Rottacher droht Knast wegen zehn Euro

Viermal soll er schwarzgefahren sein. Keine große Sache, es sei denn man hat Bewährungsauflagen. Ein 69-jähriger Rottacher musste vor Gericht beweisen, dass ihn keine Schuld trifft – sonst droht Gefängnis.

Im Sitzungssaal 2 wurde es eng für einen Rottacher: wegen einer Bagatelle könnte seine Bewährung den Bach runter und er in den Knast gehen.

Im Juni 2015 wurde er das erste Mal erwischt – in der S7 bei Ottobrunn. Dann im Juli 2015 waren Kontrolleure in der S3 in Sauerlach fündig. Im November und Dezember fischten sie den Mann allerdings in Frankfurt am Main aus der S-Bahn – immer ohne gültigen Fahrausweis.

Die Schadensumme betrug kaum 10 Euro. Für den Rottacher, der gestern vor Gericht stand, könnte aber selbst eine derartig kleine Summe fatale Folgen haben. Die im Saal Zwei des Miesbacher Amtsgerichts Anwesenden, konnten deutlich sehen, wie angespannt der Beschuldigte wirkte.

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Unbekannter Fremder mit falschem Ausweis

Zum Tatzeitpunkt unterlag der Mann nämlich Bewährungsauflagen. Selbst eine Bagatelle wie Schwarzfahren hätte ihn ins Gefängnis bringen können. Zu den Umständen befragt, erklärte der Beschuldigte, dass er nicht der Schwarzfahrer sei. „Ich hatte meinen Personalausweis verloren. Ich habe den Verlust erst gar nicht bemerkt“ erzählte er Richter Walter Leitner.

Nachdem er wegen Fahrens ohne Fahrschein angezeigt worden war, habe er erst bemerkt, dass er seinen Ausweis verloren hatte. Der Rottacher hatte dann den Verlust bei der Polizei gemeldet und tatsächlich wurde der Ausweis dann in Frankfurt gefunden. Der Beschuldigte konnte eine Karte des dortigen Fundbüros vorweisen. Auch die Umstände könnten seiner Ansicht nach so nicht richtig sein:

Einmal soll ich auch keinen Fahrschein für ein Fahrrad gelöst haben. Ich bin nie mit Fahrrad unterwegs. Und in Frankfurt war schon gar nicht. Bei meinen Vorstrafen wäre ich doch dumm wegen Schwarzfahrens ins Gefängnis zu gehen.

Richter Leitner hatte die zwei Kontrolleure, die den Schwarzfahrer im Münchner Raum erwischt hatten, als Zeugen vorgeladen. Sie erklärten, wie sie bei einer Kontrolle vorgehen und wie sie die Personalien an Hand von Lichtbilddokumenten aufnehmen. Beide erklärten zwar, die Papiere jeweils genau zu kontrollieren. Aber an den spezifischen Fall vor fast zwei Jahren konnten sich beide nicht mehr erinnern und so auch den Angeklagten nicht identifizieren.

Wilde Geschichte trotzdem wahr

Nach Ansicht des alten Personalausweises, der ja im Frankfurter Fundbüro wieder aufgetaucht war, befand Richter Leitner:

Das sieht aber nach einem deutlich jüngeren Mann aus.

Auch der Staatsanwalt war nicht überzeugt, dass der Angeklagte wirklich der Schwarzfahrer sei. „Ich glaube zwar, dass es sich bei dem verlorenen Personalausweis um eine Schutzbehauptung handeln kann“ erläuterte er „aber nachweisen können wir es nicht.“ Daher forderte er einen Freispruch.

Dem schloss sich der Verteidiger natürlich an. Richter Leitner ging sogar einen Schritt weiter. „Ich bin überzeugt, dass die Geschichte stimmt“, erklärte er in seiner Urteilsbegründung. „Da ist einer mit ihrem Ausweis ganz entspannt gereist und hat, wenn er erwischt wurde, ihren Ausweis vorgezeigt.“

So entging der Angeklagte einer Haftstrafe. Durch den angezeigten Verlust des Ausweises und der Angabe des Fundbüros hielt Leitner die Aussage für erwiesen an:

Sie bekommen sozusagen einen Freispruch erster Klasse.

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