Die Gmunder Heimatfreunde hatten am Sonntag allen Grund zur Freude: Nach anderthalb Jahren Umbauzeit eröffnete das Museum im Jagerhaus wieder seine Tür. Das war freudiger Anlass genug für einen musikalischen Frühschoppen mit stimmungsvoller Musik, Freibier und spontanen Führungen durch die Sammlung. Auch die 20. gmundart konnte besichtigt werden.
Nach arbeitsintensiven eineinhalb Jahren Bauzeit, in der die Heizungsanlage auf den neuesten Stand gebracht und das gesamte Haus temperiert wurde, machten die Heimatfreunde Gmund am Tegernsee e.V. das Museum im Jagerhaus wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.
Kostbarster Schatz
Schätze gibt es viele zu sehen. Da wäre als außergewöhnlichstes und wertvollstes Stück die Replik eines stattlichen Trichterrandgefäßes. Die Scherben wurden 1977 in Gmund gefunden und sind in der Prähistorischen Staatssammlung München aufbewahrt, wo sie gründlich untersucht und eingeordnet wurden. Sie sind datiert auf 1.500 Jahre vor Christus und bezeugen, dass der Ort bereits in der Bronzezeit besiedelt war. „Zur Zeit der Pharaonen“, wie Maria Prenzel, Vorstandsvorsitzende der Heimatfreunde, die Bedeutung des Fundes unterstrich. Zu sehen ist das Gefäß im „Schlachthaus“ im Kellergeschoss, vor einer unverputzten Wand aus „Bachbummerln“, welche die besondere Bauweise des Gebäudes sichtbar macht.
Die Original-Scherben des Trichterrandgefäßes belegen die prähistorische Besiedelung Gmunds. Foto: IW
An der gegenüberliegenden Gittertür hängt ein Vorhängeschloss. Was sich dahinter verbirgt, ist derzeit noch ein streng gehütetes Geheimnis. Es wird erst im Juni gelüftet. Priska Büttel, Schriftführerin der Heimatfreunde, ließ nur durchblicken: Es wird einen neuen Sammlungsschwerpunkt geben, der den Tegernsee und seine umliegenden Gewässer mit denen in ihnen befindlichen Lebewesen thematisiert. Ob das Museum damit die Lücke schließt, welche die Schließung des Aquadomes in Bad Wiessee hinterlässt? Priska Büttel verriet nichts. Ihr verschmitzter Blick ließ jedoch erahnen, dass sie gemeinsam mit dem Museumsteam dem nächsten großen Schritt nach der Wiedereröffnung freudig entgegenfiebert.
Rita Höhlein liegt die Trachtenausstellung am Herzen – hier ein sogenannter Boinkittl mit Schmiesl. Foto: IW
Das Haus, das 1793 erbaut wurde und zuerst eine Metzgerei beherbergte, bevor es dem „wilden Jager von Gmund“ Johann Baptist Mayer als Wohnhaus diente, stellt im Erdgeschoss seine Räume für wechselnde Kunstausstellungen zur Verfügung. Aktuell ist die 20. gmundart zu sehen. Einen Stock höher wies Rita Höhlein während der Eröffnungsfeier auf die aufwendig gearbeiteten Trachtengewänder hin, insbesondere einige kostbar gearbeitete Schalks: „Ein Schalk ist etwas, das man mit Würde trug – und trägt.“
In Gmund wird Brauchtum gelebt – Nicole Mahler kam gerade in voller Festtagstracht vom 135. Jahrtag des Trachtenvereins d’Neureuther. Foto: IW
Jägerschlacht von 1833
Im ersten Stock zeugen zudem eingerichtete Wohnräume vom Alltagsleben der Gmunder zur Zeit des königlichen Revierjägers. Vor allem aber sind historische Belege und Exponate zur Geschichte der Jagd und Wilderei zu sehen, und zur berühmten „Jägerschlacht von Gmund“. Mit Hinweis auf die Gerichtsunterlagen erwähnte Priska Büttel den klaffenden Unterschied zwischen Volksmund – der oft in Abneigung gegen die Obrigkeiten auf der Seite der Wilderer stand – und den Fakten in den Akten. Wenn man alles genau auswerte, so die Schriftführerin des Vereins, ergäbe sich ein anderes Bild.
