Unschuldslamm aus Stadelheim

Am Holzkirchner Bahnhof kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Wäre der Angeklagte nicht direkt aus der Untersuchungshaft in der JVA Stadelheim vorgeführt worden, könnte man meinen, er sei das Opfer. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders.

Am Kiosk vor dem Bahnhof hielten die Polizeibeamten den Angeklagten nach dem Flaschenwurf auf. Archivbild

Von zwei Polizeibeamten wurde der Beschuldigte nach Miesbach chauffiert, um sich dort vor dem Amtsgericht zu verantworten. Dem 32-Jährigen wurde vorgeworfen, er habe Mitte Oktober vergangenen Jahres mit einer vollen Schnapsflasche nach einem Radfahrer geworfen. Dieser sei am Bein getroffen worden. Dabei sei das Handy des Opfers zerbrochen. Das Opfer habe zwei Tage Schmerzen gehabt.

Der Geschädigte, ein Asylbewerber der in der Traglufthalle im Moarhölzl gewohnt hatte, war zu der Verhandlung nicht erschienen. Möglicherweise hatte ihn nach der Auflösung der Sammelunterkunft die Ladung nicht erreicht. So war es an dem Angeklagten den Vorfall aus seiner Sicht zu schildern. Er erklärte:

Anzeige

Der hat mich provoziert. ‚Ich ficke deine Mutter, deinen Vater, deinen Bruder‘ hat er gesagt. Meine ganze Familie halt.

Außerdem sei er der, der angegriffen worden sei. „Der hat immer versucht mich mit dem Kopf zu schlagen“, führt der Holzkirchner weiter aus. Völlig grundlos sei der Mann auf ihn zugekommen, habe ihn in der Konversation mit einem Freund gestört. „Der kann das auch bezeugen“. Allerdings wusste er nicht genau wie man den Nachnamen des Freundes schreibt: „Ich kenn die ja nicht vom Personalausweis her.“

Die Flasche sei zwar geflogen, aber drei Meter an dem Geschädigten vorbei, um dann im Gleisbett zu zerbrechen. „Und wie wahrscheinlich ist das denn“, meinte der Beschuldigte.“ dass ich werfe und treffe einen Radfahrer am Bein und dann geht sein Handy dabei kaputt.“ „Dann hat er sich das alles ausgedacht?“, fragte Richter Walter Leitner.

Ja, das ist eiskalt gelogen.

Ein Afrikaner habe dem Geschädigten dann sein Handy geliehen. Damit habe der die Polizei gerufen. Nach Eintreffen der Polizei, so der Angeklagte, sei er auf die Beamten zugegangen, weil er sich selbst angegriffen gefühlt habe und wäre dann verblüfft gewesen, als man ihn festgehalten habe. „Dann hat der mich wieder angegriffen und versucht mich mit dem Kopf zu treffen“, gab der 32-Jährige an. Noch einen Zeugen benennt er, auch hier kann er den Nachnamen nicht genau nennen.

Günstiger toter Winkel und Erinnerungslücken

Der Vorfall wurde von den Überwachungskameras am Bahnhof nur zum Teil aufgezeichnet. Die eigentliche Tat spielte sich in einem toten Winkel ab. Der Polizeibeamte, der die Videos ausgewertet hatte, war als Zeuge geladen. Tatsächlich konnte er auf den Videos nur sehen, wie das Opfer sein Fahrrad vom Bahnsteig schob und kurz darauf zu zwei Sicherheitsmännern der Deutschen Bahn lief. Diese hatten dann auch die Polizei gerufen.

Der Beamte erklärte, dass der Geschädigte auf die Vorladung der Polizei hin aufs Revier gekommen sei und dort seine Aussage wie in der Tatnacht wiederholt habe. Auch habe der Mann nicht auf einer Strafverfolgung bestanden, sondern habe nur seine Handy ersetzt haben wollen. Der Angeklagte sei nicht auf dem Revier erschienen, um seine Aussage zu machen. Daher konnte die Polizei auch keine Entlastungszeugen ermitteln.

An Sicherheitsleute konnte der Angeklagte sich gar nicht mehr erinnern. Er war sich sehr sicher, dass er auf keine getroffen war. Richter Leitner zeigte sich auch erstaunt, wie genau sich der Holzkirchner an viele Details erinnern konnte. „Sie hatten immerhin einen Promillewert von 3,75.“, wunderte er sich. Auf Nachfrage erklärte der Mann, dass er damals täglich zirka eine Flasche Rum getrunken habe.

Unschuldig in Untersuchungshaft?: Einmal mehr ein Opfer

Weil sein Mandant in einem anderen Verfahren in Untersuchungshaft sitzt, fragte der Verteidiger an, ob man das Verfahren nach § 154 Strafprozessordnung (Teileinstellung bei mehreren Taten) einstellen könne. Richter Leitner wollte daraufhin von dem Beschuldigten wissen, ob man denn in dem Fall mit einem Geständnis rechnen könne. Die Antwort:

Ich bin von fünf Asylanten zusammengeschlagen worden, was soll ich da gestehen?

Für diesen Verhandlungstag konnte er sich dann wieder auf den Heimweg in die Justizvollzugsanstalt machen. Weil noch weitere Zeugen und auch der neue Wohnsitz des Geschädigten ermittelt werden müssen, wurde das Verfahren zeitweilig ausgesetzt. Neuer Verhandlungstermin ist der 6. Juni.

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Allgemein

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner