KulturVision
Klassikkonzerte ohne Kompromisse

Vor einem Monat ging das hochkarätige 35. Internationale Musikfest am Tegernsee zu Ende. Der musikalische Leiter Helge Augstein resümiert im Interview über die Situation von Klassikkonzerten und berichtet über die Planung des 36. Musikfestes.

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Tenne von Gut Kaltenbrunn. / Foto: Musikfest am Tegernsee

MZ: Was waren Ihre Highlights in diesem Jahr?
HA: Wir hatten wieder ein tolles Programm und ich fand alles großartig, schließlich habe ich die Künstlerinnen und Künstler eingeladen.

MZ: Wie können Sie den Standard, den Oleg Kagan und Natalja Gutmann vor 35 Jahren gesetzt haben, halten?
HA: Das waren damals Weltstars und gleichzeitig Freunde der Festivalgründer, die nach Kreuth gekommen sind. Denken Sie an Svjatoslav Richter oder Mstislav Rostropowitsch. In dieser Liga kommt heute niemand mehr an den Tegernsee. Wir kommen also von ganz oben und haben es geschafft, eine gute Ebene zu etablieren. Denn mit Julia Fischer oder Sabine Meyer haben wir auch renommierte Stars im Programm. Das Problem ist oft, dass die Musikerinnen und Musiker Exklusivverträge haben und an anderer Stelle gebunden sind, so dass ein Besuch bei uns unmöglich ist.

Julia Fischer. Foto: Felix Broede
Julia Fischer. / Foto: Felix Broede

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MZ: Trotz des hochkarätigen Programms waren aber einge Konzerte schlecht besucht. Woran liegt das?
HA: Es ist schade, dass sich das Publikum auf den Eventstatus zurückzieht und nur noch etablierte Künstler sehen will. So war es bei dem Konzert der Akademie für Alte Musik sehr zurückhaltend, obwohl das nicht zweitklassig war. Die Konzertbesucher waren sämtlich hingerissen von dem Abend.

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MZ: Auch das Wagner-Liszt-Konzert mit der Lesung war schlecht besucht.
HA: Ich habe voriges Jahr gesagt, wir haben Corona hinter uns gelassen, aber das war zu früh. Voriges Jahr waren die Leute noch hungrig nach Live-Konzerten, aber jetzt ebbt das ab. Und das merken alle, in Bayreuth und in Salzburg sind die wenigsten Vorstellungen ausverkauft. Die Leute meinen, sie könnten Live-Konzerte durch Streaming ersetzen, aber zu Adele und Taylor Swift oder zur Europameisterschaft gehen sie schon. Insgesamt hat weltweit die Bereitschaft abgenommen, Geld für Klassikkonzerte auszugeben. Das tut mir sehr leid.


Wagner-Liszt-Konzert mit Hideyo Harada, Thomas Thieme und Peter Lohmeyer. / Foto: Arens M. Bothor E. Held

MZ: Was können Sie gegen diesen Trend tun?
HA: Ich lade gern junge Musikerinnen und Musiker ein, die ziehen dann junge Leute an. Allerdings ist die Konkurrenz durch Internet und social Media groß.

Alte Musik
Akademie für Alte Musik. / Foto: Monika Heppt

MZ: Wie sieht es mit Werbung aus?
HA: 2023 hatten wir fast keine Werbung und sehr guten Zulauf, dieses Jahr hatten wir viel Werbung, auch überregional und weniger Zulauf.

MZ: Werben Sie auch über Social Media? Instagram?
HA: Da ist noch Luft nach oben. Die Künstler posten auf ihren Kanälen, aber wir brauchen das Münchner Publikum.

Kein Cross-Over

MZ: Denken Sie über neue Formen des Festivals nach?
HA: Wir haben ein klassisches Kammermusikfestival, das kann ich nicht neu erfinden und ich mache keine Kompromisse in der Qualität, das wäre nicht das Erbe von Frau Gutman. Ich mache kein Cross-Over, denn ich bin der festen Überzeugung, dass man damit nichts erreichen kann. Der Vorschlag von Kulturstaatsministerin Claudia Roth in Bayreuth Humperdinkcks „Hänsel und Gretel“ aufzuführen ist ja auch auf massive Kritik gestoßen.

Sicht wird verbessert

MZ: Vom Publikum wird kritisiert, dass man in der Tenne von Gut Kaltenbrunn nicht sehr gut sehen kann.
HA: Wir werden 2025 alle Konzerte in Gut Kaltenbrunn haben, da das Seeforum blockiert ist. Und wir wollen versuchen, die Sicht zu verbessern, indem wir im Mittelblock die Stühle versetzt stellen. Unser Problem ist, dass wir keine stark erhöhte Bühne haben. Die Tenne ist ein Raum mit einem flachen Boden und wir müssen eine Bühne bauen, die eine Stabilität für den Flügel hat. Je niedriger, desto stabiler.

Klassikkonzerte
Die Organisatoren des Musikfestes Rudi Wolf, Dieter Nonhoff und Helge Augstein (v.l.). / Foto: MZ Archiv

MZ: Was erwartet das Publikum 2025?
HA: Die Planungen für das Musikfest sind fast abgeschlossen und es wird wieder ein abwechslungsreiches, hochqualitatives Programm sein. Wir lassen uns nicht verzagen. Wir werden den Kernbereich nicht stören, denn er hat es nicht nötig. Das Klassikkonzert muss reichen und braucht kein Gedöns. Das Publikum soll hinausgehen und sagen: Das Konzert hat zu uns gesprochen.

Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im Online-Magazin KulturVision am 08.08.2024 | Ein Beitrag von Monika Ziegler.

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