Er wirkt gefasst. Doch seine Augen verraten, wie sehr er sich um seine Eltern sorgt. 22 Jahre jung ist er. „Und sechs Monate“. Auf die legt er Wert. Für Mohammed zählt jeder Tag.
„Einen Monat laufen. Kein richtiges Essen. Kein Trinkwasser.“ Mohammed erzählt uns, wie er aus Syrien geflohen ist. 15 Menschen waren von dort aufgebrochen. Im Laufe der Flucht wurden es langsam immer weniger. Zu Fuß war er unterwegs. In Turnschuhen. „Turkey, Makedonia, Hungary, Serbia, Germany“, zählt er seine Stationen auf.
Immer in der Angst, als Flüchtling verraten zu werden. Vor Unruhe konnte er wenig schlafen, nickte aber vor Erschöpfung doch ab und an mal ein. Regenwasser war sein Getränk. Seine Mahlzeit das, was er im Wald oder unterwegs fand. Kleinigkeiten, um seinen Hunger zu stillen und zu überleben.
Auf der Flucht
Sein Überlebenswille muss übermächtig gewesen sein. Immer mit dem Gedanken, nach Deutschland zu gelangen, setzte er einen Fuß vor den anderen. Doch in Ungarn stoppte ihn plötzlich die Polizei. „Wir waren noch zu sechst“, erinnert er sich. Andere waren bereits früher zurück geblieben.
Polizisten schlugen ihn und steckten ihn ins Gefängnis. Dann fragten sie ihn, ob er bleiben wolle. „No“, war seine Antwort. Sie ließen ihn laufen. Und er lief weiter, um schnellstmöglich an sein Ziel zu kommen: nach Deutschland. Über einen Monat lang war er unterwegs von Zabadani – bei Damaskus – bis nach München, erzählt er. Einmal angekommen, wollte er einfach nur schlafen. Vier Tage lang fiel er in einen wohl koma-artigen Tiefschlaf. Ein bisschen lächeln kann er dabei wieder. Seine Dankbarkeit drückt er so aus:
Germans are very democratic.
Wasser. Essen. Ein Bett. Zigaretten. Ein Ticket nach Tegernsee. All das habe er hier bekommen. Vor allem schätzt er, der in seiner Heimat Jura studiert hatte, dass er hier – neben Sport, Joggen um den Tegernsee zum Beispiel – auch wieder „Denksport“ bekommt.
Montags und freitags lernt er gemeinsam mit seinen hier gefundenen Freunden Deutsch. Dank Kolpingfamilie, Volkshochschule und den Schülern vom Gymnasium Tegernsee kommt er gut voran. „Servus“ – „Danke“ – „Stuhl“ – ich heiße Mohammed – ich komme aus Syrien – das alles geht schon fast akzentfrei.
Mohammed ist dabei einer von 21 Flüchtlingen, die in der Tegernseer Turnhalle eine erste Station gefunden haben. Neben den elf Menschen aus Afrika leben zehn Bürger aus Mohammeds Heimatland Syrien in der Notunterkunft. Zwei Duschen und zwei Toiletten haben die Männer, eine Dusche und zwei Toiletten stehen den Frauen zur Verfügung. Morgens wird das Frühstück gebracht, mittags gibt es warme Mahlzeiten direkt aus der Mensa des Gymnasiums.
Außerdem ist da noch Nagen. 25 Jahre jung, im früheren Leben Bauarbeiter. In Syrien wurde er geschlagen. Acht Schwestern, einen Bruder und seinen Vater hat er in Aleppo zurückgelassen. Seine Mutter ist tot. Er sehnt sich nach Frieden und Sicherheit.
„They kill children, women, old people“
Da ist Majed. Fotografiert will er nicht werden. Die letzten acht Jahre hatte der studierte Bauingenieur in Lybien verbracht. War dorthin aus seinem Heimatland Syrien geflohen. Vier Jahre schon tobt dort der Krieg. „Seven million people ran away“, weiß er. „Syria and Iran destroy my country“, klagt er an.
„Alles in Syrien ist zerstört“, jetzt sehr in Rage geredet, wechselt er manchmal vom Englischen in gebrochenes Deutsch. „Aleppo – four thousand years old – destroyed“, es tut ihm sichtlich weh, von seiner Heimat zu erzählen. Aufgeregt funkeln seine Augen: „They kill children, women, old people“, klagt er an. Jahrelang war er Fluchthelfer gewesen für seine Landsleute, bevor er selbst sein Heimatland verlassen musste.
Per Boot über das Mittelmeer
Von da an fing er an, von Lybien aus zu helfen. Dann wurde es auch dort zu heiß. Heute ist er 52 Jahre alt und hat es per Boot – gemeinsam mit 425 weiteren Flüchtlingen – in Sicherheit geschafft. In einer achtstündigen Bootsfahrt auf einem wackeligen Kahn, organisiert von einem Schleuser. Zuerst in ein Camp in Italien. Dann von dort – Triest – nach München.
Er wollte immer nach Bayern, sagt er. Hier sind die Leute „so friendly“. Was er sich zur Zeit am meisten wünscht, wäre eine eigene, kleine Wohnung, meint er. Ein Zimmer für sich. Einen Rückzugsort. In seine Heimat kann er nicht wieder zurück. Abgesehen davon, dass der Krieg dort wohl noch längere Zeit toben wird, sieht er sich als politischer Feind Syriens. Würde er zurückgehen, so würde er sofort getötet.
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