Falschaussage oder Verleumdung?

Ein Gmunder bezichtigte ein Holzkirchner Elternpaar der Falschaussage. Sie hatten ausgesagt, dass ihre Ehe im Jahr 2014 noch intakt war. Aber wen, außer den Eheleuten, ging das überhaupt etwas an und warum war der Zustand der Ehe in einem Gerichtsfall überhaupt interessant?

War die Ehe zerrüttet, war sie intakt? Wer -außer den Eheleuten- kann das wirklich sagen?
War die Ehe zerrüttet, war sie intakt? Wer – außer den Eheleuten – kann das wirklich einschätzen?

Die Geschichte liegt eine Weile zurück und hat einen ernsten Hintergrund. In einem anderen Fall wurde einem Busfahrer vorgeworfen, einen Schüler – Sohn des angeklagten Ehepaars – sexuell belästigt zu haben. Er habe ihm zwischen die Beine gegriffen.

Bei der Verhandlung vor dem Landgericht in München sagten Mutter und Vater im Rahmen der Verhandlung aus, dass der Schüler zu der Zeit in normalen Familienverhältnissen aufgewachsen sei. Daher sei nicht zu erwarten, dass der Junge den Sachverhalt erfunden habe, um womöglich Aufmerksamkeit zu erwecken.

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War die Ehe wirklich intakt?

Die Frage, in der Verhandlung wegen sexueller Belästigung, zielte darauf ab, ob der Junge sich möglicherweise den Vorfall ausgedacht habe, um die Zuneigung der Eltern zu gewinnen. Diese bestätigten einvernehmlich, dass die Familienverhältnisse zum Tatzeitpunkt völlig in Ordnung gewesen seien. Aufgrund der Aussage verzichtete das Landgericht auf die Erstellung eines Gutachtens, bei dem der Schüler noch intensiver befragt worden wäre.

Ein womöglich entscheidender Wendepunkt im damaligen Prozess. Jetzt kam raus: Bei der Verhandlung waren die Eltern bereits getrennt. Der Vater hatte zuvor erkannt, dass er eigentlich homosexuell ist und sich von seiner Frau getrennt. Auch hatte er damals einen neuen Lebensgefährten. Die Mutter hatte ihrerseits einen neuen Freund. Der Gmunder bezichtigte nun die Eltern des Jungen der Falschaussage.

Was treibt den Ex-Freund an?

So musste sich Richter Walter Leitner am Amtsgericht Miesbach mit dem Fall beschäftigen. Der ehemalige Liebhaber der Mutter erklärte wie er dazu kam, die Angeklagten der Falschaussage zu beschuldigen. Er sei mit der Frau eine Weile liiert gewesen und habe sie bei einem Verhandlungstermin gegen den Busfahrer begleitet.

Dabei sei erklärt worden, dass der Sohn ein netter Junge und die Ehe normal und intakt gewesen sei. Ihm sei klar gewesen, dass die Eheverhältnisse ausschlaggebend für die Entscheidung des Gerichtes waren. Daher forderte der Gmunder seine damalige Freundin auf:

Da musst du wohl was richtig stellen.

Sie aber habe ihm erklärt, da gebe es nichts zu berichtigen und habe nichts unternommen. Da er selbst einmal vor Gericht gestanden habe, wisse er genau, wie man sich da fühle. Deswegen habe er nach einer Möglichkeit gesucht, selbst auszusagen.

Homosexualität schon vor der Ehe bekannt?

Wie sah es wirklich in der Familie aus? War die Ehe ein Fiasko? Und inwiefern haben die Eltern falsch ausgesagt? Der Gmunder Ex-Freund suchte und fand Kontakt zum Anwalt des Busfahres, der damals der sexuellen Belästigung beschuldigt wurde. Dem Anwalt gegenüber beschrieb er, was ihm seine Freundin zuvor über ihre Ehe berichtet hatte.

