Macht eine Impfpflicht bei Omikron noch Sinn?

Seit dem 16. März ist das Gesetz zur sogenannten “einrichtungsbezogene Impfpflicht” gegen Corona in Kraft getreten. Bayernweit wird die Zahl der noch ungeimpften Mitarbeiter in Bayern mit rund acht Prozent angegeben. Konsequenzen für die Betroffenen sind noch unbekannt. Wie ist die Situation im Landkreis?

Melanie Speicher vom Krankenhaus Agatharied gibt Auskunft über die Auswirkung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht in Agatharied.

Im Bayerischen Ministerium für Gesundheit und Pflege geht man davon aus, dass rund 92 Prozent der in der Pflege arbeitenden Menschen die einrichtungsbezogene-Impfpflicht erfüllen – also eine Grundimmunisierung mit der doppelten Corona-Schutzimpfung erhalten haben. Die Zahl der dreifach Geimpften wird vom Ministerium mit 64,4 Prozent angegeben. Zusätzlich wird darauf verwiesen, dass viele Mitarbeiter in der Pflege bereits mit dem Virus infiziert waren und so weiteren Immunschutz besitzen.

Im Landkreis Miesbach sind nach den Informationen des Gesundheitsamtes 412 Personen im Digitalen Meldeportal erfasst, die noch nicht über den geforderten Impfschutz verfügen. Wie eine Sprecherin des Landratsamtes erklärte, entspreche diese Anzahl der vom Ministerium in München veröffentlichte Quote von acht Prozent.

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Allerdings kann die Behörde die Zahlen nicht belegen, da Informationen über die insgesamt in der Pflege im Landkreis Beschäftigten nicht nicht vorliegen. Mitarbeiter, die von ihren Arbeitgebern gemeldet wurden, werden derzeit vom Gesundheitsamt zu einem Beratungsgespräch eingeladen. Weitere Konsequenzen hat ihre Weigerung sich impfen zu lassen bisher noch nicht.

Wie aber stehen die Arbeitgeber im Gesundheitswesen zu der Impfpflicht für ihre Mitarbeiter? Wir haben im Krankenhaus Agatharied nachgefragt. Melanie Speicher, Kommunikationschefin der Einrichtung, beantwortet die Fragen der TS.

TS: Wie viele Mitarbeiter aus dem Krankenhaus haben dieses Gesprächsangebot erhalten?

Melanie Speicher: Diese Art Gespräche laufen bilateral zwischen dem Gesundheitsamt und den betreffenden Mitarbeitern. Der Arbeitgeber ist dabei nicht involviert. Wir haben bisher noch nur ganz vereinzelt Rückmeldung erhalten.

TS: Das bayerische Gesundheitsministerium teilt mit, dass etwa 92 % aller Mitarbeiter, die unter die einrichtungsbezogene-Impfpflicht fallen, bereits geimpft sind. Können sie dieses prozentuale Verhältnis zwischen Geimpften und Ungeimpften bestätigen?

Melanie Speicher: Diese Zahlen treffen in etwa auch bei uns zu. Dies zeigt uns, dass in den Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäusern die Durchimpfung deutlich höher ist als in der übrigen Bevölkerung.

Das wirft die Frage auf, warum es gerade in diesem Bereich eine Impfpflicht braucht, während eine solche in der Gesamtbevölkerung offenbar nicht durchsetzbar ist.

TS: Was würde passieren, wenn sich diese Mitarbeiter auch nach dem Aufklärungsgespräch gegen eine Impfung aussprechen?

Melanie Speicher: Hier entscheidet das Gesundheitsamt nach Rücksprache mit dem Arbeitgeber, ob die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrem Bereich weiter eingesetzt werden können.

TS: Wie gehen sie in Agatharied mit diesen Mitarbeitern in der Zukunft um?

Melanie Speicher: Wir möchten unsere Mitarbeiter, soweit es irgendwie geht, weiter beschäftigen. Hierfür suchen wir nach konstruktiven Lösungen.

TS: Gibt es überhaupt eine Handhabe Ihrerseits, wenn sie gleichzeitig den Betrieb des Krankenhauses aufrechterhalten wollen?

Melanie Speicher: Wir Krankenhäuser habe seit Jahren mit einem enormen Fachkräftemangel zu kämpfen. Gerade in der Pflege ist das Problem mit Blick auf die immer älter werdende Bevölkerung riesig. Jede einzelne, zusätzlich fehlende Stelle verschärft das Problem und erhöht die Gefahr eines Versorgungsengpasses.

TS: Erwarten sie, dass die zuständigen Behörden noch vor dem Herbst in den Betrieb eingreifen und von Ihnen verlangen werden, ungeimpften Mitarbeitern zu kündigen?

Melanie Speicher: Grundsätzlich pflegen wir in allen Belangen eine sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit mit unserem Gesundheitsamt.

Zum derzeitigen Zeitpunkt können wir keine Prognosen zu der bevorstehenden Entscheidung abgeben.

Diese Entscheidungen liegen nicht in unserer Hand.

TS: Wäre diese Kündigung bei der momentanen Gesetzeslage überhaupt möglich?

Melanie Speicher: Da streiten sich die Juristen. Wir haben leider keine Antwort.

TS: Was ist bei Neueinstellungen – dürfen sie die Kandidaten nach ihrem Impfstatus befragen?

Melanie Speicher: Als Gesundheitsbetrieb müssen wir neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht erst seit Corona Fragen zu ihrem Impfstatus stellen. Dazu zählt neben Covid, zum Beispiel auch die Masern-, Hepatitis- und Tetanusimpfung. Neue Mitarbeiter dürfen wir definitiv nur bei vollständigem Impfschutz einstellen.

TS: Wird es auf dem Jobmarkt überhaupt noch genug “geimpfte Kandidaten” geben, die sie für ihre Klinik gewinnen können? Wie sehen Sie die Chancen?

Melanie Speicher: Insgesamt ist der Personalmarkt sehr angespannt. Das Problem des Impfstatus ist für uns daher eine zusätzliche Herausforderung bei der Fachkräftegewinnung aus dem In- und Ausland. Auch bei ausländischen Pflegekräften ist dies eine zusätzliche Hürde, da die einrichtungsbezogene-Impfpflicht eine rein deutsche Regelung ist.

TS: Ganz grundsätzlich gefragt – sehen Sie überhaupt eine Durchsetzbarkeit einer rein auf das Gesundheitswesen begrenzten Impfpflicht?

Melanie Speicher: Aus Krankenhaussicht sollte eine Impfpflicht, wenn dann für die gesamte Bevölkerung gelten, nicht nur für Mitarbeiter in Gesundheitsberufen. Die Omikron-Variante stellt aus unserer Sicht die Sinnhaftigkeit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht infrage, denn mit einer Impfung schützt man in erster Linie sich selbst vor einem schweren Verlauf. Ein sicherer Impfschutz vor Ansteckung oder Übertragung an Dritte ist nicht mit Sicherheit gegeben.

Am besten schützen wir die vulnerablen Gruppen mit einer allgemeinen Impfpflicht, weil sich dann jeder selbst schützt.

Wir danken Frau Speicher für das Gespräch.

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