“Schwarze Piste” – ein Mord am Wallberg

„Kreuthner stand am Wallberghaus, um ihn herum vierzehn Frauen meist mittleren Alters. Er hielt seinen Skistock hoch, um einer Nachzüglerin anzuzeigen, wo die Gruppe war. Kreuthner hatte gestern in der Schießstätte vorbeigeschaut … und die Sennleitnerin hatte ihn an den Tisch gebeten, damit er etwas über die Tote am Wallberg erzählte.

Das Vorkommnis war auf dem besten Weg zur Legende und kam in immer neuen Versionen mit unglaublichen Details daher. In einer Fassung gab es sogar zwei Leichen mit aufgeschlitzten Bäuchen. Damit hatte Kreuthner nicht dienen können. Dafür aber mit vielen anderen Einzelheiten, die die Damen aufs Äußerste erregten.”

Andreas Föhr, anläßlich der Buchpremiere zu Schwarze Piste am 6. November 2012 im Wappensaal des Hofbräuhauses am Platzl im Rahmen des Münchner Krimifestivals. Quelle: Richard Huber

Heile Natur und heillose Naturen

Aus dem Kontrast von heiler Natur und heillosen Naturen lässt Andreas Föhr – einst am Tegernsee aufgewachsen – sein Buch mit dem Titel “Schwarze Piste” entstehen, das friedloser nicht daherkommen könnte. Das Tegernseer Tal verspricht Idylle und Ruhe. Um so verstörender, wenn in dieser Bilderbuchkulisse das Verbrechen seine blutigen Spuren hinterlässt. Noch dazu lässt Föhr fast alle seine Bücher im Winter spielen.

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Auch Föhrs vierte Geschichte „Schwarze Piste“ spielt in der Jahreszeit, in der uns der Kontrast von in weißen Schnee gefallenes rotes Blut einen noch größeren Schrecken einjagt als wenns draußen grün ist. Und auch in seinem vierten Krimi spielt das Bier wieder eine Rolle. Zusätzlich wird reichlich Schnaps eingeschenkt. Etliche Kapitel lässt der 54-jährige in Wirtshäusern spielen und beschreibt diese dabei so genau, dass jeder Einheimische sich fühlbar selbst am Stammtisch sitzen sieht.

Wer ist Täter, wer ist Opfer?

Der Fall beginnt mit einer relativ skurrilen Situation, in der „Böse“ und „Gute“ kurz auftauchen. Beispielsweise Baptist Krugger, der Sohn eines Kerzenziehers, der ein geheimnisvolles Doppelleben führt. Oder Sophie Kramm, die in ihrem dunkelblauen BMW eine undurchschaubare Verfolgungsjagd anzettelt. Auch Jörg und Annette, die mit Sophie in einer Wohngemeinschaft leben, treten kurz in Szene. Und dann ist ja noch ein Frank, der Ställe ausmistet, als hätte er sein Lebtag nichts anderes getan. Der aber trotzdem ein wenig zu still wirkt, so als wolle er um keinen Preis auffallen.

Wer ist Täter – wer Opfer – wer hat mit der ganzen Sache gar nichts zu tun? Autor Andreas Föhr lässt es – natürlich – anfangs noch im Dunkeln. Kriminell gut strickt er seine Geschichte, in der sich immer neue Verbindungen und Zusammenhänge auftun, die teilweise jahrelang zurück in die Vergangenheit führen.

Weiß wie Schnee – rot wie Blut – schwarze Piste

Die ersten fünf Kapitel des Krimis spielen im September 2008. Eine Szene, in der eine Person auftaucht – der Kleinkriminelle Stanislaus Kummeder, der eigentlich in Föhrs Buch „Schafkkopf“ bereits am Riederstein gestorben war – macht das ganze nur noch verwirrender, aber auch spannender. Die Kapitel in der Vergangenheit sind schon deshalb interessant, weil die Geschichte aus diesen Teilen den Großteil ihrer Spannung bezieht.

Andreas Föhr bei seiner Lesung in Holzkirchen

Durch die Blicke zurück wähnt man sich als Leser oft einen oder auch mal ein paar Schritte dem Kommissar Wallner und dem Kommissar Kreuthner voraus. Man kann selbst Vermutungen anstellen und mögliche Zusammenhänge suchen. Trotzdem bleibt die Auflösung des Falles bis zum Ende hin spannend, trotz der zeitlichen Wechsel und eventueller Erkenntnisse.

„Mit sozialistischem Gruß“

Föhr führt seine Leser tief hinein in die RAF-Symphatisantenszene, die ihn selbst reichlich beschäftigt, seit er einen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes interviewt hatte. „Wie kommen ein Jurist und Vorstandsmitglied einer Bank und eine Sozialpädagogin mit einem Gnadenhof dazu, jemanden zu ermorden? … Recherchiert mal, ob es aus der Zeit irgendwelche Verbindungen gibt. Wo haben sie gewohnt, waren sie im AStA, Studentengruppen und so weiter. Die Mail von Stalin lässt darauf schließen, dass Sophie Kramm politisch aktiv war. „Mit sozialistischem Gruß“ und dieses Zitat aus den Marx-Engels-Werken.“

Föhr macht mit diesen Einblicken eine Schublade auf, die die allermeisten nicht kennen und die dadurch umso interessanter wird. Bei aller Spannung gibt es im Buch jede Menge zu Lachen. Föhr versteht es, Kreuthners unorthodoxe Methoden und sein loses Mundwerk genauso gut in die Geschichte einzubauen wie erotische Nummern oder kleine Geschichten um den ewig frierenden Kommissar Wallner.

Allgemein war zutiefst bedauert worden, dass man nicht selbst dabei gewesen war. Das wiederum hatte Kreuthner auf eine Idee gebracht: Er bot an, die Frauen an den Tatort zu führen … „So, jetzt horcht’s amal her, Madln“, begann Kreuthner seine erste Ansprache als Fremdenführer. „Ihr kennt’s den Wallberg. Vorn runter is koa Kindergeburtstag. Also: schwarze Piste. Wer sich das nicht zutraut, den müss ma leider jetzt verabschieden.

Das Covermotiv zeigt eine kontrastreiche, halb-religiös orientierte Collage aus Skiern und Nikolaus. Das ansonsten bei Föhr übliche Kreuz auf dem Cover wurde wenigstens durch die überkreuzten Brettln angedeutet.

Dass auf jedem Cover ein Kreuz vorkommt ist wohl als Anspielung zu verstehen auf eine Region wie dem Tegernseer Tal, in der der Glaube eine größere Rolle spielt als anderswo.

Mit diesem neuen Lesestoff kommt bestimmt kein Föhr-Fan zur Ruhe. Aus Tradition hatte der Autor seinen vierten Krimi auch in Holzkirchen vorgestellt. Im kommenden Mai will er es „am Tatort“ lesen – auf dem Wallberg. Vielleicht ist dann schon eine neue Mordgeschichte im Entstehen? Wer weiß das schon …

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