Schade – schade – schade

Dass Lieder-Abende nur für ausgewählte Besucherinnen und Besucher ein Ziel sind – vor allem immer noch dann, wenn es um Schuberts „Winterreise“ geht –, ist eine Tatsache, leider.

Denn was alle, die es nicht erlebt haben, am vergangenen Samstag in der Lounge des Hotel Bachmair Weissach verpasst haben, lässt sich am besten mit der etwas banalen Überschrift beschreiben.

Eine Konzertkritik von Ulrich Hermann:
Es war ein denkwürdiger Abend, der die Erinnerung an Schuberts eigene Lieder-Abende im Kreise seiner Freundinnen und Freunde wachwerden ließ, aber auch an die Tatsache, dass dieser letzte von ihm komponierte Liederzyklus nicht nur damals höchstes Erstaunen und Unverständnis wachgerufen hatte.

Michael Kupfer
Michael Kupfer und Margarita Oganesjan am vergangenen Samstag / Bild: Ulrich Hermann
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Noch heute mutet diese Seelenreise eines von seiner Geliebten Verlassenen merkwürdig neu, verstörend und ergreifend an.

Vor allem dann, wo sie in solch einem intimen Rahmen – für den sie ja auch komponiert wurde – dargeboten wurde vom Bariton Michael Kupfer mit höchst eindrücklicher und ab und an beklemmender stimmlichen und gestalterischen Intensität.

Kongenial begleitet auf einem – nach Schwierigkeiten beim Flügeltransport nicht gerade optimal intonierten – Yamaha-Flügel mit den erstaunlichsten und faszinierendsten Klangfarben und Schattierungen und einer symphonischen Kontinuität sondergleichen von Margarita Oganesjan.

Liebesschmerz und Leid

So entstand vor den Ohren und Augen der Zuhörerinnen und Zuhörer die immer wieder aufs Neue ergreifende Winterreise des jungen Mannes, der all seinen Liebesschmerz und sein Leid in 24 tieftraurigen oder fast manisch-fröhlich-sein-wollenden Liedern in die winterliche Welt hinaussingt. Und sich am Ende – nachdem er bei einem Köhler, der ja auch ein Ausgestoßener war, ein Nachtquartier fand, wo ihn wunderbare, aber realitätsfremde Träume quälten – beim Zusammentreffen mit einem anderen Musiker, dem Leiermann, fragt, ob sie nicht zusammen ihren weiteren Weg machen sollen.

Wie neues Erleben dieser doch fast 200 Jahre alten Seelen-Lieder möglich ist, zeigten an diesem Abend in der sehr passenden, fast familiären und an die legendären Schubertiaden erinnernden Umgebung mit brennendem Kaminfeuer die beiden Künstler, deren gemeinsame Intensität und Hingabe die Lieder wie zum ersten Mal gesungen und gespielt erscheinen ließen.

Michael Kupfer ließ die Dramatik der Schubertschen Tonsprache mit seiner ausdruckvollen – durchaus opernhaft geschulten – Stimme so Realität werden, dass erkennbar wurde, warum der große Richard Wagner solche großen Stücke auf Franz Schuberts Musik hielt. Die doch sehr in die Zukunft weisende Schubertsche Tonsprache, gerade in seinen letzten Kompositionen, wurde eindrucksvoll in dieser Wiedergabe deutlich.

Als nächstes: Bach

Nur schade, dass so wenige Zuhöhrer dem Konzert beiwohnten. Und so wünscht man dieser neuen Konzertreihe im Hotel Bachmair Weisach für die Zukunft ein weiterhin glückliches Händchen und viel, viel mehr Besucherinnen und Besucher, die immer sicher sein können, dass ihnen etwas ganz Spezielles auf höchstem Niveau geboten wird.

Als nächstes kommt am Freitag, den 17. Januar der junge, argentinische Bach-Spezialist Hugo Schuler in den großen Saal des Hotels, wo er eines der absoluten Meisterwerke Bachs, nämlich die Goldberg-Variationen, als Deutschland-Debüt zu Gehör bringen wird.

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