Die Ärzteschaft ballt sich dabei vor allem in den Gemeinden rund um den Tegernsee.
26 000 Stellenanzeigen bundesweit hat David Fickeisen vom Internetportal Kliniken.de betrachtet und festgestellt: Im bundesweiten Durchschnitt waren im Untersuchungszeitraum 140 Stellen pro eine Million Einwohner für Fachärzte und im Pflegebereich ausgeschrieben. In Bayern waren es 160. Aus diesen Zahlen leitet er einen Ärztemangel für den Freistaat ab. Auf unsere Nachfrage sagte Fickeisen:
Die Studie zeigt, wo es momentan unter den Nägeln brennt.
Bei der Erhebung habe das Alter der Einwohner aber keine Rolle gespielt, ebenso wenig die Häufigkeit, in der die Stellenausschreibungen veröffentlicht worden sind. Auch eine Differenzierung in Landkreis fehlt – die sei erst für die nächste Studie im kommenden Jahr vorgesehen. Die Studie ist somit nur begrenzt aussagekräftig.
Übererfüllte Quoten
Dennoch laufen seit der Veröffentlichung die Telefone bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern heiß. Pressesprecherin Kirsten Warweg beantwortet derzeit gehäuft Anfragen nach einem Ärztemangel – von der Studie hat sie erst dadurch erfahren.
Ein Fachärztemangel lässt sich nach den ihr vorliegenden Zahlen der Bedarfsplanung für den Landkreis Miesbach allerdings nicht herauslesen. Vielmehr gibt es einen Ärzteüberschuss. So seien in Tegernsee und den Gemeinden Rottach-Egern, Kreuth, Bad Wiessee und Gmund insgesamt 28 Hausärzte niedergelassen. Die Bedarfsplanung sieht aber nur einen Hausarzt pro 1546 Einwohner vor. Die Versorgungsquote ist daher mit 146,2 Prozent deutlich übererfüllt.
Ebenso sieht es bei den Fachärzten aus. 2,5 Hautärzte sieht die Bedarfsplanung für den Landkreis Miesbach vor – tatsächlich niedergelassen sind sechs. Eine Versorgungsquote von 259,1 Prozent.
Ärztlicher Ballungsraum rund ums Tal
Die Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern haben allerdings auch einen Nachteil: Sie berücksichtigen nicht die Bedeutung des Tourismus in den einzelnen Gebieten, denn dieser ist rund um den Tegernsee besonders hoch und eine Internetrecherche nach den Fachärzten zeigt tatsächlich: Rund um das Tal ballen sich die Ärzte.
Demnach sind hier zehn Chirurgen und Hausärzte, acht Psychotherapeuten, sechs Augen- und Frauenärzte, fünf Orthopäden, drei Urologen, Kinderärzte und Neurologen sowie jeweils zwei Hals-Nasen-Ohren- und Hautärzte angesiedelt. Die Patienten haben die Qual der Ärztewahl.
Problematisch sieht man bei der Kassenärztlichen Vereinigung einzig die Ärzteversorgung in der Zukunft. Dazu Warweg:
Ein Drittel der Ärzte im Landkreis ist älter als 60 Jahre. Es ist zu erwarten, dass sie in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen. Wir haben große Nachwuchssorgen.
Um einem drohenden Ärztemangel entgegenzuwirken, berät ihre Organisation Ärzte bei der Niederlassung oder Praxisübernahme kostenfrei – auch beim Thema „Jobsharing“. Finanzielle Unterstützung findet ebenfalls teilweise statt. Diese Förderung setzt jedoch erst ein, wenn eine Unterversorgung an Ärzten besteht. Und davon ist man am Tegernsee noch weit entfernt.
Mangel an Experten für Gerontopsychiatrie
Dies bestätigt auch das Landratsamt und sieht derzeit keinen ärztlichen Versorgungsengpass im Tal. Lediglich in der Psychiatrie fehlten Ärzte, die die psychiatrische Betreuung alter Menschen in den Pflege- und Altenheimen sicherstellen, sagt Gabriele Dorby, Sprecherin des Landratsamts Miesbach auf Nachfrage.
Dass in den kommenden Jahren viele der hier ansässigen Ärzte in den Ruhestand gehen werden, sieht man dort ebenfalls mit etwas Sorge:
Wie es dann aussieht, lässt sich schwer einschätzen. Der Landkreis ist aber bemüht, jungen Allgemeinmedizinern die Ausbildung durch einen Verbund zu erleichtern, um sie so auch im Landkreis zu halten.
Da es aber keine Meldepflicht mehr für Ärzte gäbe, und man oft nur aus einer Anzeige oder per Zufall von einer Praxisübergabe, einer Neuniederlassung oder eine Praxisaufgabe erfahre, fehlen dem Landratsamt verlässliche Zahlen, so Dorby weiter.
Keine Nachwuchssorgen
Die Zukunft der Hals-Nasen-Ohren-Praxis von Dr. Egmont Breu in Tegernsee ist jedenfalls gesichert. 2015 steigt sein Nachfolger in die Praxis ein. Schwierig sei es laut Dr. Breu nur gewesen, einen Bewerber zu finden, der zur Praxis passt. Genug Bewerber habe man aber für die Stelle gehabt – diese musste dafür nicht einmal in der Zeitung oder im Internet ausgeschrieben werden.
Im Allgemeinen sei man laut Breu zufrieden mit der ärztlichen Versorgung im Tal. Die Patienten kommen aus dem Umkreis und den Außenbezirken und zeigen sich ebenfalls zufrieden. Ein Engpass an Ärzten ist auch bei Dr. Breus Kollegen nicht zu erwarten. „Hier geht keiner in Ruhestand ohne einen Nachfolger. Die meisten meiner Kollegen haben auch schon jemanden, der ihre Praxis übernehmen wird.“
Sperrgebiet für Neu-Niederlassungen
Das bestätigt auch Dr. Christian Sack vom Ärztezentrum in Rottach-Egern. Zwar habe die Kassenärztliche Vereinigung seit den Neunzigerjahren festgestellt, dass die bereits angesprochene Überversorgung bestehe, und somit den Landkreis Miesbach zum Sperrgebiet für Neu-Niederlassungen aller ärztlichen Fachrichtungen erklärt. „Nachwuchssorgen bestehen trotzdem nicht“, so Sack.
Zudem laufe in diesen Tagen ein Modellprojekt an, in dem sich Ärzte im Krankenhaus Agatharied zu Allgemeinmedizinern ausbilden lassen können. Dieses Projekt hat das Ziel, dass sie nach ihrer Ausbildung im Tal bleiben. Dass das klappt, dessen ist sich Sack sicher:
Wer einmal hier vernetzt ist, der bleibt auch hier.
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