Beleidigung, Bedrohung, Sachbeschädigung, gefährliche Körperverletzung: Der Angeklagte war kein unbeschriebenes Blatt mehr. Im Januar 2016 wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen und hat sich arbeitslos gemeldet. Aufgrund seiner damaligen Lebenspartnerschaft hatte nur Anspruch auf Arbeitslosengeld II.
„Ich bin mit meiner Partnerin gemeinschaftlich veranschlagt worden“, erklärte der 29-jährige Angeklagte aus Bad Wiessee. „Ich allein hätte Anspruch auf Arbeitslosengeld I gehabt. Aber ich habe mich um sie gekümmert. Alles für sie mitgemacht.“ Das wuchs ihm schnell über den Kopf:
Ich will mich nicht rausreden. Aber damals war ich einfach von all dem und auch der Beziehung überfordert.
Denn der Vorbestrafte musste auch schleunigst sein eigenes Leben wieder in den Griff bekommen. Zwei Kinder warteten auf Unterhaltszahlungen. Das Jugendamt hatte deutlich gemacht, dass es sich bei Nichtzahlung an das Gericht wenden müsse. Das würde unter Umständen wieder Knast bedeuten.
Resozialisierung mit Hindernissen
So war der Angeklagte sehr froh bereits im Februar 2016 einen Job als Gebäudereiniger zu bekommen. Anfänglich nur geringfügig, also unter 15 Stunden pro Woche beschäftigt, zeichnete sich der Mann durch gute Leistungen aus und wurde ab Juli als Projektleiter mit mehr Stunden und unbefristet beschäftigt.
Der Arbeitgeber des Beschuldigten wies ihn daraufhin, dass er die Veränderung im Angestelltenverhältnis der Agentur für Arbeit melden müsse. Hier machte der Mann nun einen Fehler. Er informierte seine Sachbearbeiterin beim Job-Center, das dem Landratsamt unterstellt ist, aber nicht die Agentur für Arbeit direkt. Ein als Zeuge geladener Mitarbeiter der AfA erklärte:
In der Regel melden die Job-Center derartige Veränderungen an uns weiter. Meist sind Job-Center und die Agentur für Arbeit im gleichen Haus. Hier aber nicht.
In jedem Fall enthebe das den Leistungsnehmer nicht von seiner Meldepflicht. Der Beschuldigte hätte wissen müssen, dass er seine Leistung von der Agentur für Arbeit und nicht vom Job-Center bezieht und daher hätte er auch die AfA informieren müssen.
Besondere private Belastung
Die Bewährungshelferin beschrieb, dass der Angeklagte keinen wirklichen Überblick über seine finanziellen Verhältnisse habe. „Kontoauszüge wurden nicht angesehen. Offizielle Briefe ungeöffnet weggeworfen“, erzählte sie. „Die Situation mit der Lebensgefährtin war eine echte Herausforderung. Ich kenne die Dame aus einem anderen Fall.“ Richter Walter Leitner: „Ja, ich weiß. Ich kenne sie auch.“
Der Angeklagte betonte immer wieder, dass er Druck vom Jugendamt bekommen habe, damit er seinen Unterhaltsverpflichtungen nachkommt. Er begrüßte den Druck sogar:
Das ist richtig so. Ich zahle jetzt 160 Euro für meinen Sohn und 200 Euro für meine Tochter. Und ich bemühe mich auch, dass ich das Recht bekomme, sie zu sehen.
Er bedauere das Ganze. Er hatte deshalb seinen Fehler damals umgehend gemeldet und auch sofort eine Ratenzahlung für den überhöht gezahlten Betrag vereinbart hatte. So waren bereits 400 Euro zurückbezahlt.
Vom Strafantrag geschockt
Die Forderung der Staatsanwaltschaft trifft ihn dementsprechend – denn nach kurzer Beratung erklärte deren Vertreter, dass sich aus seiner Sicht die Anklage bestätigt hat. Der Angeklagte habe es versäumt, seiner Nachweispflicht nachzukommen. Er habe wissen müssen, dass er der AfA von seinem Beschäftigungsverhältnis hätte berichten müssen. Er habe absichtlich gehandelt und so die Agentur um 1070 Euro geschädigt. Der Staatsanwalt forderte eine Haftstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung.
Die Verteidigerin wies daraufhin, dass ihr Mandant reuig und geständig war. Er sei sich seiner Pflichtverletzung voll bewusst. Auch habe er ja einer Behörde von seiner Tätigkeit informiert, bei der zweiten habe er das ohne bösen Willen versäumt. Zudem zahle er regelmäßig die Raten an die AfA sowie auch die Unterhaltszahlungen für seine Kinder. Seine Resozialisierung sei auf dem besten Wege, der durch einen erneuten Gefängnisunterhalt unterbrochen würde.
Während des Plädoyers brach der Angeklagte in Tränen aus. „Können wir weiter machen?“, fragte Richter Walter Leitner. Nach Zustimmung des Angeklagten verkündete er die befreienden Worte.
Der Angeklagte wird freigesprochen. Denn neben der Betrugshandlung ist auch ein subjektiver Betrugswillen nötig. Den kann ich hier nicht erkennen.
Richter Leitner wies auch auf die Besonderheit im Landkreis hin, dass die AfA in Holzkirchen, das Job-Center aber in Miesbach sei. Mit der einen Behörde habe der Angeklagte in engem Kontakt gestanden, mit der anderen eben nicht. „Sie waren zwar schlampig, aber das ist keine Straftat.“, schloss Leitner die Verhandlung.
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