Jung – und im Tal daheim

Das Tegernseer Tal gilt vielerorts als Anziehungspunkt für Senioren. Mit diesem Thema hatte sich unsere Redaktion bereits vor ein paar Monaten befasst. Die demografischen Entwicklungen bleiben aber aktuell. Ist das Tal also auch reizvoll für junge Leute? Gerade wenn der einzigen Disco das Aus droht. Redakteurin Nina Häußinger (25) hat sich aktuell informiert.

Wie sieht die Zukunft des einzigen Clubs im Tal aus?
Die Zukunft des “Whispers” steht in den Sternen. Wie steht es um die Möglichkeiten für junge Leute im Tal…

Statistiken über die Altersverteilung am Tegernsee sollten Aufschluss darüber geben, wie es hier tatsächlich um den Jugendanteil bestellt ist. In Rottach-Egern lebten im Jahr 2012 ganze 562 Personen zwischen 18 und 30 Jahren. Dagegen waren 3.134 Bürger über 50 Jahre alt. In Kreuth waren es 533 zwischen 18 und 30 Jahren und 1.714 „Ü50“.

Früher hingegen war diese Kluft bei weitem nicht so groß. So war das Verhältnis 1970 in Rottach-Egern noch 888 zu 1.907 und im Jahr 1987 immerhin noch 929 zu 2.380. In Kreuth zeigt sich ein ähnliches Bild. Vor mehr als vierzig Jahren lebten dort noch 572 junge Bürger gegenüber von 968 älteren Menschen. Im Jahr 1987 war das Verhältnis sogar 704 zu 1.164. Die demografische Entwicklung geht im Tal also eindeutig zulasten der jungen Menschen zwischen 18 und 30.

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Steht mit dieser „Stichprobe“ schon fest, dass die Älteren die Orte rund um den See dominieren? Ob die Verteilung ungewöhnlich ist, lässt sich mit einem Vergleich zu einer anderen ländlichen Region belegen. Im Ort Altenkunstadt in Oberfranken, in der im Jahr 2011 (im Jahr des Zensus) noch 709 Personen zwischen 18 und 30 und 3.195 Personen über 50 Jahren erfasst waren, leben rund 200 Jugendliche mehr als hierzulande. Bei einer vergleichbaren Einwohnerzahl wie Rottach-Egern. Auch der Vergleich mit anderen Regionen zeigt ein ähnliches Bild: Die Menschen im Tal sind älter.

Handwerker werden gesucht

Die Chancen, im Tal einen Job zu bekommen, sind trotzdem nicht schlecht. Im Tourismus werden immer Arbeitnehmer gesucht. Und auch für diejenigen, die einen Handwerksberuf ausüben wollen, eignet sich das Tegernseer Tal durchaus. Nach der Schule bietet sich eine Lehre an. Handwerker gibt es hier zahlreich und die Chance, eine Ausbildung zu machen, bietet sich an. Trotzdem suchen viele Betriebe in den letzten Jahren verzweifelt und umsonst nach Lehrlingen. Immer öfter bleiben Ausbildungsplätze unbesetzt.

Wenn man jedoch studieren möchte oder in einem größeren Unternehmen mit Aufstiegschancen arbeiten will, verringern sich die Möglichkeiten am Tegernsee erwartungsgemäß deutlich. Und so ziehen junge Leute für ein Studium in die Stadt und bleiben auch in den darauffolgenden Jahren erst einmal dort, um die Chancen am Arbeitsmarkt zu nutzen und Berufserfahrung zu sammeln. „Landflucht“ nennt man dieses Problem in Fachkreisen.

Dabei braucht auch das Tegernseer Tal Akademiker. Arztpraxen, Lehrerstellen oder Architekturbüros wollen auch hier besetzt werden. Die große Masse kann dies jedoch nicht bedienen. Es fehlen in der Region große Arbeitgeber, die höherrangige und -hoffentlich auch – gut bezahlte Arbeitsplätze zur Verfügung stellen könnten.

Finanzierbarkeit und Freizeitgestaltung

Gerade der finanzielle Aspekt ist in vielen Fällen ausschlaggebend dafür, dass junge Leute dem Tal den Rücken kehren. Wohnungen am Tegernsee sind nicht günstig. Junge Leute und Familien, die auf eigenen Beinen stehen müssen, haben es nicht leicht, für die hohen Mietpreise aufzukommen. Kirchen und Gemeinden versuchen zwar schon seit Längerem, Einheimischenprogramme auf den Weg zu bringen, um dem Problem entgegenzuwirken. Bisher jedoch nur mit mäßigem Erfolg.

club rottach
Freizeitgestaltung ist meist eine Frage des Geldbeutels

Beim Thema Freizeitgestaltung scheiden sich die Geister. Trotzdem muss man sagen, dass es sicherlich Regionen gibt, in denen weniger geboten wird als im Tegernseer Tal. Die abendlichen „Ausgehmöglichkeiten“ beschränken sich zwar auf einige wenige Bars und Diskotheken, wie die Rush Bar oder der Club Whisper in Rottach, wobei auch die Zukunft des Whispers noch unklar ist. Dennoch gibt es viele Restaurants, die man auch als junger Mensch nutzen kann. Und auch das Kino in Weissach soll – zumindest jetzt noch – weiter bestehen bleiben.

Allerdings spielt auch hier die Kostenfrage ein große Rolle. An Freizeitaktivitäten wie Kino, Fitness oder Skifahren mangelt es im Großen und Ganzen aber nicht. Auch das einzige Kino am Tegernsee in Rottach bleibt nach Spekulationen um die Schließung weiter bestehen. Und mit Beginn der Seefest- und Waldfestzeit ist auch für die Jugend wieder etwas geboten. Für die ganz Kleinen mangelt es jedoch an modernen Spielplätzen, zum Glück sieht es momentan wenigstens so aus, als ob die Spielarena in Bad Wiessee erhalten bleibt.

Was sich verändern müsste…

Was ist also der Grund dafür, dass es offensichtlich immer weniger junge Leute hier am See hält? Ein Problem sind mit Sicherheit, wie bereits oben genannt, die hohen Kosten in allen Lebensbereichen. Hier besteht, wenn man sich umhört, wahrscheinlich auch der größte Handlungsbedarf. Luxuswohnungen und Zweitwohnsitze sind gut für den Geldbeutel der Verkäufer und Makler. Doch ohne Wohnraum für Durchschnittsverdiener, die sich ein Leben am Tegernsee leisten können, stirbt das Tal langsam aber sicher aus.

Organisationen wie die Standortmarketinggesellschaft (SMG) aus Miesbach versuchen zwar, in ihren Förderprogrammen auch die Jugend vermehrt mit einzubeziehen. Im Sommer soll beispielsweise unter dem Motto Ausbildungstour ein Bus eingesetzt werden, der es Haupt- und Realschülern ermöglicht, vier ausgewählte Unternehmen zu besuchen und so einen Einblick in verschiedene Branchen zu bekommen.

„Das soll den Übergang von Schule zu Wirtschaft erleichtern“, erklärt Regionalmanager Florian Brunner. Auch Ausbildungstage an verschiedenen Schulen sollen den Schulabgängern möglichst früh verschiedene Berufsmodelle nahebringen. So will man Möglichkeiten aufzeigen und die jungen Erwachsenen auch nachhaltig an die Region binden. Ob solche Maßnahmen allein jedoch die Trendwende bringen, darf bezweifelt werden.

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