Laut dem Aussageprotokoll erklärte der Zeuge, dass die Angeklagte ihm gegenüber detailreich erläutert habe, dass die Ehe von Anfang an ein Fiasko gewesen sei. Sie habe schon vor der Hochzeit geahnt, dass ihr späterer Ehemann homosexuell sei. Während der Hochzeitsfeier habe sie wegen der Schwangerschaft ins Krankenhaus gemusst, ihr Mann sei auf der Feier geblieben.

Er habe auch während der Ehe gemacht, was er wollte, sei nie Zuhause gewesen und habe sich so gut wie nie um den Sohn gekümmert, so der Zeuge weiter. Sex habe es nur einmal gegeben und dabei sei auch der Sohn gezeugt worden. Die Ehe sei von Anfang zerrüttet gewesen und hätte nie geschlossen werden sollen. So habe es ihm die Frau und Angeklagte berichtet, als sie noch zusammen waren.

Ex ließ Freundin und Sohn am Gardasee im Stich

Der Verteidiger der Angeklagten widersprach dem in allen Punkten. Die Ehe sei durchaus die meiste Zeit sehr harmonisch verlaufen. Bei der Hochzeit sei die Frau tatsächlich durch die Aufregung ins Krankenhaus gekommen. Zu dem Zeitpunkt sei der Sohn aber schon geboren gewesen.

Ihr Bräutigam sei keinesfalls einfach so, sondern in Absprache mit ihr auf der Feier geblieben. Er habe den Sohn betreut und die Gäste unterhalten. Die ehemaligen Eheleute verstehen sich auch heute wieder gut. Der Partner des Ex-Gatten sei von der Angeklagten und ihrem Sohn akzeptiert.

Stattdessen erzählte die Angeklagte davon, dass der Gmunder sich nie mit ihrem Sohn verstanden habe. Bei einem Ausflug an den Gardaseee habe er sich über ihn aufgeregt und ihn immer wieder gemaßregelt. Der Ex-Freund erklärte dazu, dass er nicht habe mit ansehen können, wie der Sohn seine Mutter behandelte.

Am Berg ist er einfach immer zurückgeblieben und im Restaurant wollte er Käsetoast statt Pizza.

Er habe am Ende Mutter und Sohn einfach in Italien stehen lassen. Sie haben dann selbst mühevoll und auf eigene Kosten nach Hause fahren müssen.

“Der Erfolg einer Ehe ist subjektiv”

Der Gmunder hatte dem Rechtsanwalt des Busfahrers bei dem Treffen in München erklärt und wiederholte das nun vor dem Amtsgericht, dass er die Ehe als nicht wirklich vollzogen betrachtete. Die Frau habe ihm gesagt, wie zerrüttet die Ehe von Anfang gewesen sei. Auch die Mutter des Zeugen sagte vor Gericht aus, dass sie meine, die Ehe sei keine gewesen. Ihr Hauptargument:

Sie hatten nur einmal Sex in zehn Jahren. Das war doch keine Ehe.

Die Angeklagte habe ihr das erzählt und auch, dass sie schon immer – bereits vor der Hochzeit- gewusst habe, dass ihr Mann homosexuell sei. Allerdings konnte die ältere Dame sich nicht mehr erinnern, dass sie das Aussageprotokoll des Rechtsanwaltes unterschrieben hatte.

Nach den Aussagen der beiden Zeugen entschied die Staatsanwältin sehr schnell, den Vorwurf fallenzulassen und beantragte Freispruch. Objektive Fakten für eine zerrüttete Ehe seien hier nicht erkennbar. Auch Richter Leitner sah weder im möglicher Weise fehlendem Sex noch in der später erklärten Homosexualität des Vaters objektive Beweise dafür. Leitner:

Der Erfolg einer Ehe ist etwas sehr subjektives. Einer hält die Beziehung für zerrüttet, ein anderer wünschte sich so eine Ehe.

Die Beweisaufnahme habe nur gezeigt, dass aus Sicht der Zeugen die Ehe schon früher gescheitert war. Objektive Fakten seien das nicht. Gegen Mutter und Sohn läuft parallel ein Ermittlungsverfahren wegen Verleumdung. Das ursprüngliche Verfahren wegen sexueller Belästigung des Sohnes muss nun nicht noch einmal aufgerollt werden.

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