Richtig trinken – vor, während und nach dem Sport!

Chefarzt Prof. Thomas Wessinghage zu den Gefahren und Folgen bei Dehydratation. Im Sommer nehmen viele Läufer an Marathonveranstaltungen teil. Ungeübte Sportler nutzen das schöne Wetter und gehen joggen. Doch Vorsicht: Die Flüssigkeitsaufnahme ist extrem wichtig und der Sportler sollte lieber aufhören, als seinem Körper zu schädigen. Professor Wessinghage mit den sechs wichtigsten Regeln.

Laufveranstaltungen sind immer wieder für Schlagzeilen gut. Vor wenigen Jahren überraschte uns im damals trocken-heißen Sommer die Meldung, dass die renommierten und traditionsreichen Marathonveranstaltungen in Chicago, Rotterdam und Stockholm abgebrochen wurden. Zu viele Läufer hatten sich bei Hitze mit Dehydratationsbeschwerden (Austrocknung, zu wenig getrunken), Kreislaufschwäche, Kopfschmerzen usw. an den zahlreichen Erste-Hilfe- Stellen gemeldet. Und das, obwohl bei allen genannten Veranstaltungen wie bei den anderen großen Marathonläufen, reichlich Getränkestationen an der Strecke eingerichtet worden waren.

Realistische Selbsteinschätzung

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Aber man muss sie (die Gelegenheit zum Auffüllen der verlorenen Flüssigkeit) auch nutzen und man muss sich selbst kennen und realistisch einschätzen. Ob man unter der Hitze leidet oder nicht, ist zum Teil auf die Veranlagung, zum Teil aufGewöhnung, zum Teil auf das aktuelle Verhalten zurückzuführen. Natürlich sollten vor allem Menschen mit Kreislaufbeschwerden, chronischen Herzproblemen, Übergewicht oder Bluthochdruck aufpassen, wenn sie an heißen Tagen Sport treiben. Denn zur anstrengenden Bewegung kommt die Wärme als zusätzlicher Belastungsfaktor, und der Körper hat an solchen Tagen ohnehin schon allerhand zu tun, eine Überhitzung zu vermeiden. Zunächst werden die Hautgefäße möglichst weit geöffnet (Wärmeleitung), zusätzlich schwitzt der Körper und produziert Verdunstungskälte. Das aber ist ein aktiver Prozess, der selbst Energie kostet. Der Kreislauf wird beschleunigt (höherer Puls) und diverse sog. vegetative Faktoren werden in den Regulationsprozess einbezogen.

Flüssigkeitsaufnahme vor dem Sport
Grundlegende Voraussetzung für das reibungslose Funktionieren dieses Systems ist die ausreichende Verfügbarkeit von Flüssigkeit im Körper. Also muss angemessen getrunken werden, frühzeitig, regelmäßig und nicht zu viel auf einmal. Die Aufnahmefähigkeit des Organismus für Flüssigkeit ist während einer sportlichen Belastung begrenzt, da der Körper ja auf Leistung und nicht auf Verdauung bzw. Regeneration programmiert ist. Etwa 0,6-0,8 Liter Flüssigkeit lassen sich pro Stunde bei einem zügigen Lauf verkraften, deutlich weniger als beim Laufen ausgeschwitzt wird. Bei den Verlusten gehen wir von 1-1,5 Liter pro Stunde aus und das bei nicht einmal sehr hohen Temperaturen (ca. 15° C) und nicht zu schnellem Lauftempo. Wenn beides zunimmt, steigt auch der Flüssigkeitsbedarf – gleichzeitig sinkt die Resorptionsquote im Darm. Man sollte die Flüssigkeitsaufnahme daher vor dem Sport beginnen. Aber mehr als einen halben Liter ca. 30 min. vor dem Sport kann der Organismus bei ansonsten normalem Trinkverhalten nicht verkraften. Überschüssiges verlässt den Körper sehr schnell wieder auf den normalen Wegen…

Immer wieder Wasser in kleinen Mengen
Nachdem die sportliche Aktivität begonnen hat, sollte man in kleinen Mengen oft trinken. Das ist gut verträglich, bringt den Atemrhythmus nicht durcheinander und ein Völlegefühl im Oberbauch wird auch vermieden. Diesem Bedarf wird bei den größten Marathonläufen dadurch Rechnung getragen, dass sehr viele Getränkestationen auf der Strecke eingerichtet werden, in London und New York beispielsweise jede Meile (1,6 km). Interessanter Weise wird in letzter Zeit wieder fast ausschließlich Wasser angeboten, da es am besten verträglich ist.

