Ein Kommentar von Nina Häußinger
Schon im Kindergarten entbrennt regelmäßig der Streit um das schnellste Bobbycar und den größten Bagger. Das geht dann weiter in der Schule – da wünscht man sich dann die coolen neuen Schuhe, oder den Rucksack der besten Freundin. In einer Konsum- und Statusgesellschaft wie der unseren eigentlich nichts Ungewöhnliches. Neid gehört zum Alltag – Neid auf Mitmenschen, die mehr haben, als man selbst.
Aktuell stellt sich die Situation jedoch etwas anders dar. Neid, Missgunst und Empörung gegenüber Flüchtlingen dominieren den Landkreis – so hört es sich jedenfalls an. Besonders unser jüngster Artikel darüber, dass in dem ehemaligen Polizeigebäude bald Flüchtlinge untergebracht werden, sorgte bei einigen Lesern für Unverständnis. Eine Leserin kommentiert:
Warum ist eigentlich so viel Hilfsbereitschaft für fremde Menschen vorhanden? Woher kommt auf einmal das ganze Geld und der Tatendrang Platz für Wohnraum zu schaffen. Leider steht der Wohnraum in meinen Augen, den falschen Personen zu! Wer denkt denn endlich mal an unsere Obdachlosen im Land, die Rentner die im Winter sich nicht trauen die Heizung aufzudrehen damit die Nebenkosten bezahlt werden können, wer an die Alleinerziehenden – die Arbeiten gehen um sich die Kita oder die Schule für die Kinder leisten zu können? Völlig verkehrte Welt im Jahr 2017 und eine verdrehte Nächstenliebe.
Stimmen wie diese sind keine Seltenheit mehr. Auch eine anderer Kommentatorin ist dieser Meinung:
Ich finde es anmaßend der wohnungssuchenden Bevölkerung gegenüber.
Ja, die gierigen Asylbewerber. Stehen am Holzkirchner Rathaus in der Sonne und machen das Fotomotiv kaputt, haben die neuesten Handys und Internetzugang. Die bekommen sogar die neusten Laptops – und das ganz umsonst. Außerdem scheint sich jeder um sie zu kümmern – um uns kümmert sich niemand. Eine Frechheit. Da kann man schon mal neidisch werden.
Wie kann man auf Menschen neidisch sein, die in Not ihr Land, ihre Familie, ihre Kultur verlassen, Wochen, Monate oder Jahre auf der Flucht sind, um dann endlich irgendwann in einer Unterkunft mit 200 anderen Menschen zu sitzen – dem Nichtstun ausgesetzt und auf die Hilfe gerade der Menschen angewiesen, die hinter ihrem Rücken mit dem Finger auf sie zeigen.
Am Rande bemerkt: Die Gemeinschaftsunterkunft in der Frühlingsstraße ist kein Luxus-Anwesen, sondern funktionell und karg eingerichtet. Nur zum krassen Gegensatz der Traglufthalle bietet sie, trotz Zweier- und Viererzimmer, immerhin etwas Privatsphäre und Ruhe.
Anti-Neid-Kurse für Deutsche
Neidisch zu sein auf jemanden der mehr hat als man selbst, liegt vermutlich in der Natur des Menschen. Wie man jedoch jenen, die so viel weniger haben als man selbst, mit Missgunst gegenübertreten kann, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Auch ich bin der Meinung, dass der Zustrom begrenzt werden musste, was ja bereits geschehen ist und dass wir an unsere Aufnahmegrenze angelangt sind. Das heißt aber nicht, dass ich all jenen, die hier sind, jegliche Art eines „normalen“ Lebens absprechen muss.
Im Westerwald gibt es dafür jetzt Anti-Neid-Kurse für Deutsche – kein Scherz. Wenn es so weiter geht, werden solche „Therapieangebote“ bald auch bei uns nötig. Und soweit wollen wir es doch nicht wirklich kommen lassen, oder?
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