Neue Reichsbürger-Razzien

Nach den umstrittenen Reichsbürger-Razzien im Januar, ist das Landratsamt nun erneut gegen die “Szene” vorgegangen. In Rottach und Otterfing wurden gestern Waffen kontrolliert. Auch auf die Vorwürfe der Kriminalisierung geht die Behörde ein.

Bei neuen Kontrollen in Rottach und Otterfing wurden auch Waffen sichergestellt / Symbolbild

Bisher gab es keine ernsthaften Probleme mit sogenannten Reichsbürgern im Tegernseer Tal und darüberhinaus. Doch seit Anfang des Jahres geht das Landratsamt gegen die Szene vor. So leben nach Erkenntnissen der Behörde im gesamten Landkreis Miesbach rund 100 Personen, die zu der Reichbürgerbewegung zählen könnten.

Elf Personen aus diesem Kreis verfügen als Jäger oder Sportschützen über Waffenerlaubnisse oder über Erlaubnisse nach dem Sprengstoffrecht. Die Waffenbehörden sollen auf Anordnung des Innenministeriums „alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um bestehende Waffenerlaubnisse von ´Reichsbürger´ zu widerrufen und Neuanträge abzulehnen.”

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Das schreibt das Landratsamt in einer aktuellen Mitteilung. Denn sogenannte “Reichsbürger” sind, spätestens nach einem tödlichen Zwischenfall im vergangenen Jahr, bei den Behörden berüchtigt. Sie erkennen den deutschen Staat nicht an und vertreten die Theorie, das Deutsche Reich bestehe fort, weil die Weimarer Verfassung vor und nach dem Zweiten Weltkrieg angeblich gar nicht abgeschafft worden sei. Sie sind der Meinung, die Bundesrepublik sei nur eine Firma mit staatsähnlichen Strukturen und existiere daher juristisch nicht.

Das bedeutet im Extremfall: Reichsbürger weigern sich Steuern zu zahlen, Bußgelder zu begleichen oder sich an Verkehrsregeln zu halten. Sie stellen sich selbst absurde Phantasiedokumente und eigene Pässe aus. Für das Landratsamt steht fest: “Als sicherer Hinweis gilt es, wenn der Bürger vom Amt schriftlich eine Bestätigung seiner „Reichsangehörigkeit“ verlangt. Dazu stellen diese Bürger einen Antrag nach dem „Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz“ vom 22. Juli 1913.”

“Alles andere als harmlos”

Bei den Durchsuchungen im Januar und auch gestern ging es allerdings weniger um Fragen nach Dokumenten, sondern hauptsächlich um waffenrechtliche Erlaubnisse. Bei den Einsätzen – unter anderem in Rottach-Egern – trugen die Polizisten kugelsichere Westen. Alleine in diesem Jahr sind vom Landratsamt Miesbach neun Kontrollen durchgeführt worden. Acht davon seien erfolgreich gewesen, schreibt das Amt. Dabei wurden zehn der elf fraglichen Waffenbesitzer kontrolliert. Zwei haben daraufhin ihre Waffen freiwillig abgegeben, in zwei Fällen habe man Waffen sichergestellt.

Dabei stellt die Behörde klar: “Jeder Waffenbesitzer muss mit unangemeldeten Kontrollen rechnen und diese auch ermöglichen.” Damit gehen die Verantwortlichen auch auf die Vorwürfe ein, die im Zuge der letzten Razzien aufgekommen waren. So hatte sich unter anderem der Warngauer Landwirt und Gebirgsschütze Martin Beilhack beschwert und die Kriminalisierung als nicht nachvollziehbar gebrandmarkt. “Ich habe da Ahnenforschung betrieben, das war ganz interessant,” gab sich der ehemalige Gemeinderat im Februar arglos.

Doch die Behörden schätzen sein Verhalten anders ein. So erklärte Landratsamtsprecher Birger Nemitz vor zwei Wochen: “Herr Beilhack hat sich auch während der Kontrolle den Experten gegenüber immer wieder so geäußert, dass er nicht als harmlos eingestuft werden konnte.”

Beschwerden haltlos?

Nun stellt das Amt fest, dass sich zwei der kontrollierten Personen beschwert haben. Einer habe beim Bayerischen Innenministerium offiziell Beschwerde gegen die von Innenminister Joachim Herrmann initiierten Kontrollen eingeleitet. Doch für die Regierung von Oberbayern sei dies haltlos.

Aus unserer Sicht war das Vorgehen des Landratsamtes rechtmäßig und ist vor dem Hintergrund der vorliegenden Erkenntnisse nicht zu beanstanden.“ (…) „Die Art und Weise der Durchführung“ der Kontrollen „erfolgte ordnungsgemäß“. (…) „Ein Fehlverhalten der Mitarbeiter des Landratsamtes ist nicht zu erkennen.“ (…) Auch vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Abfrage bzgl. der Waffenkontrollen wäre eine weitere Senkung der Anzahl der Kontrollen nicht wünschenswert.

Und das Innenministerium kommentiert:

Auch aus unserer Sicht lässt sich kein Fehlverhalten der Behörde“ – also des Landratsamtes Miesbach – „erkennen. Wegen der Einheitlichkeit des Verwaltungsvollzugs halten auch wir weitere Aufbewahrungskontrollen für erforderlich”.

Über den Großeinsatz und die Einschätzung der Behörde, dass von ihm eine Gefahr ausgehe, konnte Beilhack derweil nur lachen. Seine Waffen durfte er, im Gegensatz zu anderen Kontrollierten, letztlich dann auch behalten: alles vorschriftsmäßig gelagert. Zumindest darin sind sich der Landwirt und die Behörden einig.

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