Revolution beim Hochwasserschutz

Seit 10 Jahren suchen Talgemeinden, Anwohner und Wasserwirtschaftsamt nach Möglichkeiten, um Hochwasserschäden zu vermeiden. Das Schuhmacherwehr zu ersetzen, sorgte jedoch für heftigen Widerstand. Nun hat das Wasserwirtschaftsamt eingelenkt – und ist den Gegnern weit entgegengekommen.

Revolution im Hochwasserschutz. Das Schuhmacherwehr bleibt
Revolution im Hochwasserschutz: Das Schuhmacherwehr bleibt. (Archivbild)

Eine kleine Revolution verkündete das Wasserwirtschaftsamt Rosenheim gestern Abend in Bad Wiessee. Knapp 100 Gäste, größtenteils die Gemeinderäte der Talgemeinden, hatten sich im spärlich besetzten Saal des Gasthofs zur Post eingefunden. Sie wollten den aktuellen Stand der Planungen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes erfahren. Was sie zu hören bekamen, hatte mit den ursprünglichen Planungen zur Vertiefung des Mangfalleinflusses und dem Neubau des Schuhmacherwehrs nicht mehr viel zu tun.

Die Grundidee habe sich aber nicht verändert, erklärte Paul Geisenhofer, Leiter des Wasserwirtschaftsamts Rosenheim. Nach wie vor wolle das Wasserwirtschaftsamt bei der Prognose eines „Schadensereignisses“, also eines Wasserstands über Stufe 4 in St. Quirin, den Pegel des Sees um 30 Zentimeter absenken. Dennoch klingt die neue Lösung radikal: Der Wasserabfluss soll nicht mehr durch eine Vertiefung der Mangfall und den Bau eines veränderten Schuhmacherwehrs erfolgen, sondern über eine Druckwasserleitung vom Ausfluss des Sees bis zum Wehr.

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„Keinen Zentimeter höher“

Somit kann der Bau einer Hochwasserschutzmauer durch die Gmunder Ortsmitte vermieden werden. Auch die Bedenken, das Wasserwirtschaftsamt könne ein neues Wehr nutzen, um den Seepegel im Falle eines Hochwassers zugunsten der Anlieger am unteren Flusslauf der Mangfall zu erhöhen, sind bei dem neuen Konzept hinfällig. Durch den Neubau des Schuhmacherwehrs in seiner jetzigen Form würden sich die Abflussmenge und das Abflussverhalten im Fall eines Hochwassers nicht verändern, sondern lediglich von einem niedrigeren Niveau ausgehen.

Dementsprechend euphorisch zeigte sich Andreas Scherzer vom Verein „Rettet den Tegernsee“. Hatten die Aktivisten in der vergangenen Woche noch zum Sturm geblasen, da sie sich unzureichend über den anstehenden Termin und den Stand der Planung informiert fühlten, feierten sie sich heute als Sieger.

„Das Wasserwirtschaftsamt ist uns in allen Punkten entgegengekommen“, so Scherzer, „die zwei Jahre Arbeit haben sich bestätigt.“ Der neue Entwurf habe viele Vorschläge des Vereins aufgenommen und sei ein großer Schritt hin zu einem effektiven Hochwasserschutz am Tegernsee. An der vom Wasserwirtschaftsamt angekündigten Arbeitsgruppe werde man sich beteiligen.

Gefahren für die Natur?

Doch gibt es, bei allem Optimismus, noch einiges an Redebedarf. Die Position des Einlaufbauwerks im Schilfgürtel, die Positionierung der Leitung unter der Mangfall mit der damit verbundenen Schädigung der Uferbepflanzung und den Beeinträchtigungen des Tourismus’ während der Bauzeit, die Auswirkungen auf die Fischerei, Sicherheitsbedenken und Fragen bezüglich der Auswirkungen auf das Ortsbild deuteten sich an.

Aus Sicht des Wasserwirtschaftsamts gerechtfertigte Bedenken, die aber gemeinsam technisch gelöst werden können. Auch Gmunds Bürgermeister Georg von Preysing zeigte sich zuversichtlich, dass die „neue Stimmung“ es ermöglichen werde, die verbleibenden Probleme konstruktiv zu lösen.

Das Schilf könnte durch die Bauarbeiten Schaden nehmen. Das soll aber nach Möglichkiet verhindert werden.
Das Schilf könnte durch die Bauarbeiten Schaden nehmen. Das soll aber nach Möglichkeit vermieden werden.

Ein Vorteil bei der Suche nach solchen Lösungen: Der Preis spielt, zumindest für die Gemeinden, keine Rolle. Zahlen tut der Freistaat Bayern. Zwar ist so oder so der Steuerzahler betroffen, den Kämmerern ist dies aber recht, solange ihre Zahlen nicht belastet werden.

Bedeutend teurer, verglichen mit der Vertiefung der Mangfall, so Paul Geisenhofer, werde die neue Planung aber nicht. Man bewege sich in der selben Größenordnung. Die Baugrunduntersuchung habe gezeigt, dass der Ausbau des Abflusses auch nach der ursprünglichen Planung deutlich schwieriger geworden wäre.

Losgehen soll es mit dem Bau frühestens 2018. Bis dahin muss die nun fertiggestellte Machbarkeitsstudie in einen Vorentwurf (Ende des Jahres), einen detaillierten Entwurf (2016) und eine Genehmigungsplanung (2017) ausgebaut werden.

Fakten zum neuen Konzept

Konkret soll im Bereich des Fußgängerstegs am Ausfluss des Sees ein rund sieben mal drei Meter großes Einlaufbauwerk mit einer, erheblich längeren, unter Wasser liegenden Schwelle entstehen. Von dort soll das Wasser in einen viereinhalb mal zweieinhalb Meter großen Stollen fließen, der unter dem Mangfallbett 600 Meter bis hinter das Schuhmacherwehr geleitet wird. Dort soll die Röhre über ein Auslaufbauwerk zurück in den Fluss geleitet werden.

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