Wir haben nachgeforscht, woran es liegt, dass die oberen Führungsetagen in Wirtschaft und Politik, bis auf wenige Ausnahmen wie die Miesbacherin Ingrid Pongratz, noch immer fest in Männerhand sind.
Insbesondere in der Politik haben im Landkreis Miesbach nur wenige Frauen Spitzenpositionen inne. Neben der Miesbacher Bürgermeisterin und möglichen zukünftigen Vize-Landrätin Ingrid Pongratz gibt es aktuell keine weitere Bürgermeisterin im Landkreis. Schliersee hat immerhin eine zweite Bürgermeisterin. In den Stadt- und Gemeinderäten des Tegernseer Tals liegt der Frauenanteil derzeit bei rund 20 bis 25 Prozent.
Verglichen damit sind die Frauen im Kreistag des Landkreises Miesbach unterrepräsentiert: Nur 13 der 61 Sitze sind aktuell von Frauen besetzt, im kommenden Kreistag werden es noch zwölf sein. Angesichts der niedrigen Quoten stellt sich die Frage, ob bei der Nominierung für politische Ämter männliche Kandidaten bevorzugt werden. Auf Nachfrage wird dies stets vehement verneint, aber die Zahlen legen diesen Verdacht zumindest nahe. Stark vertreten sind Frauen allerdings in Leitungsfunktionen ehrenamtlicher Vereinigungen und in sozialen und Pflegeberufen.
An der Ausbildung liegt es nicht
Die Gründe dafür, dass Frauen in Spitzenpositionen noch immer die Ausnahme darstellen, sind vielfältig und auch individuell abhängig von der jeweiligen Persönlichkeit. Christine Dietl von der Gleichstellungsstelle im Landratsamt Miesbach weiß: „An der Ausbildung liegt es heute nicht mehr.“ Viele junge Frauen verfolgen zielgerichtet ihren Weg und durchlaufen ihre Ausbildung schnell und konzentriert. Auch in den sogenannten MINT-Berufen, den bisherigen Männerdomänen, haben die Frauen gut Fuß gefasst, erklärt Dietl:
Ich denke, es ist sehr viel im Umbruch und geht in die Richtung, dass Gleichstellung verstärkt gelebt wird.
Verschiedene Studien belegen, dass durch den demografischen Wandel und verstärkten Fachkräftebedarf die Karrierechancen für Frauen steigen. Das sieht auch Alexander Schmid von der SMG so. Seiner Meinung nach ist die fachliche Kompetenz der Frauen gegeben, doch das Bewusstsein darüber ist noch nicht allgemein verinnerlicht. Auch die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hätten sich in den letzten Jahren stark verbessert, so Schmid.
Alte Rollenbilder in den Köpfen?
Die Gleichstellungsbeauftragte Dietl sieht sogar Anzeichen dafür, dass das alte Rollenbild ausgedient habe. Frauen werden mittlerweile nicht mehr als weniger kompetent und weniger belastbar als Männer angesehen. Es sei immer individuell abhängig von der Kompetenz der Person und den Kriterien des Jobprofils, wie sich ein Arbeitgeber entscheide. Dass inzwischen viele Männer die Möglichkeit nutzten, in Elternzeit zu gehen, sei laut Dietl ein sehr positives Zeichen für gelebte Gleichstellung.
Diese Entwicklung bestätigt auch Klaus-Dieter Graf von Moltke, erster Vorsitzender des Unternehmerverbands Miesbach und selbst mittelständischer Unternehmer. In seiner Unternehmensgruppe, zu der auch die Egerner Höfe in Rottach-Egern gehören, arbeiten zahlreiche Frauen in Führungspositionen. Ursprünglich aus dem Bereich Personalentwicklung kommend, hat er in 40 Jahren Berufstätigkeit – auch in seinem Umfeld – nie erlebt, dass eine Frau ihres Geschlechts wegen einen Job nicht bekommen hat.
