Isabel wartet auf Markus. Er soll „das mit den Nägeln“ so gut machen. Und nach fünf Minuten ist auch alles vorbei. Da kommt er schon: Aus einem schwarzen Pick-up steigt der blonde Hüne. Gleich richtet er seine Werkzeuge her. Und dann kann es losgehen.
„Um diesen Job zu machen, musst du die Tiere schon gern haben.“ Mit dieser Einstellung fährt Markus Stumpft von Hof zu Hof, um den Kühen die Klauen zu schneiden. Häufig ist er im Tal unterwegs. Seine Kundinnen warten aber auch im Tölzer Land, im Chiemgau oder in Achenkirch auf ihn. Bis nach Buchloe ist er schon gefahren, um sein Handwerk auszuführen.
Je nach Herdengröße und Haltungsbedingungen müssen die Kühe ein- bis dreimal jährlich ausgeschnitten werden. In landwirtschaftlichen Betrieben mit Laufställen ist man nicht an Saisonzeiten gebunden. Austreibebetriebe lassen ihre Tiere in der Regel „bearbeiten“, bevor die Weidezeit beginnt – also im Frühjahr. Dann ist Hochsaison für Klauenpfleger. Umso schwieriger ist es, an einen professionellen Pfleger „heranzukommen“.
Keine Hemmungen vor Dreck
Aktuell bilden drei Einrichtungen in Deutschland professionelle Klauenpfleger aus. Auf deren Internetseiten findet man auch die Adressen der geprüften Klauenpfleger. Zu diesen gehört auch der Gmunder Markus. Dort kann er auch nach einem geeigneten Assistenten suchen, falls er einen braucht.
Der Job des Klauenpflegers ist allein nicht zu bewerkstelligen. Ebenso hat er seit vier Jahren maschinelle Unterstützung. Der hydraulische Klauenstand, den der 28-Jährige gerade von seinem Anhänger ablädt, erleichtert ihm die Arbeit enorm. Rückenschmerzen hat er nicht mehr als andere wohl auch.
Aber „abends ist man über und über voll Dreck“, lacht er. Eine anstrengende Arbeit, die aber offenbar auch glücklich macht. Diesen Eindruck gewinnt man, wenn man bei Stumpf dabei ist.
Jetzt wird Isabel in den Stand „eingespannt“. Josef, der Bauer, ist heute der Assistent von Markus. Der Landwirt führt die Kuh zu dem grünen Gerät mit den Gurten und den vielen elektronischen Knöpfen. Das Einspannen ist in Sekundenschnelle geschehen.
Schon sitzt die vierjährige Mutter von zwei Kälbern fest in dem Gerät. Ein bisschen „Schiss“ hat sie offenbar schon. Aber sie sieht auch reichlich gespannt aus, als sie die Hydraulik gut dreißig Zentimeter über den Boden hievt. Dies dient dazu, dass Markus in aufrechter Körperhaltung arbeiten kann. Gleich wird Isabel nur noch auf zwei – statt auf vier – Beinen stehen.
Klauenpediküre ist mehr als Feilen, Hobeln und Ausschneiden
Und schon geht es an die Klauenpediküre. Sekundenschnelle werden sie gefeilt, gehobelt und ausgeschnitten. Routiniert zückt Markus seine wichtigsten Werkzeuge. Seine Sicherheitskleidung – Gehör- und Gesichtsschutz, Staubmaske, Visier, Sicherheitsschuhe.
Dazu trägt er einen Schutzanzug und Arbeitshandschuhe. Mit dem Winkelschleifer mit Klauenfräseraufsatz spritzt es Isabels harte Hornspäne meterweit über den Hof. Nachgearbeitet wird mit den zwei Messern – eines ist für rechts, eines für links. So kommen alle vier Beine nacheinander dran. Nach fünf Minuten sind „die Nägel gemacht“.
Dabei dient diese Tätigkeit nicht nur der Optik, sondern vor allem der Gesundheit des Tiers. „Neben dem Füttern gehört die Klauenpflege zu den wichtigsten Arbeiten auf einem Hof“, weiß Markus, der gleich sieht, wenn die Tiere nicht ausgeglichen gefressen haben.
Gibt es beispielsweise ein trockenes Frühjahr, lagert sich viel Zucker im Gras (respektive Silo/Heu) ein; diesen hohen Anteil Nährstoffe nehmen die Kühe über die Nahrung auf. Später lagert sich das dann alles in den Klauen ein.
Dauert der Zustand der „Überfütterung“ an, so könnten die Tiere Stoffwechselprobleme bekommen. Der Überschuss an Energie im Futter könnte zu einer Klauenkrankheit führen, die man auch von Pferden kennt – der sogenannten Hufrehe, einer Art Hornfäule.
Deshalb ist der Klauenpfleger auch dafür verantwortlich, die Klauen auf Länge und Form zu überprüfen sowie Bein- und Klauenstellung zu checken, bevor es ans eigentliche Kürzen der Außen- und Innenklaue geht. Auch für das Entlasten von Druckstellen und Auftragen von Salben oder Anlegen von Klauenverbänden ist der Pfleger verantwortlich.
Alles wird zwischen zwei Melkzeiten erledigt
Bei Isabel ist das im Moment nicht notwendig. Ihre Klauen sind kerngesund. Kaum ahnt sie, was um sie geschehen ist, da ist sie auch schon fertig und wird wieder aus dem Gerät entlassen. Bauer Josef führt sie hinein und gleich die nächste seiner 25 Kühe aus dem Laufstall heraus. Wenn alle Tiere dran waren, wird der Stand gewaschen. Hygiene ist Markus wichtig, bevor er den nächsten Stall anfährt.
An die 180 Kundinnen könnte Markus theoretisch am Tag schaffen. In der Regel sind es zwischen sechzig und hundert. Das ist auch der Grund, warum immer mehr Bauern bei Klauenpflegern um Kapazitäten nachfragen. Früher hatte jeder Landwirt in mühevoller Handarbeit seine Kühe selber ausgeschnitten.
Bei den kleinen Familienbetrieben – mit rund 20 bis 40 Kühen im Stall – dauerte das für den Bauern oft drei Tage lang. Markus schafft es dank täglicher Erfahrung und maschineller Unterstützung in wenigen Stunden. „Das kann man bequem zwischen zwei Melkzeiten erledigen“, führt er an.
14 Jahre Klauenpflege
Seit 1998 ist Markus geprüfter Klauenpfleger. Der Gmunder hatte seine Prüfung am Landwirtschaftlichen Fachzentrum Achselschwang am Ammersee absolviert. Inzwischen hat sich seine Tätigkeit zum Vollzeitjob entwickelt.
Da bleibt kaum Gelegenheit für die anderen land- und forstwirtschaftlichen Dienstleistungen – Holzeinschlag, Siloballenpressen und anderes –, die der gelernte Land- und Forstwirt auch noch anbietet. Als Nächstes stehen wieder Versuchsschneidungen an. Dabei arbeitet er mit Tierärzten zusammen, die sich mit Prophylaxe und Bekämpfung von Krankheiten befassen.
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