Ein Rumäne stand gestern vor dem Amtsgericht Miesbach – allerdings erst nach erheblicher Verzögerung. Denn zum Termin war er nicht pünktlich erschienen und musste von Polizeibeamten abgeholt und zum Gericht überführt werden. Vor Ort warteten bereits mehrere Stunden Richter Walter Leitner, der Vertreter der Staatsanwalt, Übersetzer und Zeugen.
Der Anlass war ernst: Zwei Fälle der gefährlichen Körperverletzung sollten verhandelt werden. Einer der Fälle spielte sich zwischen dem Angeklagten und seinem Nachbarn ab. Der zweite fand davon losgelöst in einem Club in Rottach statt. Der Streit zwischen den Nachbarn ging bereits seit einigen Jahren bis er schließlich eskalierte.
Der Angeklagten sowie das Opfer des ersten Falls stammen beide aus Rumänien. Sie wohnten zum Tatzeitpunkt in Rottach-Egern im gleichen Haus. Der 29-jährige Hauptangeklagte lebt seit fünf Jahren in Deutschland, hat das Opfer in der Eingewöhnungsphase in Deutschland sogar unterstützt und für ihn übersetzt. Im November 2015 aber schlug er ihn mit dem Stiel einer Metallgartenfackel.
Wie kam es zu diesem Gewaltausbruch?
Der 29-jährige Angeklagte gestand die Tat sofort und zeigte Reue: „Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe“, gab er zu. „Es ist passiert, jetzt muss ich dafür gerade stehen.“ Das Opfer, der ältere Nachbar, habe sich zu einem Streithahn entwickelt. Dieser war in dem Haus als Hausmeister tätig. Er habe ständig seine Mitmenschen beschimpft. Sogar vor der zweieinhalbjährigen Tochter des 29-Jährigen habe er nicht Halt gemacht. Richter Leitner wollte nun aber genau wissen, wie es zu dem Schlag kam.
Der 29-jährige Rumäne, der fließend Deutsch spricht, erklärte, dass der Hausmeister ihn an diesem Tag wieder einmal beschimpft, seinen Penis herausgezogen und sogar dann seine Frau und seine Mutter verbal angegriffen hatte. Auch vom “Kopf abschneiden” sei die Rede gewesen, so der 29-Jährige.
Dann bin ich ausgerastet. Ich bin nicht stolz darauf. Aber was passiert ist, ist passiert.
Er habe sich den nächstbesten Gegenstand, eben die Gartenfackel gegriffen, und nach dem Hausmeister geschlagen – zwei, drei Mal hat er ihn getroffen. Das Opfer habe gedroht, die Polizei zu rufen. Da sei der 29-Jährige dann wieder zu sich gekommen.
Video im Gerichtssaal
Richter Leitner wollte wissen, ob seit dem Vorfall Ruhe zwischen den Streithähnen war. Das bestätigt der Angeklagte: „Wir gehen uns aus dem Weg, reden nicht mehr miteinander. Aber meine Frau hat Angst vor ihm, auch meine Tochter.“ Der Hausmeister hatte während des Angriffs mit dem Handy ein Video aufgenommen, das dem Beschuldigten bei der Verhandlung vorgespielt wurde. Deutlich war zu erkennen, mit welchem Zorn und Aggressivität dieser auf sein Opfer losging. Aber auch die Beschimpfungen seitens des Hausmeisters sind darauf zu hören.
Der wiederum erklärte, er habe sich bedroht gefühlt und konnte nach dem Angriff sogar zwei Wochen nicht arbeiten. Richter Leitner äußerte sich skeptisch:
Aber Sie sind doch direkt danach nach Rumänien gefahren?
Das habe er machen müssen, weil er seine Frau nach Deutschland holte, so der Hausmeister. Er gab zu, dass es vor den Schlägen zu einer Diskussion kam. Der 29-Jährige schulde ihm Geld. Aber handgreiflich sei er nie geworden, beteuert der Hausmeister.
Zum Abschluss seiner Aussage wollte der Hausmeister Richter Leitner noch bitten, eine Art Hausverbot auszusprechen. Er und seine Frau hätten große Angst vor dem Angeklagten. Richter Leitner meinte jedoch:
Dann passt es so. Optimal. Er und seine Familie haben nämlich auch Angst vor ihnen. Gehen sie sich einfach aus dem Weg.
Gast ins Gesicht geschlagen
Nach diesem ersten Fall behandelte das Gericht den zweiten Fall von Körperverletzung, der dem 29-Jährigen vorgeworfen wurde. Dieser ereignete sich in einer Rottacher Discothek. Ein Kellner war an diesem Abend mit Kollegen auf einen Feierabend-Drink dort eingekehrt. Der 29-Jährgie arbeite in dem Club nebenberuflich als Unterstützung der Geschäftsleitung. Aus seiner Sicht war das Opfer der Aggressor:
Das ganze Tegernseer Tal weiß, dass er zu viel trinkt und dann schlägert.
So auch an diesem Abend: Der Gast habe die Chefin und das Personal beleidigt und sei daraufhin aufgefordert worden, das Lokal zu verlassen. Der 29-Jährige habe ihn die Treppe hinauf begleitet und die Türsteher hätten ihn nach draußen geführt.
Ein paar Minuten später sei der 29-Jährige dann vor die Tür gegangen, um eine Zigarette zu rauchen. Dort habe sich das Opfer, das kurz zuvor rausgeschmissen wurde, noch aufgehalten und wieder angefangen zu diskutieren. Der 29-Jährige soll ihm dann verwehrt haben, wieder in den Club zu gehen, woraufhin der Gast bedrohlich auf den Angeklagten zugekommen sei. Er habe ihn dann bei einer Abwehrbewegung ins Gesicht geschlagen.
Diese Abwehr fiel allerdings so heftig aus, dass das Opfer bis heute in zahnärztlicher Behandlung ist. Drei Zähne sind immer noch locker: „Ich musste Schmerzmittel nehmen und eine Zahnschiene tragen”, so der Geschädigte vor Gericht.
Einmal Freispruch, einmal Bewährung
In seinem Plädoyer forderte der Staatsanwalt zehn Monate bei dreijähriger Bewährung, 2.000 Euro Geldstrafe und ein Anti-Aggressionstraining. Richter Leitner wandte sich an den Angeklagten:
Sie haben bei Ihren Angriffen gnadenlos durchgezogen. Das war sehr gefährlich.
Aber er erkannte die Reue und das sofortige Geständnis des Angeklagten in beiden Fällen an. „Ihre Aussage war sehr ehrlich“, so Leitner. „Sie haben Einsicht gezeigt.“ Trotzdem verurteilte er den 29-Jährigen zu zehn Monaten auf Bewährung und 1.000 Euro Geldstrafe zu Gunsten des Weißen Rings.
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