Priska Büttel erläuterte die Herstellung von Wasserzeichen bei der Büttenpapierherstellung. Foto: IW
Das Obergeschoss widmet sich der geschichtlichen Entwicklung von Industrie und Gewerbe an der „Lebensader Mangfall“: Wasserkraft, Flachsanbau und -verarbeitung bis zum Spinnen, die Geschichte des Buchdruckes und der Papierfabriken in Gmund, die Herstellung von Büttenpapier und Wasserzeichen und weitere unterschiedliche Handwerke und industrielle Errungenschaften werden dokumentiert. Hier findet sich außerdem Interessantes zum Leben der Almbauern und zum berühmten Gmunder Metzgersohn Max Obermayr, der mit den zu Fuß aus dem Schweizer Simmental an den Tegernsee geführten Rindern schließlich die Alpenfleckviehzucht begründete.
Bedeutung der Almbauern für die Kulturlandschaft und Miesbacher Alpenfleckviehzucht. Foto: IW
Großer Verdienst der Heimatfreunde und damit des nicht staatlichen Heimatmuseums ist die aufwendige und lückenlose Katalogisierung aller Exponate. Dazu eine vorbildliche Archivierung, ein schlüssiges Ausstellungskonzept und jetzt noch die zeitgemäße Klimatisierung der Ausstellungsstücke und -räume. Mit dem Mammut-Umbau haben die ehrenamtlichen Vereinsmitglieder Großes vollbracht und das Museum ein Stück weiter Richtung Zukunftsfähigkeit geführt.
Wandsockelheizung mit Solarthermie
Einfach waren die vergangenen anderthalb Jahre Dauerbaustelle keineswegs. Dreimal musste sogar die Feuerwehr anrücken. Mithilfe der Landesstelle für nichtstaatliche Museen war der Verein in eine zeitaufwendige Vorleistung gegangen und hatte ein Gutachten sowie ein Konzept erstellen lassen. Die Gemeinde sorgte schließlich für die Finanzierung. Dazu mussten sämtliche Exponate staubsicher verpackt und verräumt und später wieder an ihren Platz gebracht werden – ein enormer Aufwand. Aber Ende gut, alles gut. Jetzt sind alle erleichtert und berechtigterweise stolz auf das Geleistete. Statt der alten Warmluftgebläseheizung, die weder dem Raumklima noch den kostbaren Exponaten guttat, sorgt jetzt stattdessen eine Wandsockelheizung für die perfekte Klimatisierung der Räume. Sie speist sich aus Warmwasser aus einer Solarthermie auf dem Dach. Ohne großzügige Sponsoren wäre das alles nicht möglich gewesen, so Priska Büttel.
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Spielten zur Neueröffnung auf: Trio Hornsteiner – Riecke – Halmbacher (v.l.). Foto: IW
So wurde schließlich die Wiedereröffnung mit dem musikalischen Frühschoppen am vergangenen Sonntag mit großer Freude und Erleichterung gefeiert. Sepp Hornsteiner, Michi Rieke und Franz Halmbacher spielten auf. Für Bier vom Fass sorgte als Sponsor das Herzogliche Brauhaus Tegernsee. Die Heimatfreunde freuen sich nun auf zahlreiche Besucher – und auf die Eröffnung der geheimnisvollen Ausstellungsabteilung im Juni. Am Allergrößten aber wäre ihre Freude, wenn sich ihr Wunsch nach neuen Interessenten erfüllt, die im Museum aktiv mitarbeiten möchten. Aufsichtsdienste und Führungen sind ehrenamtlich und es braucht eine gewisse Leidenschaft für die Museumsthemen. Spannend genug sind diese auf jeden Fall.
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Das Museum im Jagerhaus öffnet bis zur Winterpause im November zu den gewohnten Öffnungszeiten: Montag, Freitag und Sonntag jeweils von 14 bis 17 Uhr (feiertags geschlossen). Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen auf der Webseite des Museums.
Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im Online-Magazin KulturVision am 02.05.2024 | Ein Beitrag von Ines Wagner.
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