Das Kultusministerium hat ein „neuartiges“ Konzept erarbeitet, das die Mittelstufe um eine Jahrgangsstufe erweitert: die „Mittelstufe Plus“. An staatlichen Gymnasien könnte es also in naher Zukunft nicht nur eine achte, neunte und zehnte Klasse geben, sondern zusätzlich die sogenannte „9+“. Durch diese verlängerte Mittelstufe soll es nur noch in der 10. Klasse Nachmittagsunterricht geben, so ein Argument des Kultusministers Ludwig Spaenle (CSU).
Die zusätzliche Stufe soll die Schüler entlasten. Gymnasiasten mit „entsprechendem pädagogischen Bedarf“, so Spaenle, stünde für den gleichen Stoff deutlich mehr Zeit zur Verfügung. Kernfächer wie Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen sollen durch die ganze Mittelstufe hindurch unterrichtet werden – Nebenfächer hingegen speziell in der „9+“.
„Mittelstufe Plus“-Konzept noch unausgegoren
Schon ab nächstem Schuljahr sollen fünf „Modellschulen“ in Oberbayern das Projekt zwei Jahre lang testen. Von einer Bewerbung sieht man am Gymnasium Tegernsee derzeit aber strikt ab. Schulleiter Dr. Werner Oberholzner macht aus seinem Standpunkt zur „Mittelstufe Plus“ keinen Hehl:
Das Hin und Her zwischen G8 und G9 ist für die Gymnasien grundsätzlich nicht gut. Klar, dass das immer wieder miese Schlagzeilen macht. Die Väter und Mütter, die ihre Kinder auf ein Gymnasium schicken, wollen auch genau wissen, wie deren Schullaufbahn aussieht.
Auch die Kinder müssten sich schließlich darauf einstellen können. Eine zweijährige Testphase für ein vierjähriges Unterrichtsmodell erscheint Oberholzner zudem „paradox“. Er sieht auch weitere „große Nachteile“: Bisher gebe es außer „groben Ideen“ weder einen Lehr-, noch einen Stundenplan. Die Kosten für den zusätzlichen Unterricht berappe das Kultusministerium nur in äußerst geringem Umfang. Daraus zieht Oberholzner das Fazit:
Die extra Lehrer und Wochenstunden kann sich dann die Schule selbst aus dem Fleisch schneiden.
Die „Mittelstufe Plus“ sei insgesamt noch „zu unausgereift“, meint der Tegernseer Schulleiter. Letztendlich wurden bisher nur einige Seiten Powerpoint-Präsentation vorgestellt. „Alles wird sehr vage gehalten“, findet er. Sollte sich das Konzept in Zukunft als „vernünftig“ herausstellen, sei er aber der Letzte, der nichts Neues ausprobieren würde, schließt Oberholzner.
„Es läuft nie alles optimal“
Mit seiner kritischen Einstellung zur „Mittelstufe Plus“ steht er nicht allein da. Die breite Mehrheit bayerischer Philologen findet die Pläne des Kultusministeriums überstürzt und unausgereift, berichtete auch die Süddeutsche Zeitung. Axel Kisters, Schulleiter des Holzkirchner Gymnasiums, lässt ebenfalls lieber die Pilotschulen erste Erfahrungen mit der „Mittelstufe Plus“ machen.
Da das Gymnasium die höheren Jahrgangsstufen erst von unten auffüllt, kommt für Kisters die Teilnahme an der Bewerbung ohnehin noch nicht in Frage. Nächstes Jahr wird es erst drei achte Klassen geben. Man befinde sich in der „schönen Situation, beobachten zu dürfen“, schmunzelt er. Grundsätzlich sei er aber an der weiteren Entwicklung sehr interessiert. „Es läuft nie alles optimal“, meint Kisters. Verbesserungsprojekte hält er deshalb für „sinnvoll“.
„Individuelle Förderung statt Einheitsschule“ nennt das Kultusministerium die „Mittelstufe Plus“. „Entlasten“ soll sie die Schüler. Dabei erinnert Kisters daran, dass Schüler und Schulen inzwischen Konzepte entwickelt hätten, um mit dem G8 gut zurechtzukommen. Nicht alle Schüler seien überfordert und bedürften dieser speziellen Förderung durch die Klasse „9+“. Die vom Ministerium anberaumten 25 Prozent hält Kisters am Holzkirchner Gymnasium für „nicht durchsetzbar“.
Bis Ende Februar können sich interessierte Gymnasien noch beim Kultusministerium bewerben. Die Zustimmungen des zuständigen Sachaufwandsträgers sowie betroffener Schüler, Eltern und Lehrer haben beizuliegen. Unter den fünf Modellschulen wird wohl kommenden Herbst weder das Holzkirchner, noch das Tegernseer Gymnasium sein. Aber vielleicht heißt es schon in zwei Jahren ganz offiziell: mit der „Mittelstufe Plus“ zurück zum G9.
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