Placebo- oder Mitmachpolitik – Entscheiden Bürger oder Investoren bei der Entwicklung von Gemeinden?

von Sascha Salmen

Wir haben das Gmunder Handbuch zur zukünftigen Entwicklung der Gemeinde im Bereich Tourismus, Einkaufen, Umwelt, Verkehr und Städtebau bereits in zwei Artikeln vorgestellt. Die Einbeziehung der Bürger, die komplette Vorgehensweise über einen Zeitraum von knapp einem Jahr, die Präsentation und offene Kommunikation – alles vorbildlich.

Das wichtigste dabei ist die gemeinsame Entwicklung eines klaren Ortsbildes. Im Handbuch wird das Vision + Strategien genannt und beschreibt beispielsweise die folgenden Punkte:

– Beruhigung des Verkehrs
– der Bahnhof soll neu geordnet und in den Ortskern integriert werden
– eine lebendige Ortsmitte soll entstehen
– Gmund regeneriert und schafft die Energiewende
– ein vielseitiges Übernachtungsangebot ist wichtig
– Gmund entwickelt seine “Gatefunktion” zum Tegernseer Tal weiter

Aber, so die Verantwortlichen, Visionen und Strategien sind nichts ohne einen klaren Plan.

Der Aktionsplan soll einerseits Kräfte mobilisieren, andererseits die Gemeinde aber nicht überfordern. Der Schwerpunkt liegt auf städtebaulichen Themen, da hier eine längere Vorlauf- und Planungszeit zu beachten ist, andererseits aber auch durch eine Realisierung eine hohe Hebelwirkung zur Attraktivitätssteigerung von Gmund zu erzielen ist. Die ausgewählten Projekte werden vielfach nicht in einem Jahr realisierbar sein. Wichtig ist jedoch, den Einstieg in die Umsetzung zu finden.

Der Schwerpunkt liegt somit bei den städtebaulichen Themen. Dazu gehören neben dem Problemkind Ludwig-Erhard-Platz mit der Hauptursache Parkplatzmangel auch und vor allem die beiden offensichtlichsten “Problem-Bereiche” Maximilian und Gut Kaltenbrunn. Und bei den beiden Namen wird schnell klar in wieweit ein Handbuch sowie die von Bürgern mitgestalteten Maßnahmenkataloge in Ihrer Umsetzbarkeit eingeschränkt sind.

Kaltenbrunn oder Maximilian – der Einfluss ist begrenzt

Ein “Ökologisches 4-Sterne Hotel” im Gut Kaltenbrunn hört sich erstmal gut an. Der Bedarf für größere Hotels im Tegernseer Tal ist ja laut Aussage aus dem Maßnahmenkatalog da. 150-200 Gästebetten können es also schon werden.
Reaktion des Eigentümers auf die konkrete Maßnahme:

Mit uns hat niemand gesprochen. Wie wir das Gut nutzen möchten, steht nicht fest. Die grundsätzlichen Probleme mit Denkmalschutz und Anwohnern (Anmerkung: Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal) bestehen weiterhin.

so zumindest die Sprecherin Antonia Asenstorfer auf Nachfrage des Merkurs.

Oder das Maximilian: Eine Tourist-Info, ein regionales Schaufenster, ein Servicepunkt für Radler und ein Ort für Gesundheitsdienstleistungen sollen laut den Eckpunkten zur Nutzung des Maximilian unter anderem entstehen. Alles gute Dinge, die aber eines gemein haben. Sie werden den Interessen eines Investors nicht gerecht. Da das alte Gebäude bestehen bleiben soll und deswegen aufwendig restauriert werden muss, braucht der vor allem renditeträchtige Maßnahmen. Allen voran Eigentums-Wohnungen. Vielleicht ein Hotel, falls das Problem mit dem Verkehr geregelt wird. Eventuell noch eine große Wirtschaft mit Biergarten.

Es stellt sich also die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass die Gemeinde bei Verhandlungen mit den wenigen ernsthaften Interessenten die Vorstellungen der Bürger und der Expertenrunde wie einen heiligen Gral vor sich her tragen wird?
Oder was ist eine Beteiligung an Entscheidungsprozessen wert, wenn die Beteiligung endet, bevor die wirklichen Entscheidungsprozesse einsetzen?

Eine Antwort ist nicht einfach. Denn auch Placebos können wirken, obwohl sie keinen Wirkstoff haben.
Nur sollte niemand erwarten, dass dadurch schwere Krankheiten wirklich geheilt werden können.

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