Anlass genug, um hinter die Vorhaben zu blicken, die Zahlen zu durchleuchten und den Wandel zu analysieren. Im ersten Teil geht es um die Veränderungen im Hotelgewerbe. Private Vermieter bleiben hier auf der Strecke.
Von 2003 bis 2012 ist die Gesamtzahl der Gästebetten von 11.179 auf 10.072 zurückgegangen. Der Bettenrückgang im Tegernseer Tal ist nichts Neues. Schaut man sich im Gastgewerbe um, so macht sich schnell eine Vermutung breit: Nämlich, dass es im Rahmen des Bettenschwundes auch zu einer Umverteilung gekommen ist – weg von kleinen, privaten Vermietern und Gästehäusern hin zu großen Hotels.
Dieses Gefühl anhand von Zahlen zu belegen, ist kein leichtes Unterfangen, wie Petra Berger von der TTT erläutert. Vor dem Zusammenschluss der Talgemeinden im Jahr 2010 erfolgte die Datenerfassung der Gästezahlen dezentral in den einzelnen Gemeinden. „Die Gemeinden haben mit unterschiedlicher Software gearbeitet. Das Problem dabei ist die extrem unterschiedliche Parametrisierung“, erklärt Berger. So gebe es schlicht keine einheitliche Unterteilung der Gästezahlen in die verschiedenen Unterkunftsarten, wie es erst seit 2010 bei der TTT der Fall ist.
Die Umverteilung zugunsten großer Anbieter kann Berger dennoch bestätigen: „Es stimmt, dass es in den letzten Jahren zu einer Verschiebung der Gästebetten von kleinen Privatvermietern hin zu großen Hotels gekommen ist. Die Gründe dafür sind auch relativ klar: Viele kleine Betriebe haben keine Nachfolgeregelung. Wenn die Eigentümer zum Beispiel aus Altersgründen in den Ruhestand gehen, werden die Betriebe eben geschlossen.“
Viele kleine Vermieter scheuen Investitionen
Einen weiteren Grund sieht Berger in den Hürden der Modernisierung: „Es gibt auch viele, ältere Betreiber, die sich die notwendigen Modernisierungsmaßnahmen – wie etwa eine Website oder Modernisierung der Gästezimmer – nicht mehr antun wollen.“ Stattdessen kommen zunehmend großen Betriebe ins Tegernseer Tal und schließen die entstehende Lücke. Nach wie vor wäre, so Berger, bei der Betrachtung des gesamten Gastgewerbes der Mittelstand allerdings weiterhin dominant.
Der Trend der Umverteilung zeigt sich aber auch bei der Betrachtung der Zahlen, seit die TTT diese erhebt: uns liegen die Vergleichszahlen der Jahre 2010 bis 2013 vor. Auch hier zeigt sich auf den ersten Blick der allgemeine Bettenschwund: Alle Unterkunftsarten verzeichnen weniger Betten, wobei Hotels (minus 3 Prozent) und Gästehäuser, Pensionen und Bauernhöfe (minus 1,2 Prozent) noch recht gut dastehen. Kliniken (minus 10,6 Prozent) und Privatvermieter (minus 25,9 Prozent) haben deutlich mehr Betten verloren.
Ein ähnliches Bild entsteht bei der Zahl der Betriebe: Von den 84 großen Hotels haben vier zugemacht. Und auch von den Sanatorien beziehungsweise Kliniken im Tal haben in den letzten vier Jahren zwei der vormals zehn Betriebe geschlossen. Am schlimmsten trifft es bei der “Anzahl der Betriebe” auch die kleinen Privatvermieter: 2010 gab es noch 95 private Gastgeber im Tal, 2013 sind es nur noch 74, was ebenfalls einem Rückgang um ein knappes Viertel gleichkommt. Die Kategorie Gästehäuser, Pensionen und Bauernhöfe hat dagegen leichten Zuwachs um einen Betrieb – von 128 auf 129 – bekommen.
