Konkurrenz belebt das Geschäft

Rund 300 Schüler pendeln täglich von Holzkirchen nach Tegernsee, um das Gymnasium zu besuchen. Ab September dieses Jahres gibt es eine neue Option: Dann beginnt der Unterricht am Holzkirchner Gymnasium.

Das bietet neben einer technischen und wirtschaftswissenschaftlichen Ausrichtung auch den Einsatz neuester Medien. Tablet statt Kreide – ein Grund, dass auch Kinder aus dem Tal einen weiteren Schulweg in Kauf nehmen?

So soll das neue Holzkirchner Gymnasium einmal aussehen, wenn es fertig ist / Quelle: SKE
So soll das neue Holzkirchner Gymnasium einmal aussehen / Quelle: SKE

Auf den Direktor des sich noch im Bau befindenden Holzkirchner Gymnasiums, Axel Kisters, kommen viele Aufgaben zu. Auf seinen neuen Job freut er sich, doch bis zum Unterrichtsstart im September steht ihm ein „sportliches Programm“ bevor. Während die Bagger noch auf der Baustelle arbeiten, laufen derzeit die Anmeldungen für die fünfte bis siebte Klasse. Mit den Entwicklungen zeigt sich Kisters sichtlich zufrieden: „Vor Ort läuft vieles sehr, sehr gut.“

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So zum Beispiel der Fortschritt des Baus, der sehr durchdacht sei. Oder das Interesse von Eltern und Schülern. Auch wenn Kisters noch keine konkreten Angaben macht, betont er, dass es keine geringen Anmeldezahlen gebe: „Die Akzeptanz ist jetzt schon recht groß.“ Das bestätigt auch Elisabeth Dasch, Vorsitzende des Fördervereins Weiterführende Schule in Holzkirchen e. V., die sich jahrelang für den Bau eingesetzt hat: „Es gibt einen großen Run auf das neue Gymnasium, was mich wahnsinnig freut.“

„Cooler“ lernen durch neue Medien

Das große Interesse lässt sich leicht erklären. Für viele Kinder und Jugendliche bringt das neue Gymnasium ein attraktives Versprechen mit: Zum einen länger schlafen durch kürzere Anfahrtswege. Bis zu 800 Schüler pendelten täglich, so Dasch: „Das ist quasi eine ganze Schule, die auspendelt.“ Zum anderen „cooleres“ Lernen dank modernster Ausstattung. Warum also noch bis nach Tegernsee oder Miesbach fahren? Und mehr noch: Warum sollte dies kein Grund für andere sein, zum Beispiel technikaffine Jugendliche aus dem Tal, den Schulweg nach Holzkirchen auf sich zu nehmen?

Denn Holzkirchen setzt klar einen technischen Schwerpunkt – und das nicht nur im inhaltlichen, sondern auch materiellen Sinn. So wird die Schule ein naturwissenschaftlich-technologisches Gymnasium, ab dem Schuljahr 2015/2016 soll zudem ein wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Zweig angeboten werden.

Für Kisters ist außerdem Netzwerkbildung wichtig. Seine zu Universitäten und Firmen geknüpften Kontakte will er vor allem im Bereich der sogenannten MINT-Fächer – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – einbringen und somit ein praxisorientiertes Lernen fördern.

„Tablet-Klasse“ statt Kreide

Nähe zum Lebensalltag soll auch der Einsatz neuester Medien bringen. „Holzkirchen wird eine kreidelose Schule“, sagt Kisters. Statt grüner Schultafeln gibt es Tablets. „Es wird viel Einsatz moderner Medien geben“, so Kisters, der jetzt schon eine „Tablet-Klasse“ unterrichtet und somit Erfahrung auf diesem Gebiet mitbringt. Schüler sollen mit diesem Medieneinsatz aus ihrer Lebenswelt abgeholt werden: „Wir wollen den Schülern zeigen, was sie noch alles mit den technischen Medien machen können, die sie ohnehin jeden Tag in der Hand haben.“

Nicht zuletzt durch diese moderne Technik wird Holzkirchen gegenüber den anderen Gymnasien im Landkreis zunächst einen gewissen Vorsprung haben – auch wenn Tegernsee technisch nachrüstet. Den dadurch entstehenden Konkurrenzkampf nehmen die beiden Rektoren Kisters und Oberholzner zwar sportlich. Doch er ist nicht zu unterschätzen.

