Tourismusfusion: Schlierseer verteidigen Nein

Aktualisierung vom 24. April / 12:39 Uhr
Nach ihrer Ablehnung der Fusion wenden sich die Schlierseer Gemeinderäte nun in einem offenen Brief an die Bürger. Darin bemängeln sie die mangelnde Bereitschaft der Verantwortlichen, auf ihre Vorschläge einzugehen.

Außerdem, so der Vorwurf, habe man dem Vertrag nicht zustimmen können, da das bisher vorgelegte Konzept „keinerlei Verbesserung der Situation für Schliersee erkennen lässt“.

Die späte Zustimmung Schliersees zur Fusion macht die Gemeinderäte im Tal misstrauisch
Die 18 Schlierseer Gemeinderäte, die gegen die Tourismusfusion gestimmt haben, wenden sich NUN an die Bürger / ArchivBILD

Grundsätzlich, so heißt es in dem offenen Brief, sei die Bündelung gemeinsamer touristischer Energien ein erstrebenswerter Grundgedanke. Allerdings hatte der Schlierseer Gemeinderat offenbar von Anfang an Zweifel an dem Projekt.

Anzeige

In den vier Jahren, in denen sich der Gemeinderat mit dem Projekt beschäftigte, zweifelten sie laut dem Brief an der gerechten Umsetzung der touristischen Vermarktung. Ihre Bedenken seien jedoch nie befriedigend in das Vertragswerk integriert, sondern immer nur protokolliert worden: „Umformulierungen in den Verträgen, die letztlich aber keine Lösung der Probleme darstellten, sind keine Basis zur Befürwortung eines solchen Projekts.“

Letztlich sei es den Verantwortlichen nicht gelungen, das geforderte Vertrauen in das Großprojekt aufzubauen, heißt es in der Stellungnahme der Schlierseer Gemeinderäte. Da man sich in erster Linie den Gastgebern, Bürgern und Gästen verantwortlich fühle, habe man dem Vertragswerk nicht zustimmen können, „da es keinerlei Verbesserung für Schliersee erkennen lässt“.

Durch die Entscheidung der Bürgermeister vergangene Woche ist die Fusion nun erst einmal auf Eis gelegt. Dennoch hofft man in Schliersee, dass eine fruchtbare Entwicklung und Zusammenarbeit in Teilbereichen des Tourismus’ künftig möglich sei. Als Grundgerüst hierfür soll die bestehende ATS dienen. „Natürlich liegt uns auch weiterhin ein vertrauensvolles und konstruktives Miteinander mit allen Gemeinden des Landkreises am Herzen“, so die Gemeinderäte abschließend.

Hier der komplette Brief im Wortlaut:

Seit mehr als vier Jahren setzt sich der Gemeinderat Schliersee bereits intensiv mit dem Konzept und Vertragswerk zur Fusion der Tourismusstrukturen im Landkreis Miesbach konstruktiv auseinander, begleitet von der Firma Project M, beauftragt durch den Landkreis. Trotz des erstrebenswerten Grundgedankens zur Bündelung gemeinsamer touristischer Energien bestanden von uns als zweitstärkste Tourismusgemeinde im Landkreis von Beginn an Zweifel an der personellen, finanziellen und gerechten Lösung und Umsetzung touristischer Vermarktung. Leider bewirkten mehrfach geführte Gespräche keine Annäherung, und Vorschläge stießen nicht auf Akzeptanz. Letztlich ist es den Verantwortlichen in den letzten Jahren nicht gelungen, das immer wieder geforderte Vertrauen in das Großprojekt aufzubauen.

Bis zum heutigen Tag wurden zwar unsere Bedenken immer wieder protokolliert, aber nie befriedigend in das Vertragswerk integriert. Umformulierungen in den Verträgen, die letztlich aber keine Lösung der Probleme darstellten, sind keine Basis zur Befürwortung eines solchen Projektes. Tatsächlich durch uns erreichte Änderungen im Vertragswerk, wie etwa den Umgang mit ,Altlasten‘, sehen wir als finanziellen Erfolg für mehrere Gemeinden, nicht aber als Hauptkriterium für gut funktionierenden Tourismus. Da wir uns in erster Linie unseren Gastgebern, Bürgern und Gästen verpflichtet fühlen, können wir in dieses bis heute vorgelegte Konzept nicht einwilligen, da es keinerlei Verbesserung der Situation für Schliersee erkennen lässt.

