Seefest Rottach-Egern: Alpenkoks und Glanz und Gloria

Das Seefest in Rottach-Egern war in jeder Hinsicht heiß. Nur die Jugend blieb cool. 

So geht Party. Seefest-Rock’n Roll. Foto: Jennifer Hartmann.

Es gibt Seefeste, die sind einfach Seefeste: Gemütlich, ganz nett. Und es gibt das Seefest in Rottach-Egern. Ein Seefest, das alles ist – nur nicht seicht. Laut, lässig, traditionsreich und schickerialastig – aufregend für Klein und Groß. Fülle in jeder Hinsicht: Die Rolex- und Botox-Dichte ist bei diesem Seefest im Tal besonders hoch, die von Münchner Nummernschildern, elegant gekleideten Frauen und Männern, Dirndln und Trachten ebenso. Und mittendrin ich. Die Zugeroaste aus Berlin, die das kontrastreiche Spektakel fasziniert beobachtet. 

Team Segelschuh vs. Team Trachtenverein

Als Berlinerin irritiert mich ein wilder Mix nicht. Im Gegenteil. Ich mag diese Vielfalt. Nur, dass in Berlin der Punker neben der Dame im Pelz in der U-Bahn sitzt, der Selbstgespräche-Führende mit wirrem Blick neben dem herausgeputzten Yuppie und der Hipster neben dem Öko. In Rottach-Egern ists halt Team Segelschuh vs. Team Trachtenverein. Hot!

Heiß ist auch die Luft. Und wie! Doch die Vorfreude auf eine Fahrt mit dem Segelkutter des Hotels Der Westerhof über den Tegernsee spornt mich an, mich zur Anlegestelle gegenüber vom Haltmair am See, zu schleppen. Und dann warte ich. In der Hitze. Irgendwann mit den Beinen im Wasser. Dann auf dem Bankerl im Schatten. Und dann kommen Klausi und Ludwig. Zwei freche Buben, die Besseres zu tun haben, als sich in Lederhosen schwitzend unter die Menge zu mischen.

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Öfter ins kalte Wasser springen

Sprung ins kühle Nass. Da hält auch keine blutende Ferse auf. Foto: Lena Vanessa Müssig.

Klausi und Ludwig machen, was man an so einem Tag machen sollte: ins Wasser springen. Mal Arschbombe, mal mit gruselig nach Genickbruch aussehendem Hechtsprung. Sie springen mit so viel Lebensfreude und jugendlichem Leichtsinn, dass ich den in mir aufsteigenden Hitzekoller schlichtweg vergesse. Und noch etwas verdanke ich den beiden. Ich bin jetzt um einen bayerischen Insider reicher.

Was bitte ist Alpenkoks?

“Ich steh’ nicht so auf Alpenkoks”, grinst der kecke Jugendliche den Mann in Lederhose und Schürze an, der sich genüsslich eine Substanz vom Handrücken in die Nase zieht. Wie kann man so schamlos sein, frage ich mich. Und was bitte ist Alpenkoks? Hä? Mit meiner letzten der Hitze trotzenden Hirnzelle googele ich und muss laut lachen: Alpenkoks ist Schnupftabak. Wieder was gelernt. Bairisch für Anfänger. Check!

Der coolste Hotspot des Seefests

Lässig segeln, das können die Jungs und Mädels vom Westerhof. Foto: Lena Vanessa Müssig.

Längst hat sich die Anlegestelle am Haltmair zum inoffiziellen Hotspot des Seefests gemausert. Sehen und gesehen werden? Kann warten! Da zieht die schicke Münchnerin ihr sündhaft teures Dirndl aus und hüpft in den See, dann entledigt sich der durchgeschwitzte Bursche vom Grillstand seiner Schürze und springt hinterher, gefolgt von einer Gruppe Touristen. Und ich? Ich habe naiv die Badesachen im Auto gelassen und kann den Badenden nur neidvoll zuschauen. Als plötzlich das Westerhof-Segelschiff mit etwas Verspätung auftaucht, konnte ich mein Glück kaum fassen. Nein, keine Fata Morgana – endlich eine frische Brise!

