Leben und arbeiten in 1.264 Metern Höhe

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Neureuth 1 – das ist die wohl beste Adresse im Tal. Zumindest für alle, die eine Sonnenterrasse, ein warmes Plätzchen an der Hausmauer oder einen atemberaubenden Ausblick suchen. Während Wanderer hoch über dem Tegernsee ein paar Stunden verbringen, genießen es die Betreiber Barbara Nirschl und Thomas Gigl, auf 1.264 Metern ihren Hauptwohnsitz zu haben. Selbst der Postbote müsste „Neureuth 1“ theoretisch täglich beliefern. Doch das wird, wie so vieles hier oben, pragmatisch gelöst.

Arbeitsplatz und Hauptwohnsitz

Die Neureuth – schon als kleine Kinder war für das Wirtspaar der Ausflug zur hoch über dem Tegernsee gelegenen Hütte ein Erlebnis, egal ob im Sommer mit Bergschuhen oder im Winter mit Schlitten. Aus Irschenberg beziehungsweise Hausham stammend, erlebten die beiden die Aufstiege wahlweise über die Gindlalm, von Gmund oder Tegernsee aus.

Nun als Pächter ist es vor allem viel Arbeit, die sie hier oben erwartet. Um sechs, spätestens halb sieben Uhr beginnt der Tag für das Wirtspaar, das sich die Adresse „Neureuth 1“ nicht nur als Arbeits-, sondern auch als Hauptwohnsitz ausgesucht hat. „An Kirchweih auch früher“, lacht Barbara Nirschl. Denn dann müssen Gänse und noch mehr Gebackenes als sonst bereitstehen. An den Wochenenden bleiben grundsätzlich wenig Ruhepausen. Da genießt man jeden Moment, den man mal durchschnaufen kann.

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Vor allem die erste Kaffeepause in der Früh, wenn in der Küche alles steht.

Neben den beiden wohnt auch das Küchenpersonal hoch oben über dem Tegernseer Tal. Leicht verschneit liegt das Hüttenensemble da. Die zwei Jeeps und der Traktor zeigen an, dass das Wirtspaar sich nicht immer zu Fuß hier herauf bemühen muss. Eine der nächsten Aufgaben vormittags ist es für Thomas, das Servicepersonal im Tal abzuholen. Heute haben sie sich für 9:45 Uhr am Neureuth-Parkplatz zur Abholung verabredet.

Die Versorgung ist gesichert

Zweimal pro Woche findet die „Warenübergabe“ an dem Parkplatz im Tal statt. Wenn an schönen Wochenendtagen hunderte von hungrigen Wanderern verköstigt werden wollen, dann müssen dafür auch genügend Lebensmittel nach oben gebracht werden. Während der Bierfahrer des Brauhauses fässerweise Bier und traglweise Antialkoholisches mit dem Unimog ankarrt, holt Thomas die meisten Lebensmittel selbst im Tal ab.

Also wechseln Fleisch und Wurst der Metzgerei Trettenhann sowie Gemüse, Salate, Obst und Exoten vom Früchtegroßhandel Wunderlich am Parkplatz den Besitzer. Thomas Gigl lädt alles in seinen Jeep. Auch die Post nimmt er mit. Laut Postgesetz müsste der Postbote eigentlich hochfahren. Doch das will niemand verlangen.

Barbara Nirschl und Thomas Gigl zapfen für die durstigen Gäste.

Gigl bringt die Lebensmittel hoch, seine Partnerin Barbara Nirschl backt dann leckere Kuchen daraus und Koch Marcel zaubert würzigen Braten und Brotzeiten daraus. Wildfleisch kann Thomas als Jäger manchmal selbst „besorgen“ oder ein befreundeter Jäger liefert es.

Eine feste Karte und zwei bis drei Tagesgerichte bekommt man auf der Neureuth. Man kann sich aber auch nur einen Kaffee oder ein „kühles Blondes“ schmecken lassen. Je nach Wochentag, Uhrzeit und persönlichen Befindlichkeiten. An so strahlend schönen Vormittagen wie gestern ist zwar der Neureuth-Parkplatz schon um elf Uhr dicht, hier oben findet man aber leicht noch einen Sitzplatz. Dagegen wird das Neureuth-Team an sonnigen Wochenenden förmlich von Sonnenhungrigen überrannt.

