Otterfing: Angst vor dem 30-Tonner

Zu schnell, zu viel, zu laut: Anwohner der Otterfinger Kreuzstraße fühlen sich vom Verkehr belästigt. Autos führen zu schnell und Lastwagen donnerten über den Gehsteig. Betroffene Bürger fühlen sich von der Gemeinde im Stich gelassen, wollen die Sache selbst in die Hand nehmen. Der Bürgermeister weißt jeden Vorwurf zurück.

Kinder und ältere Menschen in der Otterfinger Kreuzstraße haben Angst auf dem Gehweg einem 30-Tonner zu begegnen
Kinder in der Otterfinger Kreuzstraße haben Angst auf dem Gehweg einem 30-Tonner zu begegnen

„Wir fühlen uns hier wie beim Buchbinder Wanninger“, sagt Josef Killer. Kurz zur Erinnerung: Wanninger ist eine vom Komiker Karl Valentin erfundene Figur, ein Buchbinder eben, der von seinem Auftraggeber eigentlich nur wissen will, ob er die Rechnung gleich beilegen soll oder nicht. Das mit der Auskunft klappt aber nicht so recht, wie es soll: Von einem zum anderen verbunden, gibt Wanninger schließlich entnervt auf. „Saubande, dreckade!“, so sein Fazit.

Während der Buchbinder Wanninger immerhin ein guter Sketch ist, fühlt sich Killer, Sprecher der Anlieger der Otterfinger Kreuzstraße, wie in einem schlechten Film. Seit langem versucht er, die Gemeinde, das Landratsamt und die Polizei von den Gefahren der Verkehrssituation an der Kreuzstraße zu überzeugen.

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Zu hohe Geschwindigkeiten

Bewohner der Otterfinger Kreuzstraße empfinden den dortigen Verkehr als Zumutung: Die Kreuzstraße führt zum Bahnhof. Viele Pendler nutzen diesen Weg. Zudem donnern Dutzende LKW jeden Tag auf dieser Straße, die zum Recycling-Betrieb Preimesser unterwegs sind.

Killer ist wütend: Viele Autos seien mit teils 90 km/h deutlich zu schnell. Vor allem die LKW mache ihm Angst, stellen ein Sicherheitsrisiko dar: 30-Tonner weichen bei Gegenverkehr auf den Bürgersteig aus anstatt abzubremsen. „Hier kommen Frauen mit Kinderwagen den Brummis entgegen“, sagt Killer. „Da kommt es zu gefährlichen Situationen.“

Anwohner fordern Unterstützung

Es muss schnell gehandelt werden, finden die Anlieger und schlagen eine Geschwindigkeitsbegrenzung bei Tempo 30 vor. Sie haben sich mit einem entsprechenden Antrag an die Gemeinde sowie das Landratsamt gewandt. In dem Schreiben heißt es: “Wir fordern aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs eine Beschränkung der Geschwindigkeit auf 30km/h. […] Zum Schutz der Wohnbevölkerung und unserer Kinder.”

Zudem fordern sie Radarmessungen und die Sicherung des Fußwegs, damit dieser nicht mehr von Fahrzeugen als Ausweichfahrspur benutzt wird. Killer unterstreicht die Notwendigkeit solcher Maßnahmen:

Unsere Schulkinder und die ältere Bevölkerung haben bereits erhebliche Angst, diesen Fußgängerweg zu benutzen, insbesondere bei herannahendem schnellem Schwerlastverkehr.

Die Reaktionen von Seiten der Gemeinde fallen ernüchternd aus, finden die Anwohner. „Die Gemeinde reagiert null“, klagt Killer. Dem widerspricht jedoch Bürgermeister Jakob Eglseder. Die Kreuzstraße sei nun mal eine Kreisstraße und man könne da wenig machen. “Uns sind die Hände gebunden”, meint Eglseder.

