Der eine plant mit Baugenehmigung, der andere zieht ein paar Netze über seinen Fuhrpark. Legt Kreuth seine Ortsgestaltung seltsam aus? Zum Jahrestag des Hagel-Unwetters. Was haben die Firmen geplant?
Hagel-Rekordjahr 2023 zwingt Händler zu neuem Schutz
Genau vor einem Jahr:Über Oberbayern ziehen mächtige Gewitter. Binnen weniger Minuten krachen tennisballgroße Hagelkörner auf die Erde. Das Tief Denis hat seinen Schwerpunkt in Bad Bayersoien und Benediktbeuern. Dort ging am 26. August 2023 Hagel mit bis zu zehn Zentimeter Durchmesser nieder. Auch hier im Tal gibt es massiv Geschädigte. Betroffen sind jene, die Autos vor der Tür stehen hatten. Die Versicherer müssen dreistellige Millionenbeträge bereitstellen.
Vor allem die Autohändler mit ihren vielen Fahrzeugen im Außenbereich leiden: Am Ortsausgang von Bad Wiessee liegt linker Hand in Kreuth-Ringsee das Autohaus Schlosser mit einem größeren Fuhrpark. Hinter der Werkstatt hat sich ein Autolackierer etabliert. Das Unwetter hat das Autohaus schwer getroffen. Dutzende Fahrzeuge hatten handtellergroße Beulen. Ein gigantischer Schaden von 700.000 Euro für den Traditionsbetrieb. Und dann sagt die Versicherung: Beim nächsten Mal wird nur von uns gezahlt, wenn Maßnahmen gegen den Hagel umgesetzt werden. Die Firma geht in die Planung: Zum Schutz ihrer Fahrzeuge soll ein riesiger Carport direkt an der Bundesstraße die Werte schützen. Die Maße: In Holzbauweise, 42 Metern Länge und 13 Metern Breite. Die Wandhöhe soll zwischen 3,37 und 4,25 Meter liegen. Kosten: vermutlich bis zu 300.000 Euro.
Schön ist anders
Wo eben noch der Blick auf den See ging, wird zukünftig nur Carport sein. Weg von der Straße? Eher nicht. Neuwagen sollen an die Straße, damit potenzielle Käufer das Angebot sehen. Schaufenster sind ja auch nicht nach hinten ausgerichtet. Nur: Der Gemeinderat hat Bauchschmerzen, stimmt dem Vorhaben im März dieses Jahres gegen Auflagen zu. Derzeit steht schon einmal ein Kran an der Stelle, wo der Carport in das Ortsbild gepresst werden soll.
Derweil erreichen unsere Redaktion wütende Mails und Kommentare auf der Website über eine ‘schiache Netz-Konstruktion’ im Grenzgebiet zwischen Rottach-Egern und Kreuth-Weissach. Was ist da los? Es geht auch billiger, dachte sich die Konkurrenz Stanglmair, die weiter Richtung Weissach auf der linken Seite ihre Autos zum Verkauf in den Hof stellen und wie Schlossers Angst bei jedem Unwetter haben. Auch ihnen soll die Versicherung neue Bedingungen aufgedrückt haben. Chef Thomas Stanglmair wartet nicht lange, besorgt sich eine Netzkonstruktion, die mit viel gutem Willen als ‘Vogelvoliere’ bezeichnet wird. Schönheitsfehler: Ein Bebauungsplan wird nicht eingereicht. Das gefiel keinem im Rathaus Kreuth. Wenn scheußlich, dann mit Genehmigung, fand Bürgermeister Bierschneider.
Bierschneiders Verständnis für die Händler
“Ich verstehe die Not der Autohändler. Das veränderte Klima schafft mehr Unwetter-Ereignisse, also auch mehr Gefahr von Hagel”, der Bürgermeister zeigt Verständnis für die Nöte der Klein-Unternehmer. Nur: So ganz klein ist Stanglmair nicht: An sieben Standorten zwischen Schongau, Garmisch-Partenkirchen und Rottach-Egern verkauft Stanglmair Fahrzeuge der Marken Opel und Hyundai. Zwei Dinge fallen auf: Laut eigener Aussage hat er in anderen Standorten sehr wohl Bauanträge gestellt, nur im Tegernseer Tal nicht. Gerade hier, wo man mit Ortsgestaltung traditionell wenig lax umgeht? Und: Schon vor Jahren soll Schlosser in Kreuth mit einer Netz-Idee vorstellig geworden sein, wurde aber mit einem ‘Nein’ heimgeschickt. Woher kommt eigentlich die Netze? Die Idee ist ja schlicht: Hagelkörner jeglicher Größe werden durch das Netz in vier Metern Höhe abgefangen. Kein großartiger Bau mit aufwändigem Fundament ist nötig, abzubauen in der hagelfreien Zeit.
Die Firma von Michael Gasser aus Südtirol hat vor 25 Jahren noch Obst angebaut. Immer häufiger fragten dann Autohäuser an. „Es wird immer schwieriger eine Versicherung abzuschließen, da einerseits keine Versicherung mehr diese extrem hohen Schadenssummen übernehmen will und anderseits die Versicherungsprämien ins Unermessliche gestiegen sind“, so der Geschäftsführer Michael Gasser der Augsburger Allgemeine gegenüber. Und so habe man laut Gasser seine Schutzsysteme angepasst, um „unabhängig davon, was sich unter den Netzen befindet, vor Unwetterschäden zu bewahren“. Problem: Oft werden Baugrenzen eines Bebauungsplans überschritten. Und dann ist da ja noch die Optik. Stimmt so ein schwarzes Netz-Ungetüm mit der Ortssatzung überein?
Und was sagt Miesbach?
Der Kreuther Bierschneider verweist nach Miesbach: “Die Gemeinde hat, als wir von der ungenehmigten Aufstellung der Stützen und Netze Kenntnis erlangt haben, das Landratsamt als Bauaufsichtsbehörde informiert. Das Landratsamt hat die Firma Stanglmair aufgefordert, einen Bauantrag einzureichen. Dieser Bauantrag liegt nun vor und wird gerade im Bauamt geprüft und dann dem Gemeinderat zur Entscheidung über die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens vorgelegt. Anschließend muss das Landratsamt über die Genehmigungsfähigkeit des Antrags entscheiden.”
Ob Stanglmair dann im nächsten Jahr vor der Wahl steht, auch einen Carport von Schlossers Größe aufzubauen, ist unklar. Hilfreich wäre dann sicher ein Bauantrag, finden einige Gemeinderäte in Kreuth. Jetzt im September soll die Vogelvoliere jedenfalls eingemottet werden. Reicht ja, wenn es im Sommer schiach ausschaut.
In der touristenarmen Zeit hagelt es eher selten. Nur ein Bescheid vom Landratsamt wird hereinschneien …
Das Autohaus Schlosser hingegen plant weiter mit dem Carport. Das wohl auch, weil sie mit diversen Solarpanels auf dem Dach ein wenig Energiekosten sparen wollen. Am Ende bleibt ein Dilemma: Will man angesichts steigender Starkregen- und Hagelereignisse Familienunternehmen wegen Ästhetikfragen die Existenz rauben?
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