Das Zauberwort kennt jeder: „Märchensteuer“. Es fällt immer dann, wenn nicht mit Rechnung bezahlt wird, sondern die Leistungen „Cash“ und somit an der Steuer vorbei beglichen werden. Ob Handwerker, Einzelhändler, Putzkraft oder Gastronom. Noch immer werden mit einem Augenzwinkern andere, deutlich günstigere Preise aufgerufen, sollte man es mit den Belegen nicht so genau nehmen.
Gerade im Oberland, wo viele sich kennen und Gastronomie- und Handwerksberufe überdurchschnittlich häufig vorhanden sind, ist Schwarzarbeit aber ein Tabuthema. Dabei ist sie etwas ganz alltägliches.
“Natürlich keine Rechnung gestellt”
Egal ob es der Kfz-Mechaniker ist, der nach der Arbeit in der heimischen Garage schnell den Kotflügel ausbeult, der Aushilfskellner, der zwar nur für 450 Euro angestellt ist, aber von den Einnahmen aus den nicht abgerechneten Kaiserschmarrn ein weitaus höherer Gehalt bezieht oder aber der Elektriker, der die neue Leitung am Samstag für ein Drittel des Preises verlegt: Wohl jeder in Holzkirchen hat auf die ein oder andere Weise schon mit Schwarzarbeit zu tun gehabt.
„Da ist man irgendwie auch einfach reingewachsen. Mein Vater hat früher schon gesagt: ‘Nach der Arbeit kommst noch mit’“, berichtet Hans (Name von der Redaktion geändert), ein Handwerker aus dem Landkreis. Dann sei man noch zu einem Bekannten oder Nachbar gegangen und hätte dort gearbeitet. „Da haben wir dann natürlich keine Rechnung gestellt.“ Hans ist nun schon über 35 Jahre Handwerker und kennt das Geschäft aus Erfahrung. Seiner Meinung nach würden aktuell knapp die Hälfte der Handwerker sich noch etwas dazuverdienen:
Wenn du ein guter Handwerker bist, dann wirst du in jungen Jahren bestimmt so zwischen 30 und 40 Stunden zusätzlich zu deinem Job schwarz arbeiten.
Laut Hans sind davon vor allem die betroffen, die in einem mittelgroßen Betrieb arbeiten. Während in großen Betrieben bei der aktuellen Lage so viel Arbeit anfällt, dass die Arbeiter gar nicht von ihrem Stammbetrieb wegkommen, bleibt bei kleinen Betrieben kaum mehr Zeit und Geld, als sich um das offizielle Geschäft zu kümmern. Hier könnte man sich zwar etwas dazuverdienen, könnte dann aber mit offiziellen Zahlen nicht mehr seine Fixkosten wie etwa einen Firmenwagen decken.
Geht es nach ihm, sei es für viele auch schwer, sich nicht etwas dazuzuverdienen. „Wenn du heutzutage eine Familie ernähren und irgendwann vielleicht noch ein Haus oder eine Wohnung haben möchtest, dann ist das mit dem Gehalt allein nicht machbar“, so der Handwerker.
Hans glaubt daher auch, dass sich das System auf Sicht auch nicht ändern wird. „Ich denke, das ist unmöglich abzuschaffen.“ Das sei Gang und Gäbe, gerade die Nachbarschaftshilfe oder unter Handwerkern. „Ich glaube auch, dass der Staat das weiß und es im kleinen Rahmen durchgehen lässt.“
Geschätzte zehn Prozent Schwarzarbeit
Doch welchen Anteil hat die Schwarzarbeit überhaupt an der Wirtschaftsleistung in der Region? Offizielle Zahlen sind dafür kaum in Erfahrung zu bringen. Das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen schätzt für ganz Deutschland, dass durch die hohe Beschäftigungszahl und das positive Wachstum das Verhältnis von Schattenwirtschaft zu offizieller Wirtschaft aktuell 10,8 Prozent beträgt.
Schätzungen gestalten sich allerdings schwierig, da viele Schwarzarbeiter gar nicht überführt werden. „Bei einem einzelnen Handwerker, also einem Ein-Mann-Betrieb, wird die Sache schwierig zu überprüfen sein“, so heißt es aus dem für Holzkirchen zuständigen Finanzamt in Miesbach. Hier könnten lediglich Hinweise gefunden werden, wenn ein Selbständiger nicht nachweisen kann, wofür er eingekauftes Material verwendet habe.
Aber ein neues Auto, die teuren Fernreisen oder Einrichtungsgegenstände im Privaten werden gern halt bar bezahlt. Unmöglich, das zu überprüfen. Wenn der Mitbürger nicht denunziert, bleibt es unter der Decke. Denn im System Schwarzarbeit steckt ja auch der, der zahlt, mit drin. Wohl jeder hat schon einmal die Scheine nach geleisteter Arbeit auf den Tisch gelegt. Warum also andere anschmieren, wenn man selbst vom System profitiert.
Finanzkontrolle Schwarzarbeit
Zuständig für die Überprüfungen ist die Finanzkontrolle Schwarzarbeit vom Hauptzollamt Rosenheim. Im Jahr 2014 überprüfte der Zoll bei sogenannten Lohnsteueraußenprüfungen etwa 15.000 Personen und 2.500 Betriebe im gesamten Oberland. Bei etwa zehn Prozent der überprüften Personen wurde im Anschluss ein Strafverfahren eingeleitet. Geschätzter Schaden: rund 49 Millionen Euro.
Allerdings betreffen diese Zahlen den gesamten Bezirk des Zollamts. Dieser umfasst die kreisfreie Stadt Rosenheim sowie die Landkreise Altötting, Bad Tölz-Wolfratshausen, Berchtesgadener Land, Ebersberg, Garmisch-Partenkirchen, Landsberg am Lech, Miesbach, Mühldorf am Inn, Rosenheim, Starnberg, Traunstein und Weilheim-Schongau. Auf Schätzungen, wie hoch die Dunkelziffer bei der Schwarzarbeit in der Region liegt, wollten sich weder der Zoll noch das Landesamt für Steuern festlegen lassen.
Aus dem Finanzamt heißt es, dass es auch Hinderungsgründe für Schwarzarbeit gibt. Beispielsweise bei Fragen der Gewährleistung. Zudem würden gerade bei größeren Betrieben der Zoll häufig kontrollieren, wo auch die Gefahr von organisierter Kriminalität bestünde. Dabei betont ein befragter Finanzbeamter
Damit will ich nicht sagen, dass es bei uns keine Schwarzarbeit gibt. In keinster Weise. Das merken wir ja immer auch bei den Überprüfungen des Zoll. Aber ich glaube nicht, dass die Menge so groß ist, wie es landläufig angenommen wird.“
Einfacher wären Prüfungen allerdings, wenn die Pläne der Europäischen Union in die Tat umgesetzt werden würden. Die Beamten denken seit einiger Zeit darüber nach, das Bargeld in der Union zu beschränken. Schrittweise soll so wohl vorbereitet werden, was viele Experten schon lange fordern: Die Abschaffung des Bargelds.
Der Schwarzarbeit würde damit die Grundlage entzogen, da jede Geldtransaktion nachvollziehbar wäre. Doch Hans glaubt nicht, dass das jemals passieren wird: „Das gäbe einen Aufstand, und ein ganzer Geschäftszweig würde zusammenbrechen.“
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