Sie haben eine Stimme

Bleiberecht, Selbstbestimmung und Arbeitsrecht sind die drei wichtigsten und fundamentalsten Forderungen von Asylbewerbern in Deutschland. Wenn die Politiker dies als Zugeständnis machen würden, könnten sich Menschen, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, um sich selbst kümmern. Und das wünschen sie sich, mehr als alles andere. So wie Robert Seko und Samandar Lashgari.

(v.li.) Samandar Lashgari, Uche Akpulu und Robert Seko
(v.li.) Samandar Lashgari, Uche Akpulu und Robert Seko

Die beiden jungen Männer sind seit 2009 und 2010 in Deutschland. Mit teils drastischen Worten schilderten sie am vergangenen Sonntag im Holzkirchner Fools Theater einer großen Zahl von Zuhörern ihre Erlebnisse. Eingeladen hatte Christa Ortmann von den „Frauen in Schwarz“. Die Matinee war die dritte in einer Reihe, in der der Verein auf die Situation von Flüchtlingen in Deutschland aufmerksam machen will: „Heute haben wir diejenigen eingeladen, um die es geht“, leitete sie die Veranstaltung ein, „wir wollen ihnen eine Stimme geben und aus erster Hand von ihrer Situation erfahren.“

Unsicherheit wird zur Zerreißprobe

Samandar Lashgari floh als politisch Verfolgter aus dem Iran über die Türkei, Griechenland und Italien. In Deutschland war die erste Station das Asylheim in Gießen. Anschließende Verlegung nach Zirndorf in Bayern: „Die vier Monate waren wie im Gefängnis“, beschrieb der 26-Jährige seine Gefühle. In Würzburg, der nächsten Bleibe, sei es für ihn zu einem einschneidenden Erlebnis gekommen: „Mein Freund war Polizist im Iran und musste fliehen, weil er sich geweigert hat, auf Demonstranten zu schießen. Er hat sich in Würzburg erhängt.“ Die ewige Ungewissheit in Bezug auf sein Bleiberecht sei für ihn unerträglich geworden, „denn er konnte nicht mehr in den Iran zurück“. Dieses Schicksal habe ihm klar gemacht, dass er und seine Mitbewohner selbst etwas unternehmen müssten, um ihre Situation zu ändern. Samandar Lashgari trat zusammen mit neun weiteren Flüchtlingen in den Hungerstreik. 18 Tage hielten sie durch, trotz der Angst um Nachteile um ihre eigene Lage – und sie erreichten Entscheidendes:

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Inzwischen sind acht von uns als politische Flüchtlinge anerkannt.

Sehr emotional äußerte sich Robert Seko aus dem Kongo in Englisch. Er appellierte an die Zuhörer, sich selbst zu fragen, warum er in Deutschland sei und fügte hinzu: „Die deutsche Regierung will die Probleme nicht sehen.“

Europa trägt eine Mitschuld

Die Gründe, warum junge Männer, Frauen oder ganze Familien ihr Heimatland verlassen müssen, lieferte Uche Akpulu. Der studierte Umwelttechniker kam nach langer Odyssee 2004 nach München. Dort musste er zunächst vier Jahre lang zusammen mit zwei anderen Männern auf 13 Quadratmetern leben. Das Lager, wie er mit einem Bild belegt, war mit Stacheldraht umgeben. „Wir haben uns wie Gefängnisinsassen gefühlt“, beschrieb er seine damaligen Gefühle. Seit 2008 ist er als Flüchtling anerkannt und arbeitet beim Bayerischen Flüchtlingsrat. In Vorträgen versucht er Menschen für die Flüchtlingsproblematik zu sensibilisieren und aufzuklären. Europa und seine Geschichte sei nicht ganz unschuldig an der gegenwärtigen Situation, so Akpulu. Durch die willkürliche Aufteilung des afrikanischen Kontinents unter den europäischen Kolonialmächten 1885 wurden Grenzen diktiert. Ein Grund dafür, dass es bis heute kriegerische Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen gibt. Dazu kommen Hunger und Armmut, mit verursacht durch fehlgeleitete Agrarsubventionen, von denen reiche Länder profitieren, während der schwarze Kontinent ausgespart bleibt. Die Folge: Menschen müssen ihre Heimat verlassen.
„Weltweit sind 44 Millionen Menschen auf der Flucht“, so Akpulu, „zehn Prozent davon machen sich auf den Weg nach Europa.“ 2013 habe es in Deutschland im ersten Halbjahr 52.754 Asylanträge gegeben.

Hilfe heißt: Ehrenamt und politische Einflussnahme

Die Hilfsbereitschaft sei groß, betonte er und „wichtig“. Doch ehrenamtliche Hilfe alleine reiche nicht aus. Die Gesetzeslage für Flüchtlinge bestimmt: Lagerpflicht, Residenzpflicht und ein neunmonatiges Arbeitsverbot. Deshalb seien politische Aktivitäten von Seiten der Bürger immens wichtig. Nur so könne man Abgeordnete aus der eigenen Region für das Thema sensibilisieren und auf eine Veränderung der gegenwärtigen Asylpolitik hinarbeiten. Eine weitere, sehr wertvolle Hilfe sind laut Akpulu Deutschkurse: „Flüchtlinge haben keinen Anspruch darauf.“

Diese seien in Holzkirchen bereits fest eingeplant, meldete sich Maria Korrell, Integrationsbeauftragte der Marktgemeinde, zu Wort. Im August sollen laut Korrell Asylbewerber nach Holzkirchen kommen. „Wir sind vorbereitet“, bekräftigte sie das örtliche Engagement, „30 Helfer stehen bereit.“ Um den Neuankömmlingen beim Ausfüllen von Formularen unter die Arme greifen zu können, brauche man jedoch noch dringend Freiwillige.
Veranstalterin Christa Ortmann begrüßte dieses Engagement, jedoch dürfe man die sogenannte Caritasfalle nicht einfach hinnehmen und betonte zum Abschluss: „Über den ehrenamtlichen Einsatz ist auch politischer gefragt.“

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