Weil in die Auffahrt belasteter Aushub eingearbeitete wurde, bleibt die Brücke noch mindestens drei Wochen gesperrt
Eine Vekehrsmessung sei nicht repräsentativ, weil die Straße durch den Brückenbau derzeit weniger belastet ist, finden die Anwohner

Zuständig ist hier das Landratsamt, dass auch bereits eine Messung zur Verkehrsdichte durchgeführt hat. Das Ergebnis: Der Verkehr liegt noch im Normbereich. Diese Messung sei jedoch nicht repräsentativ, findet Killer. Denn sie wurde durchgeführt, als die Straße bereits durch den Brückenbau als Sackgasse und mit Umleitungsschildern ausgeschildert, und daher weniger belastet als sonst war.

Doch nicht nur von den Behörden, auch von der Polizei fühlen sich die Anwohner im Stich gelassen. Diese findet eine Geschwindigkeitsreduzierung nicht erforderlich. “Die MB 5 ist zwar in diesem Bereich etwas kurvig, aber bei Einhaltung der möglichen Geschwindigkeit gefahrlos zu befahren. Der Gehweg ist durch einen Hochbordstein zur Straße gut abgesichert”, heißt es in einer der Holzkirchner Stimme vorliegenden Stellungnahme.

Das von den Anwohnern geschilderte Ausweichen auf den Gehsteig durch den Schwerverkehr dürfte schon aufgrund des hohen Bordsteins nur in Ausnahmefällen geschehen.

Das Landratsamt erkennt allerdings an, dass gemessene Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 90 km/h „ein auffälliges Geschwindigkeitsverhalten vieler Verkehrsteilnehmer nahelegt“ und plädiert für eine Verkehrsüberwachung.

Für diese sieht sich das Landratsamt allerdings nicht zuständig, sondern die Gemeinde. Die jedoch lasse nicht kontrollieren, klagt Killer. “Das bezeichnen wir als typische Bürokratie! Eine Stelle schiebt das Problem an eine andere Behörde weiter!“

Bürgermeister sieht Anwohner in der Verantwortung

Einen Vorwurf, den der Bürgermeister so nicht stehen lassen will. Man sei in engem Kontakt mit dem Landratsamt und prüfe derzeit, ob man wenigstens auf einem kurzen Stück eine Begrenzung der Geschwindigkeit auf 30 km/h einrichten könnte. Zudem habe man angefragt, ob man zur Sicherung des Gehsteigs Poller anbringen dürfe. Doch das Landratsamt lehnte ab. “Das würde den Gehsteig noch enger machen”, erklärt Eglseder.

Die einzige Lösung sei daher, die Kreuzstraße zu verbreitern und so den LKW mehr Platz zu geben. Schließlich würden die Fahrzeuge tendenzielle eher größer denn kleiner. Doch hier sieht Eglseder auch die Anwohner in der Verantwortung. Gerade die Stelle am Anwesen Killer sei eine Gefahrenstelle. Auch, weil dessen Stauden die Sicht einschränken, erklärt der Bürgermeister.

Für eine Verbreiterung müsste Killer jedoch Grund abtreten. “Eine Maßnahme, die er bereits als Gemeinderatsmitglied kategorisch abgelehnt hatte”, wie Eglseder betont. Daher wundere er sich nun, dass ausgerechnet Killer sich über die Zustände aufrege. Die Gemeinde jedenfalls ist um eine Lösung bemüht, verspricht der Bürgermeister: “Wir tun was wir können.”

Bürger ergreifen eigene Maßnahmen

Doch das reicht den Anwohnern nicht. Sie haben jetzt eigenmächtig Maßnahmen ergriffen, um die LKW vom Gehweg wegzuführen. Absperrbänder und markierte Wassertonnen sollen die LKW auf der Straße halten.

Mit Absperrbändern und Wassertonnen wollen sich die Anwohner wehren
Mit Absperrbändern und Wassertonnen wollen die Anwohner die LKW von Gehsteig und Grundstück fernhalten

In den vergangenen Tagen hätte sich die Situation noch einmal verschärft, die Ereignisse hätten sich überschlagen, berichtet Killer. Mittlerweile würden die LKW regelmäßig den Gehsteig benutzen und hätten dabei sogar eine Straßenlaterne angefahren.

Kommenden Dienstag soll das Thema auf Antrag der SPD im Gemeinderat behandelt werden. Die Anlieger hoffen dann auf eine Verbesserung der Situation. „Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben“, sagt Killer.

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