Maskenfrei über den Spitzingsee …

Mit aktuell 32.500 Neuinfektionen deutschlandweit sind wir nach den Feiertagen wieder in der Corona-Realität angekommen. Rettungsdienste, Pfleger und Ärzte im Landkreis leisten Schwerstarbeit. Im Landratsamt sind die Sorgen groß, dass sich die Situation über das lange Wochenende noch verschärft. Die Lage ist ernst. Doch das Paradies ist nah …

Am Spitzing war gestern die Hölle los – dagegen ging es in Rottach am Rodelhang noch recht gut

Gestern Mittag um 13:00 Uhr ging auf den Parkplätzen am Spitzing nichts mehr. “Die rennen uns die Bude ein”, sagt ein junger Parkplatz-Wärter am Parkplatz am Spitzing-Sattel. Aber weiter kommt er nicht. Er muss den Fluss der neu ankommenden und abfahrenden Fahrzeuge koordinieren. Glückliche Männer, Frauen und Kinder, die der wohl kaum aushaltbaren Enge der Stadt entkommen nun mit Schlitten, Rucksäcken und Skiern ihr Recht auf selbstbestimmte Freizeitgestaltung einfordern -auf dem Weg zu den Firstalmen oder runter zum See, und auf dem kleinen Hang hinter dem überfüllten Parkplatz wird auch direkt gerodelt.

Es herrscht große Betriebsamkeit am Bergsee an diesem vorletzten Tag im Jahr. Allerdings übertrifft das, was sich auf dem Eis des Spitzingsees abspielt, alles. Von der Straße in die kleine Mulde zum See blickt man auf ein Menschenmeer. Überall flanieren die Menschen, laufen Schlittschuh oder spielen Eishockey. Ein Wintersportparadies auf dem Eis. Eine Mitarbeiterin des Seeparkplatzes auf Höhe der Taubensteinbahn sagt:

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Wir sind am Limit. Was hier abgeht ist unglaublich. Das geht seit Weihnachten so und wird immer schlimmer.

 

Ob denn die Polizei, wie angekündigt unterstützt, wollen wir wissen. “Die fahren nur einmal die Straße hoch und wieder runter”, antwortet die Frau frustriert und fügt wütend an: „Uns hilft hier keiner. Die können ja auch nichts machen, außer Falschparker aufschreiben.“

Ähnliche Szenarien finden sich in ganz Bayern. Am Schwansee gibt es sogar eine “Eisstreife” auf Schlittschuhen, die sich um die Einhaltung der Hygiene und Abstandsregeln kümmert. Davon ist hier oben allerdings nichts zu sehen. Gefühlt sind – außer bei den Leuten, die hier arbeiten und vor den wenigen Snack-Ständen – keine Masken im Einsatz. Es wirkt, als wäre Corona ab einer Höhe von 1.000 Metern nicht mehr ansteckend. Und auf der Eisfläche und den Zugangswegen das Einhalten der Abstandsregelung gar nicht nötig. Selbst Amateure dürfen hier ihren Mannschaftssport Eishockey fern der Regeln ausüben. Hier oben ist an einem Dienstag vor Silvester die Welt ein coronafreies Wintersportmärchen für alle.

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Und genau darin liegt das Problem. Mitten im Märchen begegnen sich tausende von Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet. Jedenfalls lassen die Kennzeichen der parkenden Autos diesen Schluss zu. Sie wandern nicht nur im Familienverband oder mit zwei Freunden durch die unberührte Bergwelt. Hier oben findet eine hygienekonzeptfreie Großveranstaltung statt. “Wir beobachten mit Sorge die Entwicklung“, sagt Melanie Speicher, Pressesprecherin des Krankenhauses Agatharied. Denn wenn zu den bereits 160 Patienten, die im Moment im Krankenhaus stationär behandelt werden, noch Verunfallte hinzukommen, könne die Lage trotz optimaler Planung schwieriger werden.

Eigentlich sollte die Einstellung des Skibetriebs die Krankenhäuser entlasten. Doch durch die aktuelle Situation stoße man in der Notfallbehandlung im Moment an Grenzen. Der durch die Pandemie erheblich gestiegene organisatorische und logistische Mehraufwand bei der Patientenaufnahme mache die Lage zusätzlich kompliziert. Weiter führt die Sprecherin des Krankenhauses aus:

 

Seit Mitte März arbeiten wir hier im Rettungszweckverband daran, die Herausforderungen durch Corona bestmöglich zu bewältigen. Bisher waren wir sehr erfolgreich bei der Umsetzung unserer Belegungs- und Sicherheitskonzepte. Jeder Erkrankte, der im Landkreis medizinische Hilfe benötigt, kann ohne Angst zu uns ins Krankenhaus kommen. Und das soll auch so bleiben.

 

Stand gestern Abend waren von den 160 insgesamt belegten Betten, 21 durch Corona bedingt erkrankte Patienten belegt. Davon mussten zwei auf der Intensivstation behandelt werden. “Es wird dann problematisch, wenn ein Verunglückter nach einem chirurgischen Eingriff vorübergehend auf die Intensivstation verlegt werden muss. Das schaffen wir irgendwann nicht mehr”, befürchtet Speicher. Insgesamt ist sie zwar zuversichtlich, dass man im Rettungszweckverband weiterhin Lösungen findet. Doch die Krankenhaus-Manager fürchten die Folgen des Tagestourismus in den nächsten Tagen.

Keine weiteren Beschränkungen möglich

Auch im Landratsamt in Miesbach ist die Sorge groß, dass der Ansturm der Ausflügler die schon angespannte Pandemiesituation im Landkreis weiter verschärft. “Wir haben von unserer Seite alle Möglichkeiten ausgeschöpft”, berichtet Pressereferentin Sophie Stadler vom Landratsamt. “Für das lange Wochenende erwarten wir keine Entspannung der Lage in den Ausflugshotspots im Landkreis”, beschreibt sie die Lage. Die rechtliche und politische Situation lasse aber keine weitere Regulierung des Ansturms zu. Verzweifelt setzt man auf die Vernunft der Mitbürger.

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