Was passiert bei Flüssigkeitsmangel
Wenn dennoch ein Flüssigkeitsmangel aufgetreten ist, entwickelt sich eine Überforderung des Regulationssystems. Die Körpertemperatur beginnt langsam zu steigen, so dass die Belastung (d.h. das Lauftempo) reduziert werden muss, soll nicht ein Hitzschlag drohen. Erste Anzeichen sind Durstgefühl und Leistungsabfall, später können Kopfschmerzen und Schwindel drohen bis hin zu Orientierungs- oder gar Bewusstseinsstörungen und Atemproblemen. Ein Sonnenstich hingegen entsteht durch zu lange direkte Sonneneinstrahlung. Er äußert sich vor allem in Kopfschmerzen. Wer empfindlich ist, schützt sich von vornherein mit einer Kappe und sorgt für ausreichende Flüssigkeitszufuhr (auch im Training).

Einfache Regel: bei Problemen lieber aufhören
Im Zweifel – und der sollte gegebenenfalls schon frühzeitig aufkommen – gilt die einfache Regel: aufhören! Der sportliche Ehrgeiz hat sich immer nach der aktuellen Belastbarkeit zu richten, die Signale des Körpers sollten wahr- und ernst genommen werden und gegebenenfalls zum Abbruch der Belastung führen. Kein sportliches Ziel kann hoch genug sein, als dass man sich dafür einer gesundheitlichen Gefährdung aussetzen sollte. Legen Sie sich zur Erholung in den Schatten, trinken Sie und kühlen Sie den Körper auch von außen (feuchte Handtücher auf Stirn und Handgelenke, Kopf und Haare befeuchten, Füße ins Wasser stellen o.ä.).

Sechs wichtige Spielregeln

Eigentlich aber ist nicht die Hitze an sich das Problem. Auch in Katar, Dubai oder Bahrain, wo oft 45 Grad herrschen, sieht man joggende Breitensportler. Das Problem ist eher im Verhalten der Menschen in unseren Breiten zu suchen, die eben kühlere Temperaturen gewohnt sind. Dabei braucht man sich keine Sorgen zu machen, wenn man die Spielregeln für die heißen Tage akzeptiert:

1. Joggen Sie am besten früh am Morgen, wenn sich die Luft noch nicht aufgewärmt hat. Abends dauert es zu lange, bis es abkühlt.

2. Im Wald sind die Temperaturen in der Regel niedriger als in der Stadt, wo die Gebäude die Hitze noch bis in die Nacht abstrahlen.

3. Trainieren Sie kürzer als üblich, also beispielsweise nur 35 Minuten statt der gewohnten Stunde. Faustregel: Lieber häufiger und kürzer als selten und lang.

4. Trinken Sie den ganzen Tag über regelmäßig und dosiert und fangen Sie früh damit an. Das Durstgefühl kommt immer etwas zu spät – nämlich erst, wenn bereits ein Flüssigkeitsverlust eingetreten ist.

5. Nehmen Sie gegebenenfalls ein "mobiles Flüssigkeitsdepot" mit auf die Reise, es gibt heute verschiedene praktikable Lösungen – vob der Trinkflasche im Hüftgurt bis zum Trinkrucksack.

6. Nach dem Sport beginnt die Regeneration sofort und damit auch der Ersatz der verlorenen Flüssigkeit. Darum gilt die Aufforderung, im Ziel gleich weiter zu trinken, am besten wenig und oft.

Nicht nur für Sportler gilt übrigens der Rat, auf alkoholische Getränke bei Hitze möglichst zu verzichten- denn Alkohol stört die Fähigkeit des Körpers, seine Temperatur zu steuern. Schade eigentlich.

Thomas Wessinghage

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