Nachbarschaftsstreit oder Verschwörung?

Der Konflikt zwischen den Hausbewohnern fand jetzt vor dem Amtsgericht sein vorläufiges Ende. Ein Mieter soll derart auf das Auto seines Nachbarn eingedroschen haben, dass dieses ein finanzieller Totalschaden ist. Ist der Angeklagte wirklich ausgeflippt oder handelt es sich, wie der Beschuldigte glaubt, um eine Verschwörung?

Der Angeklagte wollte es nicht gewesen sein und beschuldigte stattdessen seine Nachbarn sich gegen ihn verschworen zu haben und Holzkirchner Polizei und Landratsamt seien auch mit von der Partie. (Bild: pixabay)

Der 53-jährige Angeklagte soll laut Strafbefehl im März dieses Jahres kurz nach Mitternacht mit einem unbekannten Gegenstand die Heckscheibe und ein Rücklicht des Autos zertrümmert haben und so auf die Karosserie eingeschlagen haben, dass laut Sachverständigen ein Schaden von mehr als 4.500 Euro entstanden ist.

Noch bevor die Verhandlung begann, machte Richter Walter Leitner deutlich, dass es für den Angeklagten schlimmer als im Strafbefehl vorgesehen ausgehen könne. „Die Staatsanwaltschaft ist bei der Ausstellung des Schadens noch von einem Schaden von nur 500 Euro ausgegangen“, erklärte Leitner.

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Richter warnt davor, Einspruch durchzuziehen

So sei im Strafbefehl nur eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15 Euro gefordert. Da der Schaden nun tatsächlich erheblich höher sei, werde im Falle eines Schuldspruches auch die Strafe höher ausfallen. Die Höhe des Satzes bliebe gleich, weil sie einkommensabhängig bemessen wird und dem Satz für Hartz IV entspreche.

Der Angeklagte bestritt jedoch jegliche Schuld. Er sah sich selbst als Opfer einer Verschwörung. Die Nachbarn wollen ihn aus dem Haus haben, weil es Streit um die Gartennutzung gebe. Die Vermieterin wolle ihn auch lieber früher als später nicht mehr sehen. Sie habe immerhin einen Schimmelschaden in seiner Wohnung zu richten und das würde sie sicher 15.000 Euro kosten.

So mussten also alle Zeugen gehört werden. In dem Haus in Valley wohnten die Eigentümerin und zwei Mietparteien. Die Vermieterin war als letzte eingezogen. Der Angeklagte zog vor etwa drei Jahren ein, der Geschädigte wohnte am längsten in dem Haus. Zunächst befragte das Gericht den geschädigten Nachbarn.

Intensive Zeugenbefragung

Der machte bei den Zuschauern nur einen bedingt glaubwürdigen Eindruck. Schnell verstrickte er sich in Widersprüche, was sein Verhältnis zum Angeklagten betraf. Zunächst gab er an, das Verhältnis sei neutral ohne besondere Auffälligkeiten.

Auf die Nachfrage Leitners hin wurde dann deutlich, dass es durchaus vorher Schwierigkeiten gegeben haben muss. Die Gartennutzung sei Thema gewesen. Der Angeklagte habe bei anderer Gelegenheit die Polizei gerufen, weil die Frau des Zeugen Hunde dazu gebracht haben soll permanent zu bellen und damit den Angeklagten um den Schlaf gebracht habe. „Wir haben keinen nachbarschaftlichen Zugang zu dem Mann bekommen“, erklärte der Zeuge. „Bei ihm sind immer die Vorhänge zu. Ein Gespräch hat sich nicht ergeben.“ Nachts seien aus der Wohnung laute Schreie zu hören gewesen.

‘Du Arschloch’ hat er gerufen. Mal wie ein Wolf geheult, mal wie eine Frau geweint.

An dem Tatabend seien auch wieder Geräusche zu hören gewesen. Die Frau des Zeugen sei ins Bett gegangen, er selbst habe noch am PC gearbeitet. Plötzlich habe es dann laute Schläge gegeben. „Ich bin dann zum Fenster und habe gesehen, wie der Angeklagte die Heckscheibe meines Autos einschlägt“, berichtet der Nachbar.

Warum er denn nicht sein Handy genommen habe und ein Video gemacht habe, fragte der Staatsanwalt. Oder auch bereits vorher die Schreie aufgezeichnet habe? Der Zeuge konnte das nicht erklären. Auch warum seine hinzugeeilte Frau dann statt der Polizei zunächst die Vermieterin angerufen hatte, wusste der Mann nicht.

