Nachdem man die letzten Tage von einem Unglücksfall ausging, der zu dem schrecklichen Seilbahnunglück am italienischen Lago Maggiore führte, wird nun bekannt, dass es sich um eine Straftat gehandelt haben könnte. Bei dem Seilbahnunglück verloren 14 Menschen am Monte Mottarone ihr Leben. Mehreren Medienberichten zufolge erließ die Staatsanwaltschaft von Verbania in der gestrigen Nacht Haftbefehle gegen den Geschäftsführer und zwei hochrangige Vertreter der privaten Seilbahngesellschaft.
Laut Polizei seien die drei Inhaftierten geständig. Sie sollen das Notbremssystem der abgestürzten Gondel manipuliert haben – in der Überzeugung, “dass das Kabel niemals reißen würde.” Ziel war es wohl, so einen größeren technischen Defekt an der Gondel zu vertuschen. Dieser Defekt, der schon Ende April entdeckt worden war, hätte zu einer langwierigen Reparatur an der Bahn geführt. Damit hätte die Seilbahn nach dem Corona bedingten Ausfall weiterhin auf unbestimmte Zeit geschlossen bleiben müssen.
Seilbahnexperte gibt Entwarnung für unsere Bahnen
Einer, der von Anfang an bezweifelt hat, dass es sich bei der Unglücksursache um einen Zugseilriss mit gleichzeitigem Ausfall des Notbremssystems und damit technisches Versagen gehandelt haben könnte, war Peter Lorenz. Er gilt als einer der “Seilbahnexperten” überhaupt. Lorenz, Geschäftsführer der Brauneck Bergbahn, der Wallbergbahn GmbH und der Alpenbahnen Spitzingsee GmbH und zudem 1. stellvertretender Vorsitzender des Verbandes deutscher Seilbahnen, war die vergangenen Tage ein begehrter Gesprächspartner der Medien.
Die Nachricht über die heutigen Verhaftungen in Italien gab seiner Einschätzung recht. “Die Pendelbahn auf dem Wendelstein ist im Umkreis der italienischen Unglücksbahn am ähnlichsten. Ebenso wie die Bahnen in Samerberg und zum Beispiel am Walchensee”, erklärt uns Lorenz heute am Telefon. Es sei zwar immer noch nicht geklärt, warum das Zugseil bei der italienischen Bahn gerissen sei, dass sei immer noch Bestandteil der Untersuchungen. Aber die Frage warum das Sicherheitssystem der Gondel den Absturz nicht verhindert hat, sei nun wohl leider klar. Lorenz führt in Bezug auf unsere Bahnen weiter aus:
Wenn bei einer Pendelbahn wie der am Wendelstein, die immer vorbildlich nach EU-Normen gewartet wird, wirklich mal unwahrscheinlicherweise das Zugseil reißt, so würde das Bremsseil als Notsystem den Absturz der Gondel verhindern. Wenn etwas schreckliches wie in Italien passiert, hat das meistens mit Einwirkungen von Außen zu tun.
Aber auch schon den Riss des Gondelseiles hält Lorenz für höchst unwahrscheinlich. Die Zug- und Bremsseile unserer deutschen Bahnen werden monatlich auf Sicht geprüft. Dazu wird vor jedem Betriebstag eine Schalterfunktionsprüfung bei der ersten gästefreien Fahrt der Bahnen durchgeführt. Hinzu kommen die halbjährlichen Prüfungen abwechselnd durch die jeweiligen Betriebsleiter und den TÜV. Seilbahnen gehören in Deutschland mit zu den sichersten Verkehrsmitteln.
Auch im halbjährlichen Betriebsstillstand aufgrund der Corona-Pandemie – der wahrscheinlich längsten seit dem 2. Weltkrieg (ohne Ausfälle durch Umbauten) – sieht der Experte keine Probleme. Die Bahnen seien mindestens einmal die Woche in Betrieb gewesen. Zum einen, um die Sicherheit zu prüfen, aber auch um in den Wintermonaten “nachzuschauen, ob oben am Berg noch alles in Ordnung sei”, versicherte Lorenz.
In Deutschland ist die Seilbahn sicherer als das Auto
Insgesamt kommt der Seilbahnexperte zu dem Schluss, dass insbesondere die deutschen Seilbahnen sehr sicher seien. “Das Unglück in Italien ist eine fürchterliche Katastrophe, die so nie hätte passieren dürfen”, führt ein sichtlich betroffene Lorenz weiter aus, betont aber:
Eine 10-minütige Autofahrt ist hundertmal gefährlicher, als eine Fahrt mit einer Seilbahn. Da braucht sich keiner Sorgen zu machen.
Weiter freut sich Lorenz: “Als Seilbahnbetreiber im Landkreis kann ich nur sagen, dass ich mich darauf freue, dass wir endlich wieder die Menschen auf die Berge bringen können. Unsere Bahnen sind sicher und technisch bestens geprüft”, sagt Lorenz. Wann es genau so weit sein wird, steht noch nicht endgültig fest. Das Landratsamt wartet gerade auf die Entscheidung der Landesregierung.
Es wurde der Antrag gestellt, aufgrund der stark sinkenden Inzidenzwerte den touristischen Betrieb schon am Samstag wieder aufzunehmen. “Unsere Wallbergbahn wird spätestens am Sonntag wieder Gäste auf den Berg befördern”, gibt der Betreiber Auskunft, “Samstag wäre aber noch besser – hat lang genug gedauert!”
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