“Ein Placebo, um die Bürger zu beruhigen”

Wird es irgendwann eine Umgehungsstraße für den Ortskern von Gmund geben? Keiner kann es momentan so genau sagen. Fest steht: wenn Tausende von Autos sich durch das „Tor zum Tegernsee“ ins Tal oder hinaus quälen, ist das für die Anwohner belastend.

Dabei könnten sich die Verantwortlichen eine Umgehungsstraße grundsätzlich vorstellen. Im Vorentwurf zum Flächennutzungsplan ist sie drin. Doch das sei, so sieht es Kreisrat Wolfgang Rzehak, nur Placebo.

Die bevorzugte Route ‒ Der „Korridor“ von Moosrain Richtung Kaltenbrunn

Bereits seit 25 bis 30 Jahren wird in Gmund über eine mögliche Umfahrung des Ortskerns diskutiert. Mehrere Varianten sind laut Vize-Bürgermeister Georg Rabl bereits im Gespräch gewesen. Im Jahr 2004 wurden die Pläne dann konkretisiert. Ziel der Gemeinde war damals die Aufnahme der „Ortsumfahrung Gmund am Tegernsee“ in den Verkehrswegeplan des Deutschen Bundestages zum Ende des Jahres 2004.

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Zur Ermittlung der möglichen Trassenführung wurde hierfür eine Raumempfindlichkeitsanalyse bei der Planungsgruppe Strasser und Partner in Auftrag gegeben. Das Ziel dabei: die Belastungen einer Umgehungsstraße für Mensch, Natur und Landschaft zu ermitteln.

Das Fazit fiel damals ernüchternd aus. Der Bau einer Umgehungsstraße hätte erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt. Als Streckenverlauf mit den geringsten Auswirkungen kristallisierte sich eine Umgehung über Finsterwald heraus. Die Wälder im Bereich Moosrain sollten weitestgehend verschont bleiben – auch um das Grundwasser zu schützen.

Pläne in der Schublade

Im Bereich Finsterwald wurde außerdem eine Untertunnelung in Erwägung gezogen, um die Belastungen für die Anwohner zu minimieren. Unklarheit herrschte derweil über eine geeignete Stelle für den Ausgang des Tunnels. „Ein Tunnelausgang am Tegernsee-Nordufer würde das Landschaftsbild maßgeblich negativ beeinflussen“, machte Diplomingenieur Rubeck damals klar.

Da der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages das Projekt „Umgehungsstraße Gmund“ im Mai 2004 nicht mit der notwendigen Dringlichkeitsstufe in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen hat, liegen die Pläne seither in der Schublade. Denn erst im Jahr 2015 wird der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages wieder über die Aufnahme von Projekten entscheiden.

Das Verfahren

Der Bundesverkehrswegeplan ist Teil des ganzen „Puzzles“, wenn es um die Realisierung von Verkehrsprojekten geht. In diesem Plan legt der Bund fest, welche Maßnahmen bundesweit favorisiert werden. Weil sich politische und verkehrstechnische Rahmenbedingungen kontinuierlich ändern, werden auch die Instrumente der Planung kontinuierlich weiterentwickelt. Daher soll 2015 ein neuer Verkehrswegeplan vorgelegt werden.

Zuständig für die Planung ist dann das Staatliche Bauamt in Rosenheim (Straßenbauamt), das in so einem Fall ein Planfeststellungsverfahren durchführt. Dieses Verfahren läuft laut Axel Reinicke vom Straßenbauamt folgendermaßen ab: alle vom Bauvorhaben möglicherweise betroffenen öffentlichen und privaten Belange werden geprüft und abgewogen, Rechtsfragen gelöst. Meist muss auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden.

Vorsorgen für die Zukunft

Das gesamte Verfahren, das auf die Gemeinde Gmund zukommen könnte, ist recht aufwendig und braucht vor allem viel Zeit. Laut Vize-Bürgermeister Georg Rabl (FWG) sei jedoch momentan nichts Konkretes geplant. Man hätte mit der positiven Abstimmung zur Umgehungsstraße – dem sogenannten Korridor – lediglich dafür gesorgt, dass sie irgendwann einmal kommen könnte. „Wir wollen uns nichts verbauen“, so Rabl auf Rückfrage unserer Redaktion.

Der „Korridor“ – also eine Lösung, bei der auch andere Orte freigestellt wären, sei sowieso die einzig machbare Lösung. Man wolle keine Verlagerung von einem Ort auf den anderen, erklärt Rabl. Insgesamt könne man jedoch nicht mit einer schnellen Lösung rechnen. Ob jemals etwas umgesetzt wird, sei im Moment nicht absehbar. „In den nächsten zehn Jahren ist das eher nicht zu verwirklichen“, mutmaßt der Zweite Bürgermeister.

„Umgehungsstraße nur Placebo“

Nahezu keine Chance gibt der Gmunder Gemeinderat Wolfgang Rzehak (Grüne) einer Umgehungsstraße. Die gerade aufkeimenden Pläne wären lediglich „Placebo, um die Bürger zu beruhigen“. In Wirklichkeit werde gar nicht daran gedacht, den Verkehr aus dem Ort herauszunehmen. Rzehak begründet seine Annahme darauf, dass die bei der Vorstellung des Flächennutzungsplans gezeigten Ortspläne sehr ungenau gewesen seien. „Wenn man es wirklich wollte, hätte man es nicht so ungenau skizziert“, behauptet er.

Schönes Wochenende und Baustelle ‒ da ist der Kollaps im Zentrum von Gmund bis spät in den Abend vorprogrammiert / Archivbild
Schönes Wochenende und Baustelle ‒ da sind lange Staus im Zentrum Gmunds vorprogrammiert / Archivbild

„Die Umgehungsstraße wird niemals kommen“, ist sich Rzehak sicher. Denn gerade die Korridor-Lösung sei „irrsinnig teuer“. Hunderte von Millionen würde allein der Tunnel kosten. Dabei sei der Wegeplan chronisch unterfinanziert. Und dann sei es „nicht einmal gesagt, dass es so viel bringt“. Bei viel Verkehrsaufkommen suchten die Leute doch wieder den Weg durch den Ort, meint Rzehak. Und eine Umfahrung leite in Gmund die Verkehrsprobleme einfach nur um und belaste die Bürger in Finsterwald.

Von vielen sei die Umgehung in der Flächennutzungsplan-Arbeitsgruppe gefordert worden, so Rzehak. Er habe sich trotzdem gefreut, dass so viele Gemeinderäte letztendlich gegen die Aufnahme gestimmt hätten. Fakt ist: der „Korridor“ ist mit zehn zu neun Stimmen drin im FNP-Vorentwurf. Doch Rzehak ist trotzdem optimistisch, dass es niemals eine Umgehung geben wird, die flächenzerschneidend und zersiedelnd wirke. „Das geht nicht mehr so leicht wie noch vor 30 Jahren!“

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