Am 11.11. beginnt offiziell der Fasching. Doch im Pandemie-Jahr ist alles anders. Auch die Gmunder Seegeister müssen auf ihre Tradition verzichten. Einen kleinen Ersatz gibt es aber trotzdem.
Ein Artikel von Sabiene Hemkes
In diesem Jahr wird es keinen Sturm auf das Gmunder Rathaus mit Schlüsselübergabe geben, kein neues Prinzenpaar wird inthronisiert. Sogar auf den noch im Oktober als alternativ angedachten Ramadama auf dem Dorffestplatz müssen die Narren der Seegeister Gmund-Dürnbach pandemiebedingt verzichten. Ebenso verkünden die Haushamer Crachia bedauernd die Verschiebung der 61. Sitzung des Elferrats auf den November 2021. Wir haben mit Peter Ettenreich, dem 1. Vorsitzenden der Seegeister Gmund-Dürnbach e. V. über die aktuelle Situation gesprochen.
„In Zeiten der Corona Pandemie ist der Fasching, so wie wir ihn lieben, einfach nicht feierbar“, sagt Ettenreich mit spürbarem Bedauern. Der langjährige Vorsitzende des ältesten Fasching Vereins Oberbayerns ist zurzeit ein gefragter Gesprächspartner. Leider aus traurigem Anlass. Er muss seinen Mitgliedern aber auch den zahlreich im Tal lebenden Freunden des Faschings verkünden, was so schon lange vermutet wurde: Alle Veranstaltungen für die Session 2020/21 sind abgesagt. Er erzählt weiter:
Natürlich rechnen wir schon seit Beginn der Pandemie mit Einschränkungen für den Fasching im Herbst. Aber man hat ja immer Hoffnung! Vielleicht geht doch noch irgendwas.
Im Sommer mit den sinkenden Infektionszahlen habe man noch versucht das Training für die neuen Programme der Garden wieder aufzunehmen. Die junge Garde trainierte mit dem vorgeschrieben Mindestabstand im Hof von Ettenreich. „Aber wie soll das gehen. Mal ehrlich. Die Garden halten keinen Abstand beim Tanzen – das wird sich eingehakt, angefasst und gebusselt. So ist das im Fasching. Mit Coronaregeln wird daraus besseres Schattenboxen!“
In Herbst 2020 geht also nichts – eigentlich nirgendwo. Von Rio über die Karnevalshochburgen am Rhein bis zu unserem Tal ist alles abgesagt. Man befindet sich in bester „trauriger“ Gesellschaft.
Ein richtiger Narr, lässt sich nicht unterkriegen
„Wir kommen aus der Mitte der Gesellschaft. Als Familienverein tragen wir Verantwortung und als Narren sind wir grundsätzlich sozial und solidarisch. Zudem sind wir in der glücklichen Lage uns um das Finanzielle keine Sorgen machen zu müssen. Zwar fällt wohl wieder unsere traditionelle gemeinsame Reise nach Aschermittwoch aus, dafür planen wir mit den Kindern und Jugendlichen ein Wochenende an der Isar.“ Andere im Tal treffen die Einschränkungen dieser Tage viel härter als uns Narren, fügt er noch hinzu.
In der 141-jährigen Geschichte der Seegeister kam es immer wieder zu Absagen und Verschiebungen des Faschings. Nicht nur während der beiden Weltkriege, sondern auch zu Beginn des Irak Krieges 1991 und nach dem verheerenden Tsunami Weihnachten 2004 in Asien fand der Fasching im Tal gar nicht oder nur sehr eingeschränkt statt.
Aber was ein richtiger Narr ist, der lässt sich nicht unterkriegen. Und Narren gibt es mehr als man meinen mag. In Deutschland leben 2,6 Millionen aktive Karnevalisten, davon allein 700.000 Kinder und Jugendliche. Aufgeteilt auf 35 Regionalverbände – für Oberbayern ist das der Landesverband Oberbayern im Bund deutscher Karneval e. V. – organisieren sie sich alle im Karneval Bund Deutschland. Eine buntgemischte Schar aus allen Bereichen der Gesellschaft. Sie alle feiern Karneval, Fasching oder die Fastnacht. Jeder Verein mit den individuellen Eigenarten seines regionalen Brauchtums. Am 11.11.2020 um 11:11 Uhr vereinigen sich alle Narren zum „Sturm auf das WorldWideNet“.
Fasching im Internet
In der Pressemitteilung des Karneval Deutschland heißt es: „Die „Erste Digitale Bundesweite Sessionseröffnung des Bund Deutscher Karneval e.V. in Kooperation mit dem Verband Saarländischer Karnevalsvereine e.V. findet am 11.11.2020 ab 10.45 Uhr live auf Facebook und YouTube statt. Wir freuen uns auf zahlreiche virtuelle Gäste aus dem ganzen Bundesgebiet, auf spannende Rückblicke aus der vergangenen Session und natürlich auf den neuen Song des Bund Deutscher Karneval e.V., der zur Eröffnung der Session 2020/2021 offiziell vorgestellt wird.“
„Das gab es noch nie!“, erklärt der Vorsitzende der Seegeister, dem durchaus etwas anzumerken ist, dass er noch nicht so ganz von der Idee des digitalen Faschings überzeugt ist. „Wir haben gestern auf einer Videokonferenz des Verbandes beschlossen, diesen Online Event zu unterstützen. Das ist mal was Neues!“ Nicht ohne im Nebensatz anzumerken, dass aber auch online die Garde nicht vernünftig tanzen könnte.
Trotzdem lädt er alle Karnevalisten und Leser der Tegernseer Stimme herzlich ein den Sessions Start am 11.11. gemeinsam mit ihm bei Facebook und YouTube zu feiern. Die Onlinevariante sei zwar kein adäquater Ersatz für den Rathaussturm aber besser als gar nichts. Gefragt, ob er selbst denn am kommenden Mittwoch in Gardeuniform vorm Bildschirm verbringen würde antwortet er:
Das wäre meiner Frau wohl kaum zu erklären, aber ich habe gestern einen schwarzen Prosecco (Anm. der Red.: Roter Prosecco mit Schokolade) geschenkt bekommen. Vielleicht gönne ich mir ja den prickelnden Trauertrunk und schwelge in der Erinnerung des letzten Rathaussturms und sammle Kraft für die nächste richtige Faschingssaison. Denn die kommt bestimmt.
Ganz zum Schluss hat Herr Ettenreich aber auch noch verraten, dass die Seegeister zumindest einen kleinen Plan B haben. Sollte es das Infektionsgeschehen zu Jahresbeginn zulassen wären sie natürlich in der Lage den einen oder anderen Auftritt – auch im Freien – auf die Tanzbeine zu stellen.
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