Das Thema Nahversorgung stellt laut Zeitschrift „Lebensmittelpraxis“ eine große Herausforderung dar. Lange Zeit strebten die Handelsunternehmen von den Innenstädten hin auf die grüne Wiese. Die Zukunft für klassische Tante-Emma-Läden, wie es der Kramer Lad`l in Rottach-Egern ist, schien düster.
Doch plötzlich ist die Nahversorgung wieder ein großes Gesprächsthema. Sind kleine Läden in Zeiten des demografischen Wandels ein gutes Konzept für die Zukunft?
Ginge es nach den Aussagen von Verbrauchern, ließe sich die Frage wohl bejahen. Laut einer aktuellen Emnid-Befragung in Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern wünschen sich 60 Prozent einen kleinen Laden.
Am Tegernsee ist die Versorgung kein Problem
Die Nahversorung im Tal scheint derzeit mehr als gesichert. Derzeit gibt es jede Menge Lebensmittelmärkte, Getränkemärkte, Fachgeschäfte wie Früchteläden, Bäckereien oder Metzgereien sowie Feinkostgeschäfte.
Darüber hinaus hat es ein einziger Tante-Emma-Laden geschafft, neben Discountern und zahlreichen anderen Anbietern, zu überleben.
„Vom Kaviar bis zum Schuahbandl gibt’s bei uns ois.“ Margret Mannhardt bietet in ihrem Kramer Lad`l im Rottacher Malerwinkel alles an, was einen Tante-Emma-Laden auszeichnet: Von Dingen des täglichen Bedarfs wie Brot-, Fleisch- und Wurstwaren, Obst und Gemüse, Milchprodukten oder Getränken bis hin zu Zeitschriften, Postkarten, Souveniers und Drogeriewaren.
Auch Lagerware wie Reis, Zucker, Mehl und ähnliches findet man in den vollen Regalen, die sich in dem kleinen Laden aufreihen.
„Was mir ned hab’n, des brauch’ns ned“, lautet die Devise der über 70-Jährigen Ladeninhaberin. Sie betreibt den Laden in dritter Generation. Gegründet wurde er im Jahre 1896 von ihrer Großmutter. Margret kann von ihrem Geschäft laut eigenen Aussagen gut leben. Und mit ihr die drei Teilzeitangestellten, die seit Jahren für sie tätig sind.
Wie ein kleiner Laden zum Erfolg wird
Margrets Kramer Lad`l nimmt im Tal eine Sonderrolle ein. Zwar gibt es auch viele andere kleine Läden, aber nicht mit einer solch breiten Angebotspalette. Doch wie wird ein kleiner Laden zum Erfolg?
Mehrere Faktoren könnten in Margrets Fall eine Rolle spielen: Sie bringt viel Eigenleistung in ihren Laden mit ein, der ihr obendrein auch noch selbst gehört. Zusammen mit ihren „drei Damen“, die sich durch die jahrelange Tätigkeit mit dem Unternehmen identifizieren, steht sie fast täglich im Geschäft.
Der Standort ist mit das wichtigste Kriterium, nach der Kunden ihren Versorger auswählen. Was zählt ist Nähe. Margrets Laden in der Seestraße ist für Einheimische und Touristen bequem zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar.
Außerdem schätzen die meisten Kunden die persönliche Atmosphäre, die geklärte Herkunft der Produkte sowie die Übersicht in dem überschaubaren Laden. Klein und fein. Das trifft es auf den Punkt, was Käufer an einem Tante-Emma-Laden schätzen.
Viele „Kleine“ machen dicht
Doch es ist nicht einfach für einen Kleinstanbieter zu überleben. Laut Untersuchungen des Kölner EHI Retail Institute hat sich die Anzahl der Lebensmittelgeschäfte mit weniger als 400 Quadratmeter Verkaufsfläche zwischen den Jahren 2000 und 2008 fast halbiert.
Dass Unklarheit herrscht über die Zukunftsfähigkeit des Nahversorger-Konzepts liegt möglicherweise auch an der Definition. Ist ein Nahversorger nur der Dorfladen um die Ecke, der auf private Initiative entsteht? Oder wird ein Nahversorger über die Fläche definiert?
Das Unternehmen Edeka, das in ländlichen Gebieten weit verbreitet ist, legt einen anderen Maßstab an. Man möchte vor allem mit Märkten ab der Größenordnung über 1.500 Quadratmetern expandieren, so wie mit dem kürzlich eröffneten Geschäft in Waakirchen. An eine Renaissance der Tante-Emma-Läden glaubt die Führungsetage nicht.
Wichtig ist eine klare Positionierung
Auch beim Gmunder Dorfladen waren die ersten zwei Jahre schwer. Anfangs noch mit dem Bonus “im Dorfladen muss ich einkaufen” ausgesattet, waren die Bilanzen einigermaßen zufriedenstellend. Doch nach und nach ging der Umsatz zurück und man schrammte bereits zwei mal an der Insolvenz vorbei.
Vielleicht lag es daran, dass der Dorfladen sich nicht entscheiden mochte, was er sein will: Tante-Emma-Laden auf Bio-Basis oder Direktvermarkter? Für einen Tante-Emma-Laden ist er flächenmäßig eigentlich zu groß. Und nicht alle Produkte lassen sich in eine Direktvermarkterschiene einreihen.
Vielleicht kann die neue Ausrichtung des Ladens stärker in Richtung Feinkost und Spezialitäten das Schicksal zum Guten wenden und das Auskommen der drei Angestellten sichern.
Seit Mario Liebold von der Tegernseer Kaffeerösterei vor kurzem seinen Kaffee anbietet, scheint der Weg geebnet dafür, sich als Spezialitätenladen zu positionieren. „Wir bieten das Besondere“ könnte die Botschaft lauten, die dann auch Kunden von woanders in den Laden ziehen soll.
Optimisten sind sich sicher: Ein kleiner Nahversorger hat immer seine Daseinsberechtigung. Um in die großen Läden zu fahren, brauchen die Kunden ein Auto. Einen Wehrmutstropfen sollte man sich jedoch eingestehen: Die meisten Kunden sind heute nicht bereit, bei Produkten des täglichen Bedarfs für Nähe auch mehr zu bezahlen. Und das gilt, trotz des Wunsches nach einem lokalen Nahversorger, nicht nur für geografische sondern auch für persönliche Nähe.
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