Er ist eine der großen Herausforderung des 21. Jahrhunderts ‒ der stetig wachsende Energiebedarf. Der Beschluss der Bundesregierung, sich von der Atomenergie zu verabschieden, heizt zusätzliche politische Diskussionen an. Und auch am Tegernsee wird über alternative Energieträger diskutiert.
Stromversorgung gestern …
Früher, 1896, als elektrischer Strom noch eine Sensation war, ließ Carl Miller im Tegernseer Steinmetzsaal eine Glühbirne erstrahlen und überraschte damit die Bürger im Tal.
Ein Jahr später wurden bereits achtzig Häuser in Tegernsee und Rottach-Egern mit Strom aus dem Wasserkraftwerk „Weissach-Werk“ versorgt. Das war vor über 110 Jahren.
… heute …
Der Energieverbrauch ist heute auf einem sehr hohen Niveau angekommen. Die Energiepolitik steht dabei in einem schwierigen Spannungsfeld, denn Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit stehen sich oft gegenüber. Außerdem muss Strom weiterhin bezahlbar bleiben und sich wirtschaftlich lohnen.
Das E-Werk stellt über die Tegernseer Kur- und Versorgungsbetriebe (TKV) heute einen gewinnorientierten städtischen Eigenbetrieb dar. Eine direkte Ausschüttung zum Tegernseer Haushalt fände zwar nicht statt, erklärt Kämmerer Jürgen Mienert.
Ein eventueller Gewinn des E-Werks fließt demnach zuerst an die TKV und anschließend eventuell an die Stadt. In der Praxis beschließt dies der Tegernseer Stadtrat jedes Jahr neu: „Wollen wir das Geld der TKV haben?“ Für das vergangene Jahr hatten sich die Räte dagegen entschieden. Im Jahr 2010 waren es 100.000 Euro.
… und in Zukunft
Für die nächsten Jahre liegt der Schwerpunkt des E-Werks vor allem auf ökologischer Eigenerzeugung und dem Handel mit Wasserkraft. Erst vor einem Jahr wurde eine energieeffiziente Turbine des Wasserkraftwerks Weissach eingeweiht.
Die Inbetriebnahme der sogenannten Dive-Turbine gilt als erster Schritt in Richtung Energieautarkie. Das E-Werk plant weitere Großprojekte rund um den Tegernsee. Langfristiges Ziel ist es, die vollständige Stromerzeugung über erneuerbare Energieträger sicherzustellen. Weitere Maßnahmen zum Ausbau erneuerbaren Energien werden derzeit entwickelt.
Auch im Bereich Mobilität will sich das E-Werk entwickeln und setzt den Schwerpunkt dabei auf E-Bikes sowie Ladestationen in der Region.
Preissteigerungen bis zu 30 Prozent
Die Entwicklung hin zu alternativen Energien hat aber auch seinen Preis: Günstiger wird der Strom in keinem Fall. E-Werk-Direktor Dr. Norbert Kruschwitz erwartet Preissteigerungen von bis zu 30 Prozent, untermauert von Aussagen einer namhaften Consultingagentur.
Kräftig zu Buche schlagen würden vor allem der Bau von Windrädern, Fotovoltaik- und Wasserkraftanlagen sowie der erforderliche Ausbau der Stromnetze zum Transport der Windenergie aus Norddeutschland nach Süddeutschland.
Im Endeffekt bezahlt der Verbraucher die Umstellung auf erneuerbare Energien ‒ über die Netznutzungskosten und mit seiner Stromrechnung über die Abgabe für das sogenannte “Erneuerbare-Energien-Gesetz”. Die Aussagen von Angela Merkel, Horst Seehofer und Alexander Dobrindt, die Strompreise würden lediglich um knapp fünf Prozent steigen, hält der E-Werk-Chef dagegen für politisches Wunschdenken.
Alternativen zum Atomstrom finden
Die große Herausforderung besteht laut Kruschwitz darin, einen geeigneten Mix aus erneuerbaren und konventionellen Energieträgern zu finden, um den Umstieg von der Kernenergie zu bewerkstelligen.
Der E-Werk-Chef, dessen Vorgesetzter wiederum der Tegernseer Bürgermeister ist, denkt, dass es energiewirtschaftlich vertretbarer gewesen wäre, zur Entlastung des Mineralölmarktes auf Erdgas, Biogas und Propangas zu setzen. Der Ersatz von Atomkraft durch große Erdgaskraftwerke hält Kruschwitz dagegen für einen energiewirtschaftlichen und energiepolitischen Fehler.
Ob diese Aussage eher taktischer Natur ist, oder ob sich der politisch motivierte Ausstieg der Bundesregierung tatsächlich als Fehler erweist, wird man sehen müssen. Sicher ist derzeit nur, dass uns das Thema „Energiewende“ auch die nächsten Jahre begleiten wird.
Bis allerdings auch am Tegernsee wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Lösungen gefunden werden, wird wohl noch viel Wasser durch die Turbinen der Weissach fließen.
Abbildung: Sebastian Scholz
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