Zeugen verweigern Aussage

Der Staatsanwalt führte eine sehr intensive und kritische Vernehmung des Zeugen und auch seiner Frau durch. Viele Details können die beiden nicht erklären. Auch der Angeklagte stellte Fragen an die Zeugen. So wollte er wissen, ob es richtig sei, dass sich die beiden mit Hilfe eines Nachschlüssels Zugang zu seiner Wohnung verschafft hätten. Richter Leitner:

Sie brauchen die Frage nicht zu beantworten, wenn Sie sich damit eventuell selbst beschuldigen würden.

Beide Zeugen machen in diesem Fall vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Die Frau des Geschädigten erklärt, dass sie den Angeklagten bei der Tat nicht beobachtet habe. Der Staatsanwalt ließ sich erneut den Ablauf des Abends genau erklären. Minutiös will er wissen, wie lange das Licht am Carport gebrannt habe, wie weit der Abstand zur Tür des Angeklagten gewesen sei, wie lang der Weg von ihrem Bett zu dem Fenster, von dem aus sie den Schaden gesehen habe, sei.

Häufig kann das Ehepaar die Fragen nicht wirklich befriedigend beantworten. Aber sie bleiben bei ihren Aussagen und widersprechen sich nicht. Der verantwortliche Polizeibeamte kannte den Angeklagten bereits von zwei vorhergehenden Gelegenheiten: der Beschwerde des Angeklagten über die bellenden Hunde und von einer Untersuchung durch einen Vertreter des Landratsamtes.

Angeklagter besitzt Waffen

Bei dieser sollte festgestellt werden, ob die Waffen des Angeklagten, der Sportschütze ist, sicher verwahrt seien. „Ich habe damals Amtshilfe geleistet. Das ist ganz normal“, erläuterte der Beamte. „Aber uns wurde damals der Zugang durch den Angeklagten verwehrt.“

Bezüglich der Tat erinnert er sich, dass der Angeklagte ihm gegenüber geäußert habe, dass sich die Nachbarn und auch die Vermieterin gegen ihn verschworen hätten, um ihn aus dem Haus zu vertreiben. Aber nicht nur die, auch die Holzkirchner Polizei und das Landratsamt sowieso. Dann habe der Angeklagte noch erklärt, dass er manchmal Dinge eben auf die „bayerische Art“ löse.

Am Ende wurden die Vermieterin und ihr Lebensgefährte befragt. Beide erklärten, sie haben den Angeklagten nicht bei der Tat beobachtet. Die Eigentümerin erzählte aber, dass sie in ihrer Dachgeschosswohnung auch die Schreie aus der Wohnung des Angeklagten und später die Schläge gegen das Auto gehört habe. „Gesehen habe ich den Angeklagten nicht mehr“, berichtete sie. „Aber wie die Tür zu seiner Wohnung wieder zu geschlagen wurde.“

Bewertung der Glaubwürdigkeit

In seinem Plädoyer erklärte der Staatsanwalt, er halte den Sachverhalt wie im Strafbefehl dargestellt durch die Hauptverhandlung als bewiesen an. Da das Grundstück eingegrenzt sei und das Zugangstor geschlossen gewesen war, komme für die Tat kein außenstehender in Frage.

“Bleiben nur der Angeklagte oder die Verschwörungstheorie”, so der Staatsanwalt. Er glaubte den Zeugen und beantragte eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 15 Euro. Der Verteidiger hingegen glaubte den Zeugen kein Wort und forderte einen Freispruch. Richter Leitner:

Die Zeugen haben die peinliche Befragung des Staatsanwaltes mit Bravour bestanden.

Die Verschwörung gebe es. Aber nur im Kopf des Angeklagten, meinte Richter Leitner. Der Beschuldigte habe nach einigem Alkoholkonsum seine Probleme mit den Nachbarn auf, wie der Angeklagte selbst gesagt hatte, „bayerische Art“ lösen wollen und habe damit Selbstjustiz gemeint.

So wurde der Angeklagte der Sachbeschädigung für schuldig befunden und zur Zahlung von 80 Tagessätzen zu je 15 Euro und der Übernahme der Kosten des Verfahrens verurteilt. Nach dem Urteil fuhren die Prozessbeteiligten getrennt zurück in das gemeinsam bewohnte Haus, wo sie weiterhin zusammenleben müssen.

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