Neben einem fünfstöckigen 4 Sternehotel entstehen in der Tegernseer Innenstadt auch drei große Wohnhäuser mit Eigentumswohnungen. Der Volksmund nennt das monströse Bauwerk im Herzen der Stadt schon wenig schmeichelhaft „Die Bohne“.
Die Planquadrat T2 GmbH, ein österreichisches Bauunternehmen, bezifferte das Investitionsvolumen zum Baubeginn des Projektes auf 70 Millionen Euro. In der Wohnanlage entstehen 85 Luxus-Eigentumswohnungen mit einer Größe zwischen 60 und 230 Quadratmetern. Hiervon wurden 21 Wohnungen (50 – bis 120 Quadratmeter) im sogenannten „Tegernseer Modell“ für Einheimische zu „günstigen Konditionen“ erbaut, zu einem festgesetzten Quadratmeterpreis von zirka 3.600 Euro.
Die Bohne wird nicht fertig
Doch nicht nur das wuchtige Erscheinungsbild des Gesamtkomplexes in der Tegernseer Innenstadt sorgt für großen Unmut im Tal. Auch der schleppende Baufortschritt führte zu Kritik. Immer wieder wurde der Fertigstellungstermin verschoben. Mal führte der Bauherr den Austausch des verantwortlichen Fachplaners, mal die Pandemie als Grund dafür an. In einer Mail vom 10. November 2021 informiert Thomas Hofer, CEO von Planquadrat:
Wir arbeiten derzeit auf Hochtouren am Innenausbau. In einigen Wochen werden die ersten Wohnungen übergeben.
Nun scheint es wieder zu Ärger im Tegernseer Quartier zu kommen, wie uns der Gmunder Rechtsanwalt Prof. Dr. Walter Beck mitteilte. In einem Schreiben vom 01. Dezember 2021 an die Tegernseer Stimme wirft der Anwalt, der ein Käuferehepaar aus dem Tal vertritt, der Planquadrat T2 GmbH rechtswidriges Verhalten vor.
Seine Mandanten haben die Wohnung im April 2018 im Rahmen des „Tegernseer Modells“ von der Planquadrat GmbH erworben. Sowohl der im Vertrag in Aussicht gestellte Übergabetermin in der ersten Hälfte 2020 als auch die vertraglich garantierte Fertigstellungsfrist zum 31.03.2021 seien vollzugslos verstrichen, berichtet der Anwalt. Was, so der Rechtsbeistand weiter, nun Planquadrat als Mehrkosten bereits in Rechnung gestellt werde.
Angucken ja – Einziehen nein
Beck berichtet uns gegenüber, dass seine Mandanten inzwischen in einem Ausweichquartier leben. Aus ihrer alten Wohnung mussten sie ausziehen. Ihre Möbel seien eingelagert. Damit aber nicht genug. Nur wenige Tage vor den endlich anberaumten „offiziellen Übergabetermin“ der Wohnung am 29. November verknüpft plötzlich Planquadrat die vorherige Zahlung von 100 Prozent der Kaufsumme mit der Schlüsselübergabe. Für Beck ein rechtswidriges Vorgehen:
Im Kaufvertrag ist festgelegt, dass 3,5 Prozent des Kaufpreises erst dann fällig werden, wenn die gesamte Anlage fertiggestellt ist.
Davon sei man im Quartier Tegernsee noch sehr weit entfernt, berichtet Beck. Weder seien die Außenanlagen noch die Tiefgarage oder gar der Eingangsbereich fertiggestellt.
Auch in der Wohnung selbst seien noch nicht alle Arbeiten abgeschlossen. Zum Beispiel sei das Waschbecken im Bad noch nicht angeschlossen. Den Wohnungsschlüssel habe die Mitarbeiterin des Bauherrn wie angedroht gleich wieder mitgenommen.
Ferienwohnung statt eigene vier Wände
Beileibe kein Einzelfall, wie Rechtsanwaltskollege Markus Wrba aus Kreuth bestätigt. Auch er vertritt einige Käufer von Wohnungen im Quartier Tegernsee. Wrba findet es beschämend, wie seine Mandanten, die ebenfalls über das „Tegernseer Modell“ die Wohnungen erworben haben, vom Bauherrn unter Druck gesetzt werden.
Wie der Kreuther Rechtsanwalt berichtet, hatte auch einer seiner Mandanten dieser Tage einen Übergabetermin im Quartier. Mitten in der Besichtigung habe die Planquadrat-Mitarbeiterin wohl von „höherer Stelle“ in einem Telefonat die Anweisung erhalten, den Käufer ohne Schlüssel heimzuschicken.
Ein Mandant muss aktuell in einer Ferienwohnung leben, weil ihm immer der Zugang zu seiner Wohnung verwehrt wird
Das Salzburger Unternehmen verlange von seinen Käufern vor der Übergabe die Erstattung der Vertragserfüllungssicherheit von 5 Prozent. Diese sei jedoch nach Einschätzung von Wirba bei der Wohnungsübergabe keinesfalls fällig.
Käufer sind am Limit
Die Leute sitzen mit ihren Kindern zum Teil seit mehr als einem Jahr in Notwohnungen fest, beschreibt Wrba die schwierige Lage seiner Mandanten. Die zusätzlichen Kosten wachsen ihnen über den Kopf. So zahlten sie aktuell zusätzlich zum Kaufpreis, der Tilgung, den Zinsen, auch Bereitstellungszinsen der Bank und die Miete in teils teuren Ausweichquartieren. Seine Mandanten seien wirklich am Ende ihrer Nerven nach der langen Wartezeit, so der Anwalt. Teilweise übersteigen die Mehrkosten bereits einen Betrag von 30.000 Euro.
Und dann setze ihnen Planquadrat, so Wrba weiter, noch die Pistole auf die Brust. „Nach dem Motto: Zahlt oder seht zu, wo ihr bleibt. Wildwestmanieren nennt das der Kreuther Anwalt und ergänzt: “Ähnliches Geschäftsgebaren hätten die Salzburger ja schon beim Brenner Park in Bad Wiessee an den Tag gelegt.” Im Moment bereitet Wrba Klageschriften auf Herausgabe der Wohnungen an seine Mandanten vor.
Der Salzburger Bauherr bestreitet die Vorwürfe
Lisa Claudia Schnell, Pressesprecherin von Planquadrat, bezeichnet die Vorwürfe hingegen als nicht den Tatsachen entsprechend und ergänzt:
Es handelt sich dabei offenbar um Fehl- bzw. unvollständige Informationen. Unsere Zuständigen können Ihnen nächste Woche konkrete Auskunft dazu geben, dafür müssen wir aber wissen, um welche Wohnung es sich handelt.
Johannes Hagn (CSU), der als Bürgermeister der Stadt für das “Tegernseer Modell” ein besonderes Interesse an dem positiven Verlauf des Projektes haben sollte, erklärt auf Anfrage nur: “Wir können Ihnen hierzu leider keine Auskunft geben.”
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