Denn Tegernsee, wo bislang viele Kinder und Jugendliche aus Holzkirchen zur Schule gehen, wird die Auswirkungen spüren. Dessen ist sich auch Direktor Dr. Werner Oberholzner bewusst. Zwar könne er bislang noch nicht sagen, wie sich das neue Kräfteverhältnis zahlenmäßig konkret auswirke, doch er ist sich sicher: „Ein gewisser Schülerschwund wird uns auf jeden Fall treffen.“ Und auch Kisters sagt: „Natürlich muss jede Schule schauen, dass sie am Leben bleibt.“

Tegernsee, das „Sorgenkind“

Auch Tegernsees Bürgermeister Peter Janssen brachte dies bei der letzten Bürgerversammlung zum Ausdruck: „Das Gymnasium Tegernsee ist unser Sorgenkind geblieben“, so der scheidende Rathauschef. „Es werden in erheblichem Umfang Schüler verloren gehen.“

Was hebt Tegernsee also von Holzkirchen ab, was ist ein Grund zu bleiben? In Tegernsee gilt die sprachliche Ausbildungsrichtung, also die Möglichkeit, eine dritte Fremdsprache wie z.B. Spanisch zu erlernen, als Alleinstellungsmerkmal. „Da sind wir weit und breit die Einzigen“, sagt Oberholzner. Auch Kisters betont, dass die dritte Fremdsprache der „Bestandsschutz für Tegernsee“ sei.

Direktor Werner Oberholzner hat bereits Konsequenzen gegen die Schüler beschlossen.
Der Direktor des Tegernseer Gymnasisums, Werner Oberholzner, muss seine Schule für die Zukunft wappnen.

Zwar ist auch in Holzkirchen geplant, dass ab der zehnten Klasse eine spätbeginnende Fremdsprache gewählt werden kann, hierfür muss jedoch die erst- oder zweitgewählte Fremdsprache abgelegt werden. „Das ist natürlich kein gleichwertiger Ersatz zum neusprachlichen Zweig“, räumt Kisters ein.

Wie viele Schüler von den 850, die das Gymnasium Tegernsee derzeit besuchen, tatsächlich nach Holzkirchen abwandern, wird sich zeigen. „Man kann aber heutzutage nicht langfristig vorhersagen, ob das Tegernseer Gymnasium noch genügend Schüler haben wird, um einen attraktiven Schulbetrieb leisten zu können“, sagt auch Janssen.

Konkurrenz könnte helfen

Um das zu schaffen, müssen weitere Alleinstellungsmerkmale her. Die Chance für das Tegernseer Gymnasium besteht nun darin, den Druck, der von der neuen Schule im Norden des Landkreises kommt, sinnvoll zu kanalisieren. So könnte das schon oft diskutierte Schülerheim für einige Eltern und deren Kinder einen echten Mehrwert bieten. Es muss allerdings auch politisch gewollt sein.

Gleichzeitig steigen aber auch die Möglichkeiten für Eltern und Schüler aus dem Tegernseer Tal. Denn Anreize bietet das neugebaute Gymnasium nicht nur für Holzkirchner, sondern auch für Jugendliche vom Tegernsee, jedenfalls genug. Das Streben der beiden Schulen nach dem optimalen Angebot wird diese Anreize wahrscheinlich sogar erhöhen. Denn am Ende belebt Konkurrenz auch immer das Geschäft. Und nicht nur die Schüler dürften davon profitieren.

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