Vom Winde verschrien

Die frische Brise kühlt meine Haut, das glitzernde Wasser in der gleißenden Nachmittagssonne verzaubert mich, der ausgeschenkte Prosecco sorgt für einen zarten Rausch, der den Anblick der – wie schwerelos über den See gleitenden Paraglider – noch faszinierender machte. Gänsehaut! Ein Gast an Bord sieht das anders. Korbinian. Zur Feier des Tages haben die Eltern den kleinen Buben in eine winzige Lederhose gesteckt. Er sieht zuckersüß aus, keine Frage. Aber: Die Magie des Moments stört der kleine Mann gewaltig. Stimmgewaltig! Von Anfang bis Ende schreit er so laut, dass mir die Hitze an Land doch als die angenehmere Alternative erscheint.

Eine Kugel G-Klasse-Eis, bitte

Von Leopolds hochfrequenter akustischer Untermalung neu energetisiert, lasse ich mich zurück an Land von den sommerlich strahlenden Besuchern des Seefests mitreißen und schlendere von Stand zu Stand. Richtung Malerwinkel klettert das Preisniveau passend zum Thermometer: teils in schwindelerregende Höhe. Eine Kugel Eis für 2,50 Euro. G-Klasse-Eis! Der Natur-Crêpe: 5 Euro. Okay. Dafür sind die Getränkepreise an den meisten Ständen wirklich human. 3,50 Euro für ein Bier, 6 bis 7 Euro für einen Aperol Spritz. Sympathisch! Das sieht auch Besucherin Heike aus der Pfalz so. “Der Tegernsee ist ein Ort für alle. Wir kommen schon seit Jahren im Sommer ins Tal. Ein absoluter Happy Place!”, strahlt sie und widmet sich dann wieder ihrem Aperol.

Ein Hauch Berlin im Tal 

Am Bootsverleih Malerwinkel erspäht mein Berliner Auge etwas Vertrautes. Ein älterer Herr steht im Schatten einer Hauswand und verspeist genüsslich eine Currywurst. “Eine Currywurst am Tegernsee?”, fragte ich ihn. “Is dit nich herrlich?”, lacht er mich an. “Een Stückchen Heimat ist dit für mich”. Genau wie ich ist ‘Currywurst-Peter’ aus Berlin ins Tal gekommen. Das Seefest in Rottach-Egern sei für ihn ein Muss. Warum? “Weil dit so schön ist, dieser irre Menschen-Mix. Dit erinnert mich irgendwie an Berlin, wa? Nur eben high-end. Schicker. Und uriger”. Ich nicke ihm zu. Genau dieser Gedanke ist mir vor einigen Stunden auch durch den Kopf gegangen.

Ein süßes Ende mit Knall

Ein wenig gerührt und vom vertrauten Berlinerisch irgendwie entspannt, laufe ich Richtung Ausgang. Davor mache ich einen letzten Stopp an den Ständen des Lions Clubs Tegernsee. Ihrem Leitsatz “we serve” (übersetzt “wir dienen”) machen die Mitglieder des Vereins alle Ehre. Gut gelaunt bereiten sie allerlei regionale Köstlichkeiten zu – und das zu wirklich vertretbaren Preisen. Der frische Kaiserschmarrn mit Apfelmus für 7,50 Euro rundet meinen Besuch auf dem wunderbaren Seefest perfekt ab. 

Zurück im Auto wartet dann die nächste heiße Überraschung auf mich: Die Klimaanlage hat den Geist aufgegeben. Doch das ist dann irgendwie stimmig. So ein Fest muss eben vor Hitze flimmernd enden. Und es endet nicht nur für mich mit einem Hitzeknall. Das Unwetter in der Nacht beendet das wohl heißeste Fest des Jahres im Tal mit einem Superknall. Zum Glück erst, nachdem das Feuerwerk diesen Sommernachtstraum schillernd ausklingen ließ

 

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