Kreidl macht Verkehr zur “Chefsache”

Staus sind rund um den Tegernsee Usus. Obwohl die Bürgermeister der Talgemeinden um das Problem wissen, konnten bislang keine wirklichen Lösungsansätze gefunden werden. Auch ein talweites Konzept existiert nicht.

Ideen wurden bisher bei Verkehrsforen diskutiert. Jetzt sieht Landrat Kreidl die Lösung des Problems als Chefsache. Zwar hält Kreidl den großen Wurf für utopisch, doch mit vielen kleinen Projekten will er dem Verkehr nach und nach Herr werden. 

Landrat Jakob Kreidl erklärt das Verkehrsproblem zur Chefsache.
Landrat Jakob Kreidl erklärt das Verkehrsproblem zur Chefsache.

Der Verkehr sei mehr geworden, der Verkehrsfluss nicht mehr so, wie es notwendig wäre, erklärte Landrat Jakob Kreidl in seiner gestrigen Rede dem CSU-Kreisverband im Hotel Bachmair Weissach in Kreuth. „Wir müssen neue Wege beschreiten und die lokalen Institutionen einbinden.“ Er denke da vor allem an die Miesbacher Standortmarketing Gesellschaft (SMG) und die Bürgerstiftung Energiewende Oberland (EWO). 

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Erste Schritte hätte man ja bereits realisiert. Er nannte Verbesserungen im Geh- und Radwegverkehr oder auch den Bau von Kreisverkehren – wie etwa den in Gmund-Seeglas.

Ein integriertes Gesamtkonzept muss her

Jetzt gehe es darum, ein integriertes Gesamtkonzept zu erarbeiten. Das schließe vor allem auch Verbesserungen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ein, meinte Kreidl. Gerade Querverbindungen – etwa von Bad Tölz nach Miesbach oder vom Tegernseer Tal nach Bad Tölz – könnten verbessert werden. Das Tegernseer Tal ist, wenn es um den Verkehr geht, das Sorgenkind im Landkreis. Deshalb werde er hier seine Prioritäten setzen, versprach Kreidl.

Zwischen 20.000 und 30.000 Autos fahren täglich ins Tegernseer Tal. Ein Problem für Einheimische wie auch Touristen. Vor allem der Ziel- und Quellverkehr schlägt hier besonders zu Buche. Damit sind die Autofahrer gemeint, die aus dem Tal kommen und dort auch bleiben wollen. Mit fast 90 Prozent bilden sie die größte Gruppe der Verkehrsteilnehmer. Gerade zu Stoßzeiten leide man häufig unter mangelnder Mobilität.

Viele kleinere Dinge sollen Entlastung bringen

Kreidl nannte Ideen, mit denen man zu einer Gesamtlösung kommen könnte. Große Bauvorhaben – etwa Tunnel oder Ortsumgehungsstraßen – scheitern erfahrungsgemäß am Geld. Daher ist der Landrat dafür, mit vielen kleineren Maßnahmen eine Entlastung herbeizuführen. „Wir sollten uns auf punktuell kleinere Dinge konzentrieren“, so der Landrat.

Es gehe vor allem darum, den Verkehrszuwachs zu dämpfen. Dazu könnten Ampelschaltungen verbessert und besser aufeinander abgestimmt werden. Zudem könnte man Kreuzungen kreuzungsfrei machen – beispielsweise indem man Unterführungen baue. Auch ein elektronisch gesteuertes Verkehrsleitsystem kann sich Kreidl vorstellen, das dann mit einer Großraumsteuerung den Verkehr gleichmäßig verteile. 

Zudem sieht er Potenzial in der Einbindung des Schiffsverkehrs für den öffentlichen Nahverkehr. Momentan schipperten die Schiffe eher Touristen auf dem See. Man müsse mit der Staatlichen Seenschifffahrt Verhandlungen führen und zusehen, wie man den Schiffsverkehr mehr aktivieren kann.

Nicht zuletzt möchte Kreidl aber auch den Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen. Der Schienenpersonennahverkehr sei vernünftig verbaut. Mit der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) habe man ein Erfolgsmodell. Daher kann er sich auch die von Heino Seeger, Geschäftsführer der Tegernsee-Bahn, vorgeschlagene Ringbahn vorstellen.

Grundstückseigentümer gegen eine Ringbahn?

Nach Jakob Kreidl stellte Heino Seeger, Geschäftsführer der Tegernsee-Bahn, den Anwesenden nochmals die Idee der Ringbahn vor. Die Straßen, so Seeger, seien nur begrenzt belastbar. In seinen Augen sei deshalb eine Ringbahn rund um den See die ideale Lösung. Neu ist die Idee der elektrifizierten Bahn von Tegernsee über Gmund nach Wiessee keineswegs. Seeger hatte die Idee bereits dem Kreistag und vor über einem Jahr schon einmal im Hotel Bachmair Weissach der CSU vorgestellt. 

Stau ist im Tegernseer Tal nichts Ungewöhnliches / Archivbild

Dabei geht es darum, eine leichte Bahn – vergleichbar mit einer Straßenbahn/Trambahn – um den See fahren zu lassen. Die Bahn könnte im 15- oder 20-Minuten-Takt das Tal mobil machen. Da sich die Kosten dafür jedoch in zweistelliger Millionenhöhe bewegen, müssten die Gemeinden durch Land und/oder Bund bei der Finanzierung unterstützt werden. Problematisch könnte es allerdings werden, weil es Konflikte mit Grundstückseigentümern geben könnte, gab Seeger zu bedenken. 

Kreuths Bürgermeister Josef Bierschneider brach in dem Zusammenhang eine Lanze für die Ideenfindung an sich, auch wenn solche Vorhaben vielleicht nie umgesetzt werden. „Ohne Ideen wäre es nichts.“ So kann er sich beispielsweise ein Carsharing-Modell vorstellen, wie es auch auf einem der Verkehrsforen bereits diskutiert wurde. Dabei sollen Bürger Anreize bekommen, auf das eigene Auto zu verzichten. Einzelfahrten werden so begrenzt. Auch Elektroautos würden einen immer mehr beschäftigen. 

Schifffahrt mit einbinden

In der anschließenden Diskussion stellte Wolf Stadler noch sein Verkehrskonzept vor, in dem er Bus, Bahn und Schiff miteinander verbinden will. Dabei geht es darum, dass Reisende mit der BOB ins Tal hereinkommen, mit dem Schiff an ihren Wunschort gelangen und dann mit kleineren Bus-Ringen oder auch E-Bikes die Beweglichkeit vor Ort ermöglicht wird.

Durch den Bau weiterer Anlegestellen, wie beispielsweise an der Wiesseer Bayersäge, in St. Quirin, Tegernsee-Süd oder am Schorn in Rottach-Egern, könnte das Angebot zudem sinnvoll ergänzt werden. Den Schiffsverkehr will Stadler über einen Südring (Tegernsee–Rottach–Egern–Bad Wiessee–Tegernsee) und einen Nordring (Tegernsee–Bad Wiessee–Gmund–Tegernsee) abwickeln. Dabei laufen die Routen gegenläufig zueinander, sodass eine kurze Verbindung zwischen Tegernsee und Bad Wiessee gewährleistet ist.

Für Wolf Stadler kann die Schifffahrt einen wichtigen Teil zur Lösung des Verkehrsproblems leisten. Das Problem scheint jedoch zu sein, dass die Schifffahrt kein ÖPNV-Betrieb sei. So bekommt sie auch keine zusätzlichen finanziellen Mittel. Und weil die Tegernseer Schifffahrt als GmbH firmiert, müsse sie alle Investitionen auch selbst erwirtschaften. Der Freistaat ist zwar Anteilseigner, aber bezahlen müsse die GmbH, erklärt Betriebsleiter Lorenz Höß, der auch ins Leonhardistüberl gekommen war. 

Lorenz Höß: “Die Bootshäuser sind voll – die Schiffe ausgelastet.”

Das Problem bestünde darin, dass die Schiffe ausgelastet seien. Für eine höhere Taktdichte bräuchte man mehr Schiffe, so Höß. Das für die Anschaffung neuer Schiffe nötige Geld müsste die Schifffahrt allerdings selbst aufbringen und auch erwirtschaften. Und Höß nennt noch ein weiteres Problem aus seiner Sicht – es gibt derzeit keine Stellflächen für neue Schiffe.

Wir legen am Tag 190-mal an – öfter geht nicht.

Grundsätzlich sei zwar der Südkreis des Sees lukrativ für die Schifffahrt, der Nordkreis jedoch nicht. Die einzige Möglichkeit, mehr zu erwirtschaften, sind naturgemäß auch mehr – zahlende – Fahrgäste. Doch im Mai und Juni war das Wetter letztes Jahr kalt beziehungsweise regnerisch. Auch das Pfingst-Hochwasser sorgte für Einbußen. Deshalb sei das Geld knapp. Da müsse man sich jede Investition genau überlegen. So auch einen Steg, der 25.000 bis 40.000 Euro koste – die Erhaltung noch nicht mit eingerechnet. Deshalb ließe auch die Gestaltung der Fahrpreise wenig Spielraum, und Schifffahren sei nun mal teurer als Busfahren. „Die Preise der RVO können wir nicht leisten“, so Höß.

Doch auch der Busanbieter stand gestern in der Kritik. Der RVO „kümmert sich um den Landkreis nicht, und Jahr für Jahr werden mehr Linien gekappt“, so eine Besucherin. Sie forderte vom Landrat mehr politische Aktivität. Der Landrat versprach es. Kurzfristige Effekte sind bei der Lösung der Verkehrsprobleme im Tal wohl eher nicht zu erwarten. Vielleicht kann der Wahlkampf ja ein wenig mehr Druck in die Sache bringen. Jetzt, wo das Problem zur „Chefsache“ geworden ist.

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