Zwar hatte auch er sich einmal bei der Besetzung einer Leitungsposition für ein langfristiges Projekt eher einen Mann vorgestellt, stellte am Ende aber eine Frau ein, weil sie besser qualifiziert war und ihn auch auf der Persönlichkeitsebene überzeugt hatte. Von Moltke sieht indes die Frauenquote als problematisch an. Um das Bewusstsein zu wecken und in die Diskussion einzusteigen sei sie gut gewesen, doch ihre Folgen habe man wohl nicht absehen können:
Ich glaube persönlich heute eher daran, dass mit dem Thema ‚Quote’ Frauen in ganz neuer Form ‚diskriminiert’ werden.
Doch nicht nur die Frau muss mit dem Gefühl leben, dass sie nicht allein ihrer Qualifikation wegen einen Job bekommen hat. Auch für die leer ausgegangenen männlichen Bewerber ist die Quotenregelung natürlich ein Ärgernis und eine Art der Diskriminierung.
Frauen erarbeiten sich ihre Karriere härter
Dass Männer Frauen karrieretechnisch nicht weiterkommen lassen oder aber dass sich viele Frauen nicht trauen, verantwortungsvolle Positionen anzunehmen, ist nicht der Fall, sagt die Gleichstellungsbeauftragte Dietl: „In vielen führenden Positionen sehe ich erfolgreiche Frauen sitzen, die dafür allerdings manchmal doppelt soviel Einsatz bringen“, sagt sie.
Eine, der es ebenso ging, ist Alexandra Wurmser. Die stellvertretende Ortsvorsitzende der CSU Rottach-Egern und auch dortige Gemeinderätin hat sich ihre politischen Ämter hart erkämpft. Eine absichtliche Behinderung durch männliche Kollegen hat sie nie erlebt. „Ich habe durch gute Leistung meine Kollegen überzeugt und bekam das Vertrauen von allen“, erzählt sie und ergänzt: „Unter meinen Kollegen wird kein Unterschied zwischen Mann und Frau gemacht. Die Leistung muss stimmen und der Mensch muss passen.“
Auch in ihrem Umfeld hat sie nie von einer derartigen Diskriminierung gehört. Wie Alexander Schmid ist sie allerdings der Meinung, dass die althergebrachten Rollen von Mann und Frau, die noch fest in den Köpfen verankert sind, die weibliche Karriere hemmen können. Frauen werden oftmals noch unterschätzt, gerade wenn es um Führungspositionen geht. So prognostiziert Wurmser:
Das Umdenken braucht noch mindestens eine Generation.
Doch es gibt noch einen weiteren Grund dafür, dass Frauen oftmals nicht in den Führungsetagen ankommen. Im Gegensatz zu den meisten ihrer männlichen Kollegen, die ihre Karriere linear und oft auf Jahre hinaus vorplanen, stehen für viele Frauen die Zufriedenheit mit der Tätigkeit und die Vereinbarkeit mit dem Privatleben im Vordergrund. Im Journalismus beispielsweise kommt es durchaus vor, dass Redakteurinnen Aufstiegschancen in leitende Funktionen ausschlagen, weil sie mit ihrer Tätigkeit rundum zufrieden sind.
Welcher der vielen individuellen Gründe auch dafür verantwortlich sein mag, dass Frauen im Tegernseer Tal nur spärlich in absoluten Spitzenpositionen anzutreffen sind – die Gesamtentwicklung ist durchaus erfreulich. Denn in den Führungsetagen, besonders im mittleren Management, sind sie mittlerweile etabliert und punkten nicht zuletzt mit ihren weiblichen Stärken. Nun wird es wohl vor allem eine Frage der Zeit sein, bis die berufliche Gleichberechtigung endgültig Einzug in die Köpfe gehalten hat – gerade im ländlichen Bereich.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich in der Gleichstellungsstelle in Miesbach bisher keine Frau wegen einer beruflichen Benachteiligung gemeldet hat. Dafür aber der eine oder andere Mann.
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