Privatvermieter sind die Verlierer
Bleibt schließlich noch die für die meisten Betreiber entscheidende Währung: Übernachtungszahlen. Weni überraschend hat sich auch hier die Lage der Privatvermieter deutlich verschlechtert. 2013 konnten sie 30.129 Übernachtungen zählen – 8,5 Prozent weniger als noch 2010. Anders sieht es dagegen bei den großen Betrieben aus: Hotels und Garni Hotels verzeichnen – trotz Bettenschwund – ein Plus von 10,9 Prozent bei den Übernachtungen und knackten 2013 die 600.000-Marke. Gleiches gilt für die Kliniken im Tal: Immerhin 4,6 Prozent mehr Übernachtungen, obwohl sowohl Betriebe, wie auch Betten verloren gingen. Das größte Plus brachten aber Betreiber von Gästehäusern, Pensionen und Bauernhöfen ein: 42.000 zusätzliche Übernachtungen bedeuten einen Zuwachs von 23 Prozent in den letzten vier Jahren.
Was aber bedeutet das alles? Privatvermieter sind die klaren Verlierer des Strukturwandels: weniger Betriebe, weniger Betten, weniger Übernachtungen. Die großen Hotels können trotz Bettenschwund auf steigende Übernachtungszahlen verweisen. Ähnlich steht es um die wenigen, aber gefragten Kliniken und Sanatorien im Tal. Die wahren Gewinner der Umverteilung gehören aber der Kategorie Gästehäuser/Pensionen/Gasthöfe/Bauernhöfe an: stabil bei der Zahl der Betriebe, kaum Bettenschwund und stark im Aufwind bei den Übernachtungszahlen.
Wie TTT-Mitarbeiterin Petra Berger erläutert, sollte man eine eher kurz gewählte Zeitspanne aber auch nicht überbewerten: „Bei den Zahlen muss man immer alle Faktoren berücksichtigen, zuvorderst das Wetter. Wenn es am Tegernsee schlecht ist, buchen manche eben lieber im Internet eine Reise nach Dubai. So ist die heutige Zeit und wir müssen verstehen, dass wir in internationalem Wettbewerb stehen.“
Dennoch kann auch Berger die oben geschilderten Trends bestätigen. „Dass die Kategorie Gasthöfe und Bauernhöfe so gut abschneidet, liegt tatsächlich an einem Trend, nämlich der Spezialisierung beziehungsweise Thematisierung. ‚Urlaub auf dem Bauernhof‘ ist sehr gefragt. Schließlich empfehlen wir den neuen Hotels auch, sich zu spezialisieren, um erfolgreich zu sein. Das macht uns Österreich mit Kinder- oder Gesundheitshotels sehr gut vor”, so die Touristikerin.
Ebenso wenig überraschend seien die vielen Übernachtungsgäste bei den Kliniken und Sanatorien. Hier sieht die TTT auch in den kommenden Jahren noch starkes Wachstum:
Der Gesundheitsmarkt ist unser Steckenpferd schlechthin. Ich denke, der Trend wird weiter Format annehmen. Es geht ja nicht nur um Heilung, sondern auch zunehmend um Prävention.
Bei den privaten Vermietern sieht die Zukunft dagegen weniger rosig aus. Eine Trendwende ist in diesem Segment zumindest nicht zu erkennen, der Verlust weiterer Betten und Anbieter scheint nur schwer zu stoppen. Aufgefangen wird er von neuen, großen Hotels oder der Vergrößerung bestehender Hotels, wie dem Tegernseer Westerhof. Etliche Bauprojekte stehen rund um den See bereits in der Pipeline und werden das touristische Umfeld in den kommenden Jahren nochmals spürbar verändern.
Der in den letzten Jahren verlangsamte Bettenverlust, ist vielmehr ein stetiger Prozess der Betten-Umverteilung. Weg von kleinen Anbietern, hin zu Hotels, Kliniken und konzeptionell starken Nischenanbietern, wie beispielsweise dem geplanten Almdorf in Tegernsee. Damit geht zwangsläufig auch eine Veränderung der Gäste und der übrigen Struktur im Tegernseer Tal einher, die im Detail sicherlich noch nicht endgültig abzusehen ist.
Auswirkungen wird das aber auf viele Branchen im Tal haben. Egal ob auf kleine Handwerker, die Aufträge großer Hotels nicht mehr bewerkstelligen können oder Gastronomen, die zunehmend mit Hotelküchen konkurrieren. Darin wird auch eine der großen politischen und wirtschaftlichen Aufgaben der kommenden Jahre bestehen: Diesen strukturellen Wandel zu erkennen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.
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