Die fremden Männer kommen

Sichtschutz – ja oder nein. Um diese Frage drehte sich Gemeinderatssitzung am Dienstag in Waakirchen. Zwanzig Männer kommen. Ein ungutes Gefühl kommt mit den Fremden in den Ort. Ein Zaun soll schützen. Doch wen eigentlich – die Männer oder die Einheimischen?

Hartl mittendrin - bei der Waakirchner Bürgerversammlung
In der Bürgerversammlung eröffnete Sepp Hartl, dass Asylbewerber in den Ort kommen.

Dass Asylbewerber nach Waakirchen kommen werden, ist offiziell seit der Bürgerversammlung bekannt. Zu Beginn werden es 15 bis 20 sein, bis Jahresende soll die Zahl auf bis zu 52 klettern. Das hatte Bürgermeister Hartl bekannt gegeben.

Angst vor’m „Schwarzen Mann“?

In der Zwischenzeit hat man sich mit den Verantwortlichen des Miesbacher Landratsamts zusammengesetzt und über Details der Unterbringung gesprochen. Die ersten 20 Männer werden demnach im Tischtennisraum im Untergeschoss der Waakirchner Turnhalle untergebracht.

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Damit die „Fremden“ erstmal vor neugierigen Blicken geschützt werden, hält nicht nur Bürgermeister Sepp Hartl einen Zaun für angemessen. Zwischen dem Gebäude, in dem der Tischtennisraum ist, und dem Sportplatz am Schulgelände soll der Zaun errichtet werden.

Das ist eine Grenze, die man nicht braucht.

So der Einwand von Gemeinderätin Gisela Hölscher. In Zeiten des zweiten Weltkriegs seien 200 Flüchtlinge in Waakirchen untergebracht gewesen und man habe sie damals voll integriert, so Hölscher. „Und jetzt sollen sie wie in einem Ghetto weggesperrt werden?“, fragte sich die Gemeinderätin.

Ja, der Zaun wirkt befremdlich, ist aber für den Anfang sinnvoll. Das finden der Bürgermeister und auch besorgte Eltern. Sie hatten den Zaun gefordert. Die Angst der Eltern: Die Schulkinder, die im direkt angeschlossenen Pausenhof spielen, könnten sonst neugierige Blicke in den unterirdischen Raum werfen. Sie haben Bedenken, ob die Pausenaufsicht sonst noch den Überblick behalten kann.

„Ein Zaun ist immer so negativ belastet“, bemerkte Gemeinderat Andreas Hagleitner (FWG). Es ist nicht so gedacht, dass die Asylbewerber ausgesperrt werden. „Der Raum liegt im Souterrain, braucht also einen Sichtschutz.“ Während der Schulzeit bleibt der Hartplatz also gesperrt. Nach dem Schulbetrieb sperrt der Hausmeister dann auf und öffnet somit den Zugang wieder für die Asylbewerber.

Integration à la Hartl

Neben dem Sichtschutz denkt die Gemeinde vor allem darüber nach, wie man die „Fremden“ am besten integrieren kann. Man mache sich gemeinsam mit den Kindern Gedanken, so Hartl. „Die sind nicht böse, nur weil sie dunkle Haut und dunkle Augen haben.“ So wolle man es den Mädchen und Jungen vermitteln. Bereits in der Bürgerversammlung hatte Hartl um Gastfreundschaft in der Bevölkerung geworben.

16 bis 17 Ehrenamtliche haben sich bisher gemeldet, um den Asylbewerbern einen guten Start in Waakirchen zu bieten, so Hartl weiter. Vier Lehrer sind darunter. Am Donnerstagabend um 18 oder 19 Uhr will der Integrationsbeauftragte Max Niedermeier in den Ort zu kommen, um aufzuklären.

Die Unterbringung im Tischtennisraum stellt für Waakirchen eine Übergangslösung dar. Dass diese nur von kurzer Dauer ist, dahinter ist unter anderem Gemeinderat Rudi Reber (ABV): „Nix hält länger als ein Provisorium“, mahnte er in der gestrigen Sitzung. Langfristig wartet man auf Containerbauten, die dann für ein paar Jahre aufgestellt werden sollen, wie Hartl kundtat:

Die Unterbringung im Tischtennisraum ist nur eine Übergangslösung. Langfristig winkt eine Containerlösung wie die in Holzkirchen. Foto: Archivbild
Die Unterbringung im Tischtennisraum ist nur eine Übergangslösung. Langfristig winkt eine Containerlösung wie die in Holzkirchen. Foto: Archivbild

Wo die Container aufgestellt werden sollen, war bis dato unklar. Die Gemeinderäte befassten sich mit dem Thema in der gestrigen Sitzung. Drei Standorte wurden im Vorfeld als grundsätzlich machbar eingestuft.

Das Grundstück in der Bürgermeister-Erl-Straße in Schaftlach, wo einst der alte Gasthof zur Post abgerissen wurde, als zweites ein Grundstück in der Schaftlacher Straße nahe des Straußenhofs in Waakirchen und ein Grundstück in der Michael-Erl-Straße südlich vom Friedhof.

In der Diskussion erfuhr man, dass man sich in der Fraktionssprechersitzung dafür ausgesprochen hatte, die Asylbewerber auf alle Ortsteile zu verteilen. Das Landratsamt schließe aber bestimmte Standorte aus, so Hartl:

Die wollen möglichst Bahnhofsnähe und Einkaufsmöglichkeiten und auch in die Stadt kommen.

Diese Argumentation würde den Standort im Michael-Schreiber-Weg an erste Stelle rücken. Ein Umstand, vor dem vor allem Gemeinderätin Gwendolin Kalch (SPD) warnte. Sie spielte auf die Zusammenlegung der beiden Gemeinden Schaftlach und Waakirchen in den 1970er Jahren an und darauf, dass sich Schaftlach übervorteilt fühlen könnte: „Wir haben in Schaftlach immer noch nordirländische Strukturen. Wir müssen sehen, dass nicht alles nach Schaftlach kommt, sonst brennt da drüben die Hütte.“

Günter Jeske brachte einen anderen Aspekt ins Spiel. „Das da unten sind unsere Filetstücke, gut verkaufbar zu 500 Euro pro Quadratmeter.“ Die Containersituation könne sich durchaus für zehn bis fünfzehn Jahre ergeben. Eigentlich habe man ein Einheimischenprogramm auf den Weg bringen wollen. Er forderte, maximal 50 Leute in zwölf Containern unterzubringen.

Weil die Schaftlacher Straße nahe Straußenhof infrastrukturell schlecht erreichbar und in der Bürgermeister-Erl-Straße zu wenig Platz ist, erschien den Gemeinderäten der Containerstandort am Michael-Schreiber-Weg am sinnvollsten. Die Entscheidung fiel klar dafür. Nur Georg Bachhuber (ABV), Monika Marstaller (FWG) und Günter Jeske (FWG) stimmten dagegen. Die größte – auch finanzielle – Herausforderung für die Gemeinde wird wohl die Erschließung des Grundstücks sein. Spätestens im Oktober rechnet man mit der Ankunft weiterer Asylbewerber.

Für kleine Gemeinden wie Waakirchen stellt die Unterbringung von Asylbewerbern eine große Herausforderung dar. Gesellschaftliche Probleme treffen auf logistische Unwägbarkeiten. Mit dem nötigen Willen, Pragmatismus und Bürgerwillen könnte Integration dennoch klappen.

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