Der Artikel dazu erschien am 16. Juni unter dem Titel “Schulen als Drogenumschlagplatz – Harte Drogen in Holzkirchen auf dem Vormarsch”.
Montage nerven, der Kater vom Wochenende geht an die Substanz. Vielleicht war es ein bisschen zu viel diesmal. Naja, egal – Standard. Was tun? Erst einmal eine Konter-Halbe, dazu einen Joint – so lässt sich der Unterricht gleich besser überstehen. Mathe wird dadurch vielleicht nicht verständlicher, aber erträglicher. In der Pause kommt dann die Down-Phase. Was tun? Mit den Kumpels aufs Schulklo und ne Nase Pep ziehen. Das macht wieder fit im Kopf – und vor allem wach. Alles kein Problem. Irgendwer hat immer was dabei.
Danach geht es wieder in den Unterricht. Nur noch drei Stunden, dann ist der Tag geschafft. Was für eine Zeitverschwendung. Wen interessiert dieser Pythagoras? Schule, Noten, Abschluss – alles noch nicht so wichtig mit 14. Außerdem machen das ja alle so. Endlich – 13 Uhr. Jetzt schnell mit den Kumpels auf den Skatepark. Alex hat noch Pappen vom Wochenende.
Was zunächst klingt wie ein Absatz aus Christiane F.s Kultbuch “Wir Kinder vom Bahnhof Zoo”, ist inzwischen trauriger Alltag in Holzkirchen. Das Thema ist hochbrisant: Erst kürzlich gab es einen weiteren Drogentoten im Umkreis von Holzkirchen. Konsumieren gehört inzwischen einfach dazu. Die User werden dabei immer jünger und der Trend geht hin zu chemischen Drogen: Besonders beliebt sind LSD, Pep/Speed, Crystal, MDMA und Extasy Pillen.
Kiffen reicht nicht mehr
„Vor ein paar Jahren war das alles noch anders“, erinnert sich Insiderin Marina. Damals wurde „nur“ gekifft. Einige wenige – und die waren älter – haben natürlich auch andere Sachen genommen. Aber das waren Einzelfälle. Doch in den letzten Jahren habe sich das geändert.
Bestätigen kann das auch der 20-jährige Florian. Er selbst kifft und wirft sich an Wochenenden ab und an eine Extasy-Tablette ein.
Ganz normal eben. Aber was mit den Kiddies auf uns zukommt ist abnormal. Die ballern sich mit 13 schon Pep, MDMA und LSD rein. Das ist wirklich krass.
Besonders beliebt bei den Teenagern sind Amphetamine, in der Szene auch „Pep“ oder „Speed“ genannt. Das weiße Pulver wird durch die Nase gezogen und ist mit einem Preis von zirka zehn Euro pro Gramm, genug für fünf bis sieben Trips, verhältnismäßig günstig.
Die Wirkung ist stark euphorisierend. Neben dem Selbstwertgefühl wird auch die körperliche Aktivität massiv gesteigert. Die Droge ist dabei vor allem als Wachmacher bekannt – bis zu drei Tage lässt es sich auf Speed durchfeiern.
Schulen als Drogenumschlagplatz
Dabei wird längst nicht nur an Wochenenden konsumiert. Das weiß auch Mittelschuldirektor Eugen Preiß: „Ich fürchte der Konsum ist ziemlich massiv. Die Fälle mit Drogen sind definitiv mehr geworden.“ So konnte Preiß über die Jahre beobachten, wie sich die Drogen immer stärker verbreiten. Ein wesentliches Problem sei die Verfügbarkeit von nahezu allem: „Wenn du was brauchst, dann bekommst du es auch. So einfach ist die Sache – jederzeit und alles was du willst“, erklärt Marina, „Inzwischen ist es sogar so weit, dass die Älteren bei den Jüngeren kaufen.“
Bei der Beschaffung der Drogen spielen die Schulen eine wichtige Rolle als Umschlagplatz für die oftmals minderjährigen Dealer. Hier trifft sich Angebot und Nachfrage. „Zunächst will man sich nur den eigenen Konsum finanzieren, doch irgendwann wird es immer mehr und das ganze wächst dir über den Kopf.“ Anstatt die Probleme zu lösen folgt die Verdrängung im Rausch.
Lehrer sind machtlos
„Klar bemerken wir das, wenn Schüler mit auffälligen Augen im Unterricht sitzen und sich komisch benehmen“, erläutert Schuldirektor Preiß, „Aber uns sind die Hände gebunden. Wir können es uns denken, sehen es, aber dürfen im Prinzip nichts machen.“ Zwar arbeite man eng mit der Polizeiinspektion Holzkirchen zusammen, aber die Befugnisse der Lehrer sind begrenzt.
So darf ein Lehrer selbst bei einem Verdachtsfall nicht in die Tasche eines Schülers schauen. Lehrer, die sich über dieses Verbot hinweggesetzt hatten, wurde von Eltern bereits mit dem Rechtsanwalt gedroht. Das sorgt natürlich für Zurückhaltung seitens des Kollegiums.
Polizei sieht die Lage entspannt
Wirft man einen Blick auf die Kriminalstatisitk der Polizei, zeigt sich ein überraschendes Bild: Noch 2013 war die Anzahl der Drogendelikte im Landkreis Miesbach mit 295 fast doppelt so hoch, wie im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen mit 154 Delikten. Im Folgejahr 2014 gingen die Eintragungen dann auf 256 zurück, während die Delikte im Nachbarlandkreis auf 284 anstiegen.
“Solche Schwankungen liegen auch daran, dass wenn ein größerer Dealer samt Helfer gefasst wird, auf einen Schlag 50 Delikte und mehr aufgenommen werden”, teilt eine Sprecherin der Polizei mit. Das habe dann natürlich enorme Auswirkungen auf die Zahlen.
Was die Statistik aber nicht erfasst, ist die Dunkelziffer. Denn Drogendelikte werden nur dann aufgenommen, wenn auch Kontrollen stattfinden. Und die finden auf Schulhöfen wenig bis gar nicht statt. Werden 13-Jährige also beim Drogenkonsum unterschätzt? “Wir gehen in diesem Alter eher von Zigaretten und Alkohol aus”, bestätigt die Sprecherin.
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