Eine fruchtbare Entwicklung und Zusammenarbeit des Tourismus ließe sich im Laufe der Zeit in bestimmten Teilbereichen, wie z.B. Marketing (teilweise bereits umgesetzt), einheitliche Gästekarten, ,Freie Fahrt‘ usw. sinnvoll ausbauen und umsetzen. Die bereits bestehende ATS könnte hierfür als Grundgerüst dienen.

Nachdem der Kreistag aber nun dem bereits feststehenden, nicht mehr verhandelbaren Vertragswerk zugestimmt hatte, sahen wir Schlierseer Gemeinderäte nur durch ein klares Nein die letzte Möglichkeit, wieder in Verhandlungen zu treten. Natürlich liegt uns auch weiterhin ein vertrauensvolles und konstruktives Miteinander mit allen Gemeinden im Landkreis am Herzen, stehen jedoch weiterhin zu unserer Überzeugung und zum Wohle für den Tourismus in Schliersee.“

Die Gemeinderäte
Ursula Bommer, Rolf Dombrowsky, Sylvia Grundbacher, Florian Guggenbichler, Jürgen Höltschl, Pius Kieninger, Gerhard Krogoll, Astrid Leitner, Max Leitner, Benno Lindner, Robert Mödl, Bernd Petters, Christian Pötzinger, Klaus Pusl, Peter Sprenger, Gerhard Weitl, Johanna Wunderle und Florian Zeindl

Ursprünglicher Artikel vom 09. April / 10:28 Uhr mit der Überschrift: Schliersee kippt Tourismusfusion
Es hat alles nichts gebracht. Der Optimismus, der vom Kreistagsbeschluss in der vergangenen Woche ausging. Alle Beratungen in den letzten Jahren. All die Abstimmungen für den Grundsatzbeschluss im vergangenen Jahr waren umsonst.

Schliersee ist gegen die Fusion. Eigentlich wollte man das Thema gar nicht in der Sitzung behandeln. Die Details zur Fusion kamen dann doch auf die Agenda. Das „Nein“ legt den Zusammenschluss nun auf Eis.

Schliersee lehnt die Tourismusfusion mit großer Mehrheit ab

Eigentlich sollte über die Details zur geplanten Fusion von ATS und TTT der neue Schlierseer Marktgemeinderat abstimmen. „Die neuen Gemeinderäte müssen sich dann auch jahrelang damit beschäftigen“, so Bürgermeister Franz Schnitzenbaumer (CSU) auf Nachfrage. Doch es kam anders.

Das Drängen auf die Beschlussfassung

Gleich zu Anfang der gestrigen Sitzung musste „es“ raus. Gerhard Krogol (CSU) stellte den Antrag, den Tagesordnungspunkt 8 „Sachstandsbericht ATS Masterplan Tourismus – Zusammenführung der touristischen Strukturen in der Alpenregion Tegernsee Schliersee“ zu verändern. Aus dem reinen Bericht wurde so mit 17:2 Stimmen ein „Weiteres Vorgehen und Beschlussfassung“.

Und dann kam es, wie es bereits zu erwarten war. Bürgermeister Franz Schnitzenbaumer (CSU) beschrieb die Stimmung in der gestrigen Gemeinderatssitzung als bereits festgelegt:

Ich hatte den Eindruck, alle kamen schon mit einer vorgefertigten Meinung in die Sitzung und haben überhaupt nicht mehr zugehört.

Es war eine recht sachliche Diskussion, so die Einschätzung Schnitzenbaumers. Doch diese zog sich über eineinhalb Stunden hin. ATS-Leiter Harald Gmeiner und der Bürgermeister versuchten vergeblich, für die Details in den Fusionsverträgen zu argumentieren. Auch Ilse Faltermeier (SPD) ist für eine Fusion. Doch genau wie die Ablehnung des Grundsatzbeschlusses Mitte September kam es auch gestern zu einer Ablehnung von Satzung und Integrationsvertrag: 19:2 hieß das Ergebnis. Der Bürgermeister wirkt – am Telefon – enttäuscht: “Ich hätte mir mehr Vertrauen erwartet”.

