Gewinner 2022: Manfred Genditzki
Nach fast 14 Jahren Gefängnis kam endlich die Entlassung

Im August kam Manfred Genditzki nach fast 14 Jahren Haft endlich frei. Seine Tochter hat er nicht aufwachsen sehen. Wie geht es ihm damit? Zudem soll er Arbeit im Tegernseer Tal gefunden haben. Und was wünscht er sich von der Zukunft? Ein klarer Gewinner dieses Jahres.

Manfred Genditzki vor der JV Landsberg am Lech / Quelle: Hans Holzhaider

Im Februar 2009 kam er in Untersuchungshaft, im Januar 2012 verurteilte ihn das Landgericht München II wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Er war in der Wohnanlage, in der Lieselotte Kortüm wohnte, Hausmeister und erledigte für sie Dinge des täglichen Lebens wie einkaufen, kochen oder Wäschewaschen. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass Genditzki und Frau Kortüm in einen Streit geraten seien, bei dem er der Frau entweder einen Schlag auf den Kopf versetzt oder sie so gestoßen haben soll, dass sie gegen einen harten Gegenstand gefallen sei und sich zwei Blutergüsse zugezogen habe.

In Panik habe er dann zweimal kurz hintereinander vom Festnetztelefon der 87-jährigen Dame die Nummer des Hausarztes gewählt, aber sofort wieder aufgelegt. Danach habe er, aus Furcht vor einer Anzeige, Wasser in die Badewanne laufen lassen und die Frau ertränkt, indem er sie mehrere Minuten unter Wasser gedrückt haben soll, so das Urteil. Das Mordmerkmal war Verdeckungsabsicht. Infolge des Streits, habe er sie getötet, um die vorangegangene Körperverletzung zu verdecken, war die Auffassung der Schwurgerichtskammer.

Doch für viele Prozessbeobachter blieben all die Jahre erhebliche Zweifel an dem Urteilsspruch. Die Verteidigung ging davon aus, dass es ein Haushaltsunfall war und sie infolge eines Schwächeanfalls in die Wanne gefallen sei. Ein Tatwerkzeug habe man nie gefunden, noch haben die Ermittler die Temperatur der Leiche sowie des Wassers in der Badewanne gemessen.

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Wiederaufnahme des Verfahrens

Im Juni 2019 reichte Genditzkis Verteidigerin, Frau Regina Rick, den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, ein. Nach anfänglicher Ablehnung des Landgerichts München I ohne Anhörung des Sachverständigen, reichte die Anwältin beim Oberlandesgericht München Beschwerde ein. Dieses hob den Beschluss auf und verwies die Sache zurück an das Landgericht, mit der Aufforderung, sich den Sachverständigen zumindest anhören zu müssen.

Dann die erfreuliche Nachricht. Mit Beschluss vom 12.08.2022 ordnete das Landgericht München I die Wiederaufnahme des Verfahrens an und entließ den seit über 13 Jahren eingesperrten Mann mit sofortiger Wirkung aus der Haft in Landsberg am Lech. Das Landgericht stützte die Entscheidung darauf, dass das Sachverständigengutachten geeignet sei, zu einer für den Angeklagten günstigeren Entscheidung zu führen. Dieses Gutachten lege einen Todeszeitpunkt fest, der erheblich außerhalb des vom Tatgericht angenommenen Zeitfensters liege.

Dem Sachverständigen gelang dabei erstmals eine Berechnung der ungefähren Wassertemperatur zum Zeitpunkt der Auffindung des Leichnams durch die Mitarbeiterin eines Pflegedienstes. Auf dieser Grundlage konnte sodann eine neue ungefähre Eingrenzung der Leichenliegezeit und damit des Todeszeitpunkts erfolgen. Ergänzend beruhe die Entscheidung der Kammer auf einer computergestützten biomechanischen Simulation des Tatgeschehens. Danach wäre auch ein Sturzgeschehen aus einer plausiblen Ausgangsposition möglich. Wir berichteten.

Dennoch habe laut Pressesprecher Stanislaus Benecke die Staatsanwaltschaft ihre Anklage keineswegs zurückgezogen, sondern aufrechterhalten, weshalb es vermutlich im zweiten Quartal 2023 zu einem dritten Strafprozess gegen Manfred Genditzki vor dem Landgericht München I auf Basis der Anklage aus dem Jahr 2009 kommen werde.

Zurück in ein normales Leben

Genditzki gehe es einem Interview zufolge den Umständen entsprechend gut. “Es geht mir heute auf alle Fälle besser. Ich würde nicht sagen, es geht mir super, aber es geht mir besser. Ich bin auf einem guten Weg. Aber es braucht noch Zeit. Viel Zeit. Alles zu realisieren, mit allem klarzukommen. Es gibt Tage, da läuft mir locker alles von der Hand und es gibt Tage, da fällt alles zusammen. Es wird mir alles zu viel”, äußert er.

Er habe sogar Arbeit gefunden im Tegernseer Tal, in einer Naturkäserei. Dort sei er angestellt, um Käse auszufahren. Meist im Raum München, manchmal auch im Tal. Die Mitarbeiter seien alle sehr nett zu ihm, viele haben seine Geschichte mitverfolgt. Seine Familie sei all die Jahre zu ihm gestanden, “wir müssen beide kämpfen, du drinnen, ich draußen”, habe seine Frau zu ihm gesagt. Psychologische Hilfe brauche er aktuell keine, denn “ich habe meine Kinder und das ist wunderbar”. Zeit mit seinen Kindern und Enkel sei die beste Therapie.

Dennoch plagen ihn Gedanken an die letzten 14 Jahre. “Ich hätte gerne die Jahre gehabt, wo meine Tochter noch ein Baby war. Ich sehe jetzt nur die Fotos. Keine Flasche geben, keine Windeln wechseln. Heute steht sie als Erwachsene vor mir. Die Zeit kommt nicht wieder und die Gedanken, aus meinem Kopf zu kriegen, ist das Schlimmste”. Für die Zukunft wünsche er sich nur eines:

Normalität, einfach Normalität. Ich verlange nicht viel vom Leben, ich will einfach nur mein normales Leben zurück. Ich möchte meiner Arbeit nachgehen, das Wochenende mit meiner Frau, meinen Kindern und mit meinem Enkel verbringen. Mehr brauche ich nicht. Manfred Genditzki

Das ganze Interview gibt es hier zu lesen.

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