Der Grüne Raum in Bad Wiessee wird erneut zum „Sehnsuchtsraum“. Diesmal zeigt Katrin Hering ihre hochästhetischen, minimalistischen Papierkunstarbeiten, begleitet von Robert Krauses Makrofotografien, die diese geheimnisvoll verfremden.
Papier – gestanzt, gelocht, durchbrochen, geschlitzt. Das ist das Medium der Künstlerin Katrin Hering. Wenn sie von Papier erzählt, bekommen ihre Augen diesen eigentümlichen Schimmer und ihre Hände scheinen über die Qualität des Papiers zu streichen, es zu prüfen. Eignet es sich oder nicht, um ihre Ideen umzusetzen?
Papier habe es ihr schon immer angetan, erzählt die Miesbacherin im Interview mit Monika Ziegler bei der Vernissage ihrer Ausstellung im Grünen Raum in Bad Wiessee. Dabei war ihr als Mathematikerin vermutlich eine eher naturwissenschaftliche Karriere vorbestimmt. Aber es sollte anders kommen. Das Einseitige der Branche langweilte sie schließlich. Sie habe etwas mit den Händen machen wollen. Vielleicht war anfänglich sogar noch nicht klar, dass der Weg dorthin führt, wo sie die Exaktheit der Mathematik mit der Schönheit und Ästhetik der Kunst in Einklang bringen würde. Er führte zuerst in eine Buchbindewerkstatt.
Geblieben sind seitdem das Papier und die Buchbindewerkzeuge, mit denen ihre höchst poetischen, meistenteils in monochromem weiß gehaltenen Bilder entstehen. Es ist aber nicht so, dass nichts darauf passierte, so ganz Weiß in Weiß. Es passieren allerhand Zwei- und Dreidimensionalitäten, Licht und Schatten, Muster und Strukturen. Manchmal muss man sehr nahe herantreten und sehr genau hinschauen. Manchmal sind es hauchfeine Ausstanzungen. So fein, dass es einen scharfen Blick braucht, um die Strukturen zu erkennen. Und manchmal entwickeln gestanzte Löcher unterschiedlicher Größen durch den Abstand zum Hintergrund und den daraus resultierenden Schatten ein Eigenleben.
Das Licht ist so existenziell wie die Qualität des Papiers. Einen leichten Schimmer hat es in seiner Mattheit. Je nachdem wie die Ausstanzungen, die Löcher oder Halbmonde, Kreise und Ellipsen angeordnet sind, ergeben sich immer wieder neue Muster in Licht und Schatten. Ein kleinformatiges Bild, bestehend aus einem einzigen, gezielt platzierten kreisförmigen Element, dreht Katrin Hering in ihrer Hand und wird nicht müde, sich darüber zu begeistern, wie mit jedem Grad der Drehung durch das Zusammenspiel von Objektform und Licht immer wieder Neues sichtbar wird.
Monika Ziegler, Vorsitzende von KulturVision und promovierte Physikerin, hat noch einmal genauer nachgehakt bei der Mathematikerin. Sie müsste ihrem Beruf nach alles genau machen, mathematisch genau. Aber das sei nicht der Fall.
In der Exaktheit der Platzierung der minimalistischen Stanzmuster gäbe es immer wieder Ausreißer. „Die, die aus der Reihe tanzen, machen es interessant“, stellt sie fest. Das ist gewollt von Katrin Hering, und hier kommt die Berufung ins Spiel; genau hier wirken Künstlerin und Mathematikerin miteinander – wenn die Ordnung auseinanderfließt.
Hier setzt auch Robert Krause mit seinen Makroaufnahmen an. Bei den Wiederholungen und den Unregelmäßigkeiten, bei Licht und Schatten, dem Spiel mit den Größenverhältnissen und Dimensionen. Der in Miesbach lebende Regisseur, Drehbuchautor und Fotokünstler ist zuerst mit seinem fotografischen Auge, dann mit der Kamera hineingekrochen in die Papierkunstwerke. Mittels der Makrofotografie verfremdet er diese. Sind das noch Abbildungen der Stanzungen in Papier oder doch eher Ausschnitte gigantischer Turbinenteile aus dem Flugzeugbau? Durch die Verfremdung entstehen Illusionen neuer Welten und damit neue Geschichten.
Einen Bruch in Katrin Herings bisherigen Schaffen, in dem das Stanzen im Mittelpunkt steht, bildet eine Serie farbiger, aufgesetzter Punkte. „Langweilig ist es, wenn der Punkt dort sitzt, wo er hingehört“, erläutert sie, „dann muss ich ihn ein wenig verschieben.“ In der Mathematik liegt gewiss eine gleiche Schönheit wie in der Kunst. Die Systematik hat etwas wunderbar Verlässliches, Greifbares – ein minimales Verschieben der Regel jedoch regt die Fantasie an und bringt Spannung.
Der Versuch der Betrachtenden, die Fotografien Robert Krauses den Originalen aus Papier zuzuordnen, scheitert. Es wäre zu einfach. Oder: Dann wäre es wieder Mathematik, das Zuordnen des Gleichen. Aber wir haben es mit Kunst zu tun. Und mit der Sehnsucht nach Harmonie im Unperfekten. Wie der rote Punkt genau dort sitzen muss, wo er nicht hingehört, geben sich auch die Fotografien mit Halbheiten nicht zufrieden. Letztendlich ist es nicht nur ein Spiel mit ungewohnten Sehweisen, sondern auch mit der Sehnsucht. Schließlich steckt der Wortstamm des einen im anderen.„Sehnsucht“ ist das Thema, das die Ausstellungen im Grünen Raum des Kulturmanagers Carsten Gerhard verbindet. Katrin Herings Sehnsuchtsort ist die Natur. Zwei Bilder der Serie „Bäume“ sind nicht gestanzt, sondern geschlitzt. Darüber „trudeln“ kleine Halbmonde wie vom Wind verwehte Samen, oder versammeln sich zu Blüten. Das Bild „Sommerregen“ erinnert Katrin Hering an ihre Sommer auf der Alm, wenn die ersten Tropfen fallen. Der Sehnsuchtsort von Regisseur und Drehbuchautor Robert Krause ist die Kinoleinwand. Zu seinen erfolgreichsten Drehbüchern gehört die Dramaserie „Sisi“.
Die Ausstellung mit Papierkunst von Katrin Hering und Fotografien von Robert Krause im Grünen Raum in der Sanktjohanserstr. 2 in Bad Wiessee ist noch bis zum 16. März immer am Freitag und Samstag von 14:00 bis 18:00 Uhr zu sehen. Am 13. März um 19:30 Uhr gibt es im Grünen Raum eine „Klappstuhl-Lesung“ mit Robert Krause und Auszügen aus seinen „Sisi“-Originalskripten. Bitte eigene Klappstühle mitbringen.
Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im Online-Magazin KulturVision am 19.02.2024 | Ein Beitrag von Ines Wagner.
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