Anstrengender Winter

Zählt man alle Plätze – auch die Notsitze in Saal, Stubn und auf der Terrasse – zusammen, dann kommt man insgesamt auf 400 Sitzplätze, so Thomas Gigl. „Im Sommer holen sich viele auch was vom Kiosk und setzen sich auf die Wiese“, erzählt er weiter. „Einen richtigen Winter hatten wir hier ja noch nicht“, so ist dem Wirtspaar der Unterschied zwischen Sommer- und Winter-Saison auch noch nicht so richtig bewusst geworden.

„Im Winter ist es schon aufwändiger“, haben sie dennoch bereits erkennen müssen. Während jetzt der Weg batzig ist und nur noch auf den letzten Metern der Forststraße Schneereste liegen, hatte es im Dezember stark geschneit. Dann müsse man, um hoch und runterfahren zu können, auf jedem der zwei Jeeps vier Schneeketten aufgezogen haben, sonst habe man keine Chance, durchzukommen, so Gigl.

Kontinuität und Vertrauen

Auch wenn es nicht immer nur schöne Momente gibt auf der Neureuth, so wie die drei Stromausfälle, die die „Wirtsleit“ in den ersten Monaten schnell beheben mussten, sie bereuen es nicht, dass sie das Berggasthaus vor knapp einem Jahr übernommen haben.

Es ist von Anfang an gut gelaufen.

Als Kathi und Erich Fink nach 24 Jahren Neureuth-Betrieb in den Ruhestand gehen wollten und die Stadt Tegernsee für die Neureuth ein neues Pächterpaar suchte, erschien dies für die beiden wie ein großer Glücksfall. Thomas Gigl, der bisher bei einer „OTTO“-Tochter Geschäftsführer gewesen war, war es gewohnt, gefällige Konzepte zu schreiben. So zeigte sich der Stadtrat auch von den Ideen überzeugt.

Am 1. Mai 2013 ging es los für die erfahrenen Gastronomen. Viel verändert werden musste ihrer Ansicht nach nicht in der Küche, bei den Räumlichkeiten und beim Team. „Never change a running system“, lautete ihre Devise. „Wir lassen jetzt nur die Brotzeiten auch über Mittag durchlaufen“, was bisher nicht so gewesen war. Thomas traut seinen Mitarbeitern zu, dass sie beides gleichzeitig schaffen. Warmes Essen auszugeben und das Herrichten der Brotzeiten, das kann parallel laufen. Zudem brachten die beiden ihren eigenen Koch mit.

Küchenchef Marcel bei der Essensausgabe

In der Küche sind sie damit zu fünft. Der Montag als Ruhetag wurde beibehalten. Und auch die Betriebsferien ab dem letzten Sonntag im November sind wie eh und je. „Bei den Öffnungszeiten sollte man nicht zu viel herumexperimentieren“, meint Gigl.

Die Leute lieben Kontinuität.

Doch bis die Saison im November zu Ende geht, gilt es, noch so manches zu stemmen auf der Neureuth. Im Juni muss die Küche, die „in die Jahre gekommen ist“, umgebaut werden. Die Behörden fordern eine „geschlossene, pflegeleichte Oberfläche“, deshalb kommt der Boden raus. Damit hungrige Wanderer trotzdem versorgt werden können, soll die Bewirtung umziehen in den Kiosk, der ein paar Meter von der Hütte entfernt steht.

Dazu muss dieser allerdings „auf Lebensmittelstandard“ gebracht werden: neuer Boden, neue Wände, alles abwisch- und abwaschbar. Die Auflagen sind hoch. Die Ansprüche der Gäste ebenso. Auch wenn es viel Arbeit bedeutet, die beiden Pächter können sich zur Zeit nichts anderes vorstellen, als die „Wirtsleit“ in einem Berggasthof zu sein. Schließlich ist die Neureuth für sie die Nummer eins am Tegernsee.

Hier noch ein paar Eindrücke von der Neureuth:

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