Klein-Texas am Tegernsee

Die Beobachtung eines aufmerksamen Mönchs im 15. Jahrhundert löste eine Welle an Ereignissen aus. Aus diesen heraus entwickelte sich das Tal und vor allem Bad Wiessee zu einem namhaften Kurort. Doch das hätte auch anders enden können.

Die Kapelle in Bad Wiessee
Die Quirinus-Kapelle auf dem Wiesseer Golfplatz.

Ein schimmernder Teppich an der Oberfläche des Tegernsees. Der Benediktiner Mönch mochte wohl seinen Augen nicht trauen, als er dieses Phänomen im Jahre 1441 am Westufer des Sees bemerkt. Seine Neugier jedenfalls ist geweckt und – so erzählt es die Geschichte – macht er sich auf, den Tatsachen auf den Grund zu gehen.

Dort, wo heute Golf gespielt wird, am Rohbognerhof in Bad Wiessee, entdeckt er schließlich eine Ölquelle. Gleich hinter Loch 10 des Golfplatzes erinnert heute die Quirinuskapelle an die Stelle, die Bad Wiessee viele Jahrhunderte später zum Kurort machen sollte.

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Nutzung unter religiösen Vorzeichen

Dabei ist den naturwissenschaftlich gebildeten Mönchen schon damals bewusst, dass es sich um Erdöl handelt. Dennoch füllen sie das Öl zu Beginn in kleine Flaschen ab, um es als Heilmittel zu verkaufen. Samt eines aus heutiger Sicht etwas skurrilen Beipackzettels. Über diesen kann sich der Patient, sofern er des Lesens mächtig war, über “Ursprung, Wirkung und Gebrauch” des “Oleum Sancti Quirini” informieren.

Das Öl schafft es bis ins “Tegernseer Mirakelbuch”, wo von regelrechten Wunderheilungen – vor allem bei Augen- und Ohrenleiden – die Rede ist. Im Zuge der Säkularisation beendete Ignaz Puck 1803 die religiöse Nutzung des Öls und deklariert es als “Bodenschatz”, womit es fortan der “General-Bergwerks- und Salinen-Administration” untersteht. Gute 20 Jahre später – 1828 – wird am Ursprung der Quellen die Quirinuskapelle errichtet.

Bad Wiessee wird zu “Klein Texas”

1904 erwirbt schließlich der holländische Bergingenieur Adrian Stoop die Schürfrechte an der Quelle. Er beginnt mit umfangreichen Ölbohrungen in Bad Wiessee. Zeitweise prägen Elf Bohrtürme das Landschaftsbild. Sogar eine Pipeline bis zum Gmunder Bahnhof wird errichtet, um ein Fördervolumen von bis zu 131 Tonnen pro Jahr abzutransportieren.

Dass Bad Wiessee heute aber mit einem reichhaltigen Kurangebot werben kann, statt mit Ölfässern zu handeln, verdankt die Gemeinde vor allem dem berühmten “Bohrloch 3”. Dort stößt Stoop am 27. Mai 1909 in 696 Metern Tiefe auf 21°C warmes und nach faulen Eiern stinkendes Wasser. In der Hoffnung, doch noch Öl zu finden, bohren die Ingenieure weiter bis etwa 700 Meter Tiefe. Doch der unerträgliche Gestank macht weitere Arbeiten unmöglich. Zumal aus der Quelle 1.600 Liter Wasser pro Minute sprudeln – bei über 9 bar Druck.

Dass gerade jenes stinkende Wasser zu einer der bedeutendsten Heilquellen Deutschlands wird, weiß man damals natürlich noch nicht. Erst nach den ersten balneologischen Untersuchungen der Quelle wird klar, dass es sich um Deutschlands stärkste Jod-Schwefelquelle handelt.

Klein-Texas am Tegernsee Ende des 19. Jahrhunderts / Quelle: TTT
Klein-Texas am Tegernsee Ende des 19. Jahrhunderts / Quelle: TTT

Dabei lässt ebenjenes Wasser die Ölförderung schon nach wenigen Jahren unrentabel werden. Die Erdölvorkommen sind zwar nach wie vor in holländischem Besitz, jedoch über mehrere Umwege verpachtet an den Tölzer Busunternehmer Friedrich Weber. Dieser fördert gewissermaßen in Handarbeit das schwarze Gold aus dem Erdreich, um damit seine Omnibusfahrten zu niedrigen Fahrpreisen anbieten zu können. Seinen Angaben zufolge kann er so “nie mehr als eine Tonne monatlich” gewinnen.

Im Dritten Reich wird schließlich jeder Tropfen Öl gebraucht und Weber muss seine Förderrechte abgeben. Trotz eines erheblichen Aufwands, gelingt es der Firma J.O.G. Ottobrunn Ludwig Zerzog Mineralöl-Raffinerie nicht, mehr als eine Monatstonne Erdöl zu gewinnen.

Nach einiger Zeit wird Zerzog skeptisch. Er lässt einige Nachforschungen anstellen. Berechnet Webers Spritverbrauch aus dessen Fahrtenbüchern und kommt zum Schluss: der Tölzer muss Öl aus geheimen Vorkommen fördern. Deren Existenz verschweigt der Busunternehmer den Behörden jedoch bis zuletzt.

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