Senioren leben ihr inneres Kind aus

Fit bleiben, aktiv sein, Gleichgesinnte treffen, die Sorgen zuhause lassen – die Motivationen der zwölf Senioren regelmäßig auf der Bühne zu stehen sind zwar grundverschieden. Aber gemeinsam ist der fidelen Schauspielertruppe der Spaß am Theaterspielen. Und das können sie auf der Bühne ausleben.

Die Protagonisten Gerti Wanninger und Traudl Möhrle (von rechts) spielen erst seit kurzem im Seniorentheater, dafür aber mit Herz und Seele.
Gerti Wanninger und Traudl Möhrle (von rechts) spielen erst seit kurzem im Seniorentheater, dafür aber mit Herz und Seele.

„Frau Lallinger“ ist ein echtes Lästermaul. Im grün geblümten Kittel, diebische Freude in den Augen, steht Traudl Möhrle auf der Bühne, die einen Marktplatz darstellen soll, und mimt eine urbayerische Klatschtante. Die Augen weit geöffnet, die Stimme mal laut mal leise, die Gesten groß lästert die 72-jährige Laienschauspielerin temperamentvoll über Kinder, Geburtstagsfeiern, Nachbarn und plastische Chirurgie. Als Zuschauer merkt man ihr an, dass sie ihre Rolle gerne spielt und genießt.

Bühne als Experimentierfeld

Auch Gerti Wanninger aus Tegernsee, im strengen grauen Kostüm mit roter Blume als Kopfputz, geht in ihrer Rolle als Zuhörerin völlig. Immer wieder stachelt sie die Protagonistin zum Weiterlästern an. Für die 67-Jährige bedeutet das Theaterspielen mehr als nur Zeitvertreib.

Anzeige

Sie ist zwar erst seit drei Monaten im Holzkirchner Team dabei, hat aber vorher im Mehrgenerationenhaus in Tegernsee erste schauspielerische Erfahrungen gesammelt.

Die beiden Seniorinnen gehören zum Theater „Federspiel“, das regelmäßig mittwochs im Foolstheater probt. Vor drei Jahren hat die ausgebildete Schauspielerin und Theaterpädagogin Agnes Kraus die Gruppe ins Leben gerufen. Und seit drei Jahren probt sie mit wechselnder Besetzung jedes Jahr mindestens ein neues Stück ein.

Loriot ist dankbarer Ideengeber für Sketche: hier Ludwig Haas und  Heide Romanski als genervtes Ehepaar über die Frage, wie lange ein Frühstückei kochen sollte.
Loriot ist dankbarer Ideengeber für Sketche: hier Ludwig Haas und Heide Romanski als genervtes Ehepaar über die Frage, wie lange ein Frühstückei kochen sollte.

Diesmal bereitet die Laientruppe eine Reihe von Sketchen vor. Die Persiflage über den Kleinstadttratsch auf dem Markt hat Agnes Kraus selbst geschrieben. Aber oft greift sie in ihrer Auswahl auf bestehende Stücke zurück. Beliebt als Theatervorlage sind Tucholsky, Kabarettist Dieter Hildebrandt und natürlich der weltbekannte Komiker Loriot.

Laien unter strenger Regie

Die Truppe setzt sich verschiedensten Teilnehmern zusammen. Die jüngste Mitspieler ist 64 Jahre “jung”, die älteste Schauspielerin 85 Jahre alt. Alle zwölf Teilnehmer aber sind Laien, die sich erstmals auf der Bühne ausprobieren. „Unsere Chefin muss bei uns an der Basis anfangen“, bestätigt Traudl Möhrle, die erst seit kurzem mit von der Partie ist. Sie genießt die professionelle Regie und das Lernen von der Pike auf.

„Ich bin streng“, warnt Regisseurin Agnes Kraus. „Aber die Teilnehmer sind klasse: Sie lernen ihre Texte und, vor allem, sie lassen sich alle von mir etwas sagen – und das ist nicht einfach, wenn man vorher selbst der Boss war!“ lobt sie ihre bunt gemischte Truppe. Doch die Teilnehmer protestieren: „Das ist Neuland für uns: Wir wollen ja dazu lernen.“

Was die meisten lernen müssen sei auch, dass sie nicht immer im Mittelpunkt stehen können. Und dass nicht jeder die Hauptrolle haben kann. Andererseits müssen die Laien sich erst mal auf die Bühne trauen, und das ist gar nicht immer so einfach.

Spaß steht im Mittelpunkt

Agnes Haas hatte Angst davor. Deshalb ist sie anfangs als Souffleuse eingesprungen. Mittlerweile übernimmt sie sogar kleine Szenen auf der Bühne. Andere fangen als Statisten an. „Die brauchen wir ja auch“, lacht Kraus.

Sie kann die Ängste der Teilnehmer bestens nachvollziehen. Um den Einstieg zu erleichtern, beginnt jede Probensitzung mit Körper-, Sprach- und Improvisationsübungen. „Traut euch, dann ist es leichter, das Kind in euch hervortreten zu lassen“, motiviert Kraus immer wieder.

Voll in ihrem Element ist Gisela Steinke als Rezitatorin von Tucholskys Gedicht „Danach“.
Voll in ihrem Element ist Gisela Steinke als Rezitatorin von Tucholskys Gedicht „Danach“.

Die Regisseurin freut sich, dass der Verein Foolstheater e.V. ihr Räume, aber auch Werbung etc. kostenlos zur Verfügung stellt. Sie hat Glück, dass sie die Förderung erhält. Denn „Seniorentheater ist im Trend“, lacht Agnes Kraus, die auch Kinder- und Jugendtheater leitet und selbst auftritt. Dennoch wird viel Mitarbeit von den Schauspielern erwartet. So müssen sie ihre Kostüme selbst nähen oder sich etwas für die Requisiten überlegen.

Aber trotz allem Übens und aller Proben: Was bleibt, ist das Lampenfieber. Gisela Steinke aus Otterfing, die von Anfang an dabei ist, gibt zu, dass sie immer noch vor jeder Aufführung innerlich zittert. „Das ist normal“, beruhigt die Regisseurin, „sonst gelingt die Aufführung nicht. Aber das Wichtigste ist, dass das Theaterspielen feder-leicht ist und Spaß bringt.“

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Allgemein

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner