„Zaubern“ steht auf einer handgemalten Tafel neben der Klassenzimmertür. Die meisten der kleinen Stühle sind ordentlich auf die Tische gestellt. Diese Woche braucht sie wohl niemand der Dritt- und Viertklässler mehr zum Pauken.
Mitten unter den Waakirchner Schülern, die im Kreis sitzen, steht einer, der das Zaubern schon gut kann. „Schaffst du es, mir zu sagen, was ich tun soll?“ Fordert er einen der Schüler auf. Dieser tut es sofort, mit Begeisterung. Der Trainer hantiert ein paar mal mit einem kleinen gelben Ball und lässt ihn schließlich ganz verschwinden.
„Das schaut so aus, als würde ich ihn da reinlegen, aber was tue ich in Wirklichkeit?“ Will der Trainer von den 8- bis 10-Jährigen wissen. Gespannt sitzen sie da, ganz wild darauf, ihre erlernten Künste gleich selbst auszuprobieren.
Zirkus während der Schule
Bis zum Freitag müssen die Kunststücke sitzen, denn dann wollen sie ihr neu erworbenes Können ihren Eltern und auch den Lehrern in einer Gala präsentieren. Dank Elternbeirat konnte das Projekt bereits zum zweiten Mal durchgeführt werden. Das letzte Mal war es vor zwei Jahren so weit.
Über 4.000 Euro an Sponsorengeldern seien seither zusammengekommen. Firmen in der Region, aber auch Privatleute hätten gespendet. „So dass sich die Eltern die Woche auch leisten können,“ freut sich die Elternbeiratsvorsitzende Irmi Markl. Der Elternbeitrag pro Kind beträgt am Ende nur noch 40 Euro. Etliche förderungswürdige Familien wurden umfangreich unterstützt, damit alle 107 Mädchen und Jungen an dem Projekt teilnehmen können.
„Das war auch der ausschlaggebende Punkte, warum wir das während der Schulzeit machen wollten,“ begründet Markl. So sind einfach alle dabei. Hätten die Zirkustage beispielsweise in den Ferien stattgefunden, wären bestimmt wieder etliche verreist gewesen. Sich selbst und die Schule neu entdecken und erleben: Das ist der Leitspruch, unter dem die Zirkusschule die Projekttage an Schulen durchführt. Eine Woche lang, von 8 bis 13 Uhr.
Kinder entdecken ihre Qualitäten – frei von Notendruck
Jedes Kind entscheidet sich anfangs, in welche Gruppe es gehen möchte: Zaubern, Akrobatik, Jonglage, Theater und Teller, Zirkus-Orchester, Einrad oder Schwingen wie Tücher, Flaggen oder Seile. Dort können die Kinder dann ihren unterschiedlichen Neigungen nachgehen. Individuelle Charaktere werden durch die Trainer der Zirkusschule gefördert.
Einige der Eltern haben sich bereit erklärt, als Aufsicht mit dabei zu sein. Sie können live miterleben, welche Fortschritte ihre Kinder machen und welchen Spaß an der Sache sie entwickeln. „Hinterher sind manche Eltern echt überrascht, mit welchen Fähigkeiten ihre Kinder nach Hause kommen,“ so die Elternbeiratsvorsitzende.
Miteinander statt gegeneinander
Szenenwechsel: in der Turnhalle üben die Einradfahrer ihr Können. Einige habens schon voll drauf – scheinen schon längere Zeit zu fahren. Andere sind offenbar noch Einsteiger – sie fallen noch häufig um oder schaffen es noch nicht allein, aufzusteigen. Das wird gerade gemeinsam geübt.
Freddy, Franzi, Elena, Vroni und die anderen. Alle halten sich an den Schulter fest. Einer nach dem anderen steigt aufs Rad. Beim zehnten oder zwölften Kind bricht die Reihe dann meist ein. „Das wird schon noch. Das machen wir gleich nochmal,“ ermuntert der Trainer.
Unter diesem Motto wird das Hauptaugenmerk auf das gemeinsame Lernen gelegt, egal in welcher Disziplin: Der Erfahrene im Einrad stützt den Einsteiger, die Partner schminken sich gegenseitig behutsam und respektvoll die Gesichter, das Zirkus-Orchester findet einen gemeinsamen Rhythmus, in der Akrobatik wird der rücksichtsvolle Umgang mit anderen Körpern erprobt und im Theater werden Emotionen ohne Worte ausgedrückt.
„Wer einen schlechteren Stand in der Klasse hat, wird hinterher aus einem neuen Blickwinkel aus betrachtet,“ ist sich Rektor Holger Kraus sicher. Besonders die kreativen Potentiale, die soziale Integration und die sozialen Kompetenzen der Kinder werden gefördert. „Wir tragen die Idee mit,“ ereifert er sich.
Gegen Leistungs- und Übertrittsdruck
Das Schulleben als ein von allen getragenes Miteinander sichtbar machen und sich selbst als Teil des Ganzen zu erleben, darauf könnte man das Projekt zusammenfassen – auch wenn es dabei „nur“ um die Dritt- und Viertklässler geht. Vielleicht ein wichtiges Zeichen, das gegen Leistungs- und Übertrittsdruck gesetzt wird. Auf alle Fälle ein nachahmungswertes Beispiel für andere Schulen – vielleicht auch im Tal.
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