“Keine Hotspots im Hotspot”

Die Zahlen rund um die Corona-Krise sind teils schwer zu verstehen. Warum hat gerade der Landkreis Miesbach so viele positive Fälle? Sophie Stadler vom Landratsamt versucht diese Entwicklung zu erklären.

Die Zahlen Stand 07.04.2020

424 Personen wurden bisher positiv auf das SARS-CoV2-Virus getestet (plus sechs zum Vortag – Stand 07.04.2020). 161 davon konnten bereits wieder aus der Quarantäne entlassen werden. In stationärer Behandlung befinden sich 23 Personen, sieben auf der Intensivstation.

Viele Landkreisbürger stellen sich momentan offenbar die gleiche Frage: Was bedeuten diese ganzen Corona-Zahlen eigentlich, die von unterschiedlichen Stellen – auch vom Landratsamt – derzeit täglich kommuniziert werden? „Der Landkreis Miesbach ist seit einer guten Woche „Hotspot“, also ein Gebiet, das von der Ausbreitung des Coronavirus stärker betroffen ist als andere“, erklärt Pressesprechern des Landratsamts Sophie Stadler.

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Was bedeuten die Zahlen eigentlich?

Aber was heißt es eigentlich, dass in Miesbach 419,15 Fälle auf 100 000 Einwohner kommen, im Landkreis Bad Tölz aber nur 216,94, im Landkreis Rosenheim hingegen wiederum 455,59? Warum gibt es in manchen Gemeinden mehr positiv Getestete als in anderen Gemeinden? Diese Frage bewegt nicht nur einige Bürgermeister. „Auch viele Bürger sind verunsichert, was diese Zahlen aussagen sollen. Und Verschwörungstheoretiker fragen täglich nach, warum diese und nicht jene Zahl veröffentlicht wird“, erzählt Stadler.

Für Stadler ist klar, dass die amtlichen Zahlen, die die Gesundheitsämter laut Infektionsschutzgesetz vor Ort erheben müssen, in dieser unsicheren Zeit eine der wenigen verlässlichen Konstanten sind.

Wir hätten gerne ein eigenes Rechenzentrum am Landratsamt für Corona-Zahlen, oder zumindest ein magisches Excel-Sheet, das alle gewünschten Zahlen prompt ausspuckt. Leider haben wir beides nicht.

Man habe aber viele sehr bemühte Mitarbeiter im Gesundheitsamt, die seit Wochen nichts anderes tun, als zu versuchen, die unglaubliche Datenmenge in irgendeine Struktur zu gießen. „Die Situation ist neu für uns, genauso neu ist sie aber für die Kollegen in Tölz oder Rosenheim oder Köln oder Berlin. Wir alle zusammen bitten deshalb um Verständnis, wenn nicht jede Zahl auf Knopfdruck vorliegt“, betont Stadler.

Manche Zahlen könne man tatsächlich nicht liefern. Die Dunkelziffer aller Infizierten beispielsweise. Diese liege um ein Vielfaches höher als die Zahl derjenigen, die durch einen Abstrich positiv getestet werden. Deshalb spreche man nur von der Zahl der positiv Getesteten. Diese Zahl kann nur wachsen, denn wer einmal positiv getestet wurde, wird es immer sein. Genauso wenig könne man sagen, wie viele Personen insgesamt schon getestet wurden. Eine Gesamtzahl existiert nicht, da Gesundheitsamt, niedergelassene Ärzte, Kassenärztliche Vereinigung Bayern und das Krankenhaus parallel zueinander testen. Gemeldet werden nach dem Infektionsschutzgesetz müssen nur positive Befunde.

Zahl der Tests nicht aussagekräftig

Die Zahl der Tests ist auch wenig aussagekräftig. Manche Menschen werden mehrmals getestet. Medizinisches Personal braucht beispielsweise zwei negative Tests, bevor es nach einem positiven Befund wieder arbeiten darf. Interessanter sei die Zahl, wie groß der Anteil an positiven Befunden ist. Im gemeinsamen Testzelt von Gesundheitsamt und niedergelassenen Ärzten ist etwa jeder fünfte Test positiv. Diese Zahl dient aber nur der Orientierung und kann nicht sicher auf den gesamten Landkreis verallgemeinert werden.

Spannend ist die Zahl der Personen, die bereits wieder aus der Quarantäne entlassen werden konnten. Als gesund gilt nach Robert-Koch-Institut, wer nach 14-tägiger Quarantäne mindestens 48 Stunden symptomfrei ist. Nur bei medizinischem Personal wird erneut getestet. Auch die Zahl der genesenen Personen kann nur steigen, denn wer einmal gesund ist, ist laut aktuellem Forschungsstand immun gegen das SARS-CoV2-Virus.

Zahl der aktiven Fälle entscheidend

Zieht man die Zahl der Gesundeten von der Zahl der positiv Getesteten ab, erhält man die Zahl der Aktiven Fälle, also die Zahl derer, von denen derzeit noch ein Infektionsrisiko ausgeht und die deshalb isoliert werden müssen. Ziel ist es, irgendwann gar keine Aktiven Fälle mehr zu haben.

„Um nicht nur den Landkreis in seiner Gesamtheit darzustellen, sondern dem gesteigerten Informationsbedürfnis nachzukommen, veröffentlichen wir täglich auch die Zahl der positiv Getesteten nach Gemeinden“, erklärt Stadler weiter. Ab jetzt wird de Zahl der Aktiven Fälle nach Gemeinde ergänzt, da diese wie beschrieben aussagekräftiger sei als die Zahl der Positiven seit Beginn der Pandemie.

Manche Gemeinden erscheinen mehr betroffen als andere von der Ausbreitung des Virus. Setzt man die Zahl der positiv Getesteten in Relation zur Einwohnerzahl pro Gemeinde, ist es tatsächlich so, dass einige Gemeinden mehr betroffen sind. Die Pressesprecherin sagt dazu:

Es zeichnet sich aber kein Muster ab – es gibt keine „Hotspots“ im „Hotspot“.

Aber wenn natürlich teilweise ganze Familien oder größere Hausstände betroffen sind, schlage sich das in der Statistik nieder. Nicht jede Person kann einer Gemeinde im Landkreis zugeordnet werden. Wer kurz vor Ausbruch der Pandemie in den Landkreis gezogen ist und noch nicht umgemeldet ist, gilt beispielsweise als „Wohnsitz außerhalb Landkreis“. Wer bei einem Aufenthalt in einer Reha-Klinik positiv getestet wurde oder im Krankenhaus liegt, wird keiner Gemeinde zugeordnet.

Auch Todesfälle erscheinen in der täglichen Statistik des Landkreises. Personen versterben immer „im Zusammenhang mit dem Coronavirus“, da das Virus meist nicht als alleinige Todesursache auszumachen ist. Fünf Personen verstarben bisher im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Zwei Personen wohnten außerhalb des Landkreises, deshalb „werden sie von uns zwar vermeldet, aber nach Gesundheitsministeriums-Vorgabe nicht in die Statistik mitaufgenommen“, so Stadler.

Alle vom Gesundheitsamt erfassten Zahlen werden einmal täglich an das Landesamt für Gesundheit gemeldet und von dort aus an das Robert-Koch-Institut. Unterschiedliche Stich-Zeiten führen ggf. zu unterschiedlichen Zahlen. Stich-Zeit für die vom Landratsamt veröffentlichten Zahlen ist für gewöhnlich um 14 Uhr. Werden von den Laboren keine Befunde an das Gesundheitsamt gemeldet, gelten die Zahlen vom Vortag.

Keine Hotspots im Hotspot LK Miesbach

Im Vergleich zu anderen Landkreisen ist der Landkreis Miesbach mehr betroffen. Gleich zu Beginn der Pandemie wurden einige positive Fälle an das Gesundheitsamt gemeldet, die zu Folgeinfektionen führten. „Der Eintrag von außerhalb durch Landkreisbürger, die die Faschingsferien beim Skifahren in Tirol oder Südtirol verbracht haben, war von Anfang an hoch“, erklärt Stadler. Deshalb haben Gesundheitsamt und niedergelassene Ärzte recht schnell ein zentrales Testzelt eingerichtet, um möglichst zeitnah viele Menschen testen zu können. Wer viel testet, bekommt auch viele positive Ergebnisse zurück. Inzwischen haben viele andere Landkreise ebenfalls zentrale Teststellen eingerichtet. „Die besondere Betroffenheit des Landkreises Miesbach relativierte sich damit ein wenig“, erklärt Stadler weiter.

Ziel sei es nach wie vor, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und zu verlangsamen. Dazu sind Zahlen natürlich ein wichtiger Anhaltspunkt. Betrachtet man im Diagramm die Zahlen der vergangenen Wochen, so scheinen die vielen Maßnahmen, die von der Staatsregierung, aber vor allem von der Führungsgruppe Katastrophenschutz und den Gemeinden eingeleitet wurden, Wirkung zu zeigen. „Sicher darf man die aktuellen Entwicklungen noch nicht überbewerten. Aber die Tendenz wäre die richtige“, sagt Stadler abschließend.

Alle Informationen, Kontakte und weiterführende Links zum Thema Corona sind auf der Seite www.landkreis-miesbach.de/coronavirus gesammelt.

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