Schnelles Kreistags-Ja machte stutzig

Die Gemeinderäte hatten mehr Informationen, mehr Details und mehr Beteiligung am Fusionsprozess gefordert. Auch das schnelle Vorgehen stieß auf. In der Kreistagssitzung in der vergangenen Woche war das Plenum deutlich für die Fusion gewesen. Die Ungeduld über das langsame Voranschreiten des Projekts war spürbar gewesen und hatten zu einem raschen Kreistags-„Pro“ geführt. „Wir müssen in der Sache weiterkommen, das ist ein wichtiger Schritt auf Landkreisebene“, hatte Martin Walch gefordert. Auch Sepp Bichler hatte gedrängt:

Die Gefahr bei so wichtigen Entscheidungen ist, dass man den Zeitpunkt einer Entscheidung überschreitet. Jetzt müssen wir den Sack zumachen.

Doch das uneingeschränkte „Ja“ des Kreistages und die Beschlüsse in den ersten Gemeinderäten für die Fusion machte die Schlierseer Gemeinderäte scheinbar stutzig. Alles scheint zu fixiert und keine Änderungen mehr möglich.

Rottach wartet auf die “Neuen”

Auch in Rottach-Egern stand „Neues von ATS und TTT“ auf dem Plan der gestrigen Gemeinderatssitzung. Schnell kam man auf die Fusion zu sprechen. Doch auch in Rottach scheint noch nicht alles klar zu sein. Alexandra Wurmser stellte den Antrag, Satzung und Integrationsvertrag in einer Sondersitzung ausführlich zu behandeln. Der Antrag kam mit 20:1 durch. Schnell wurde klar: der neue Gemeinderat soll sich mit den Details zur Fusion auseinandersetzen. Doch da wusste man noch nicht, dass Schliersee mit ihrem Votum die Zusammenführung gekippt hatte.

Die Wiesseer Gemeinderäte diskutierten gestern intensiv über die finanzielle Situation der Gemeinde. (Archivbild)
Die Wiesseer Gemeinderäte diskutierten gestern ebenfalls über die Fusion und stimmen einstimmig dafür / Archivbild

Neben Rottach war die Tourismus-Zusammenführung auch in Bad Wiessee Tagesordnungspunkt. Nachdem Bedenken geäußert worden waren, zog man sich zu einer kurzen Beratung zurück, um danach einstimmig für die Tourismusfusion zu votieren. Die Abstimmung stand dabei zeitweise auf wackligen Beinen: die Freien Wähler wollten sie auf die nächste Sitzung verschieben.

Georg Overs (TTT) und Harald Gmeiner (ATS) waren in die Wiesseer Sitzung gekommen, um den Räten Rede und Antwort zu stehen. Denn wie Bürgermeister Peter Höß gleich zu Beginn sagte, sei die Tourismus-Fusion nicht nur „sinnvoll, zielführend und zukunftsweisend“, sondern auch mit Bedenken verbunden. Hauptthema war „Wackelkandidat“ Schliersee, der seine für die Fusion nötige Zustimmung bereits vorab in Frage gestellt hatte.

„Wir haben lange die Hand offen gehalten. Jetzt muss sich Schliersee bekennen“, so Bürgermeister Höß. Weitere Bedenken kamen von den Freien Wählern: die Doppelspitze, das noch nicht verankerte Stimmrecht der privaten Gastgeber und die Gestellung der Mitarbeiter. Folglich bat man darum, die Abstimmung auf die nächste Sitzung zu verschieben und auf Schliersee zu warten. Das sahen die restlichen Gemeinderäte anders – „Jetzt oder nie“ – so hieß die Devise. TTT-Chef Overs drängte:

Wir sind brutal daran interessiert, dass das jetzt entschieden wird – die Fakten liegen auf dem Tisch.

Daraufhin stimmten die Wiesseer Räte dem Zusammenschluss zu. „Wenn wir jetzt weiter rumeiern, vergeuden wir wertvolle Arbeitskraft. Wir dürfen das nicht wieder aufs Abstellgleis stellen“, meinte Bernd Kuntze-Fechner (SPD). Schließlich ließen sich auch die Freien Wähler überzeugen. Nach einer kurzen Beratung waren sie einverstanden mit der Abstimmung – sofern ihre Bedenken ins Protokoll aufgenommen werden. Und so kam es zur einstimmigen Entscheidung: 16 Stimmen pro Tourismus-Fusion.

Nur zwei Stunden später kam es dann zum Nein der Schlierseer. Und mit dieser Entscheidung ist erstmal jede Entscheidung in weiteren Gemeindegremien hinfällig.

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Allgemein

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner