert zwar nicht mehr, auf seiner Webseite erinnert der Kinderarzt jedoch noch an die Bedeutung von Schutzimpfungen und richtet einen Appell an ängstliche Eltern, „sich nicht von schrecklichen Geschichten über die angebliche Gefährlichkeit des Impfens aus dem Munde selbsternannter Impfkritiker verunsichern zu lassen“.

Laut Diana war Busse auch dafür bekannt, nicht-impffreudige Eltern aus seinem Wartezimmer zu „verbannen“. In ihren 17 Arbeitsjahren habe Diana dagegen noch keinen Impfschaden miterlebt, sagt sie.

Wie Schutz-Impfungen funktionieren

Das menschliche Immunsystem funktioniert ähnlich wie eine Eingreiftruppe der Polizei. Dringt etwas Fremdes in den Körper ein, beispielsweise ein Virus oder Bakterium, versucht sie, dieses so schnell wie möglich zu eliminieren. Die Herausforderung dabei: den Fremdling erstmal zu erkennen.

Zu diesem Zweck baut das System eine Art „Immungedächtnis“ auf, also eine Kartei, in der alle „Bösen“ gespeichert sind. So können diese unschädlich gemacht werden, bevor sie dem Organismus gefährlich werden können.

Bei Kinderkrankheiten funktioniert das ein Leben lang. Aus dem Grund bekommt man Windpocken einmal und dann auch nie wieder. Entscheidend ist: man muss die Krankheit erstmal durchleben. Doch seit es Impfungen gibt, ist das nicht mehr so. Denn diese trainieren das Immungedächtnis, ohne die Erkrankung auszulösen. Hier werden abgetötete Erreger, deren Zellbestandteile oder abgeschwächte Gifte zugeführt.

Beim Startpunkt ist man sich nicht einig

Die Meinungen, ab wann es gut ist, Säuglinge impfen zu lassen, gehen auseinander. Während viele Eltern sich dafür entscheiden, nicht vor einem Lebensalter von sechs oder zwölf Monaten damit anzufangen, plädieren viele Kinderärzte für einen frühzeitigen Start.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt offiziell, gesunde Babys mit dem vollendeten 2. Lebensmonat zum ersten Mal zu behandeln.

Wegen der besonderen Gefährdung in der frühen Kindheit sei es sinnvoll, bis zum Ende des 15. Lebensmonats die empfohlenen Impfungen durchzuführen. Noch vor Schuleintritt sollte ein vollständiger Impfschutz vorhanden sein, und spätestens bis zum vollendeten 18. Lebensjahr seien bei Jugendlichen versäumte Impfungen nachzuholen.

Um welche Erkrankungen geht es?

Damit nicht unnötig oft gepiekst werden muss, stehen Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung. Bei der sogenannten „Sechsfachimpfung“ gibt man sechs verschiedene Stoffe in einer Spritze gleichzeitig: Diphtherie, Hepatitis B, Hib (Haemophilus influenzae Typ b), Keuchhusten, Kinderlähmung (Poliomyelitis) und Wundstarrkrampf (Tetanus). Dann folgt in der Regel der Schutz gegen Mumps, Masern und Röteln.

Viele Ärzte empfehlen zusätzlich einen Schutz vor Meningokokken, Pneumokokken und Windpocken, manche auch gegen Durchfall – ausgelöst durch sogenannte Rotaviren. Was wann verabreicht wurde, wird in einem Impfausweis festgehalten. Schutzimpfungen sind übrigens seit dem Jahr 2007 Pflichtleistungen der Gesetzlichen Krankenversicherungen, die den Aufwand bezahlt.

Mehrfach-Impfstoffe verunsichern Eltern

„Wenn ein Baby gegen alle empfohlenen Krankheiten jeweils mit einem Einzelimpfstoff geimpft werden müsste, hätte es mindestens 19 Piekser im ersten Lebensjahr zu erdulden.“ Deshalb sind viele Kinderärzte auch froh, dass es Mehrfachimpfungen gibt. Angst haben dagegen viele Eltern, ihr Baby könnte von den vielen Impfstoff-Komponenten auf einmal überfordert werden.

„Von Anfang an ist das Kind dabei, unzählige solcher möglicher Eindringlinge zu bekämpfen“, beruhigen Mediziner. Impfstoffe seien biologische Arzneimittel, deren Herstellung strengen Hygienemaßnahmen und Kontrollen obliegen. Wichtig sei daher vor allem, dass das Kleine zum Zeitpunkt der Impfung gesund sei, meinen Ärzte. Denn immer dann, wenn das Immunsystem des Körpers sich mit einem Fremdstoff beschäftigt, können Reaktionen auftreten. Das kann natürlich auch bei einer Impfung der Fall sein. Typisch sind Schwellungen und Rötungen an der Einstichstelle, Fieberreaktionen, Unruhe oder Unleidlichkeit.

Lebendimpfstoffe können eine leichte „Impfkrankheit“ auslösen, beispielsweise bei der Masernimpfung. Fieberreaktion beziehungsweise Ausschlag sind eine der Folgen. Eine Ansteckungsgefahr besteht deshalb aber nicht.

Wenn es doch passiert …

Auch wenn das Risiko sehr gering ist, wenn es die eigenen Kinder betrifft, ist einem die Statistik letztendlich egal. So passiert in einer Rottacher Familie. Der elfjährige Fabian (Name geändert) kam fünf Tage nach seiner FSME-Impfung vom Sport nach Hause. Mutter Monika (Name geändert) merkte sofort „Da stimmt was nicht!“.

Der Junge zwinkerte seltsam mit dem Auge. Seine Mimik der einen Gesichtshälfte funktionierte offensichtlich nicht mehr richtig. Mutter und Sohn eilten in die Kinderarztpraxis, von der sie gleich ins Krankenhaus Agatharied überwiesen wurden. Dort diagnostizierte man eine sogenannte „facial lisparese“, eine periphäre Gesichtslähmung, die als Impffolge eingestuft und weitergemeldet wurde.

Zwar konnte Fabian erfolgreich behandelt werden. Bis alles wieder war wie vorher, vergingen allerdings sechs Wochen. Seitdem ist die eher impffreudige Mutter vorsichtiger geworden. „Heute kann ich jeden verstehen, der dagegen ist.“

Geringes Risiko

Risiken gäbe es natürlich auch beim Impfen, schränken Ärzte ein. Doch die Nebenwirkungen sind laut Mediziner in den allermeisten Fällen harmlos und vergehen ohne Behandlung in Kürze wieder. Das statistische Risiko für schwere Impfschäden liege bei weit unter 1 zu 1 Million.

Irmgard Spannagl und Daniela Kober von der Kinderarztpraxis Tegernseer Tal klären alle Eltern schon bei der sogenannten U3-Vorsorgeuntersuchung über die Bedeutung von Impfungen auf. Und die kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Auch wenn sich noch so viele Mythen um das Impfen ranken, die Zahlen sprechen für sich. Impfen schützt – vor